Im ersten Abschnitt entglitt den Schweizern das Geschehen. Sie starteten nicht von vornherein schlecht ins Spiel. Aber die Amerikaner begannen motivierter, entschlossener, vifer. Daraus resultierten 12:4 Torschüsse für das US-Team. Noch nie an dieser WM kamen die Schweizer in einem Abschnitt bloss zu vier Torschüssen.
Noch ärgerlicher als die fehlende Offensiv-Struktur im Schweizer Spiel waren allerdings die ersten Gegentore. Ben Meyers erhielt nach zwölf Minuten das Führungstor gutgeschrieben. Calvin Thürkauf bugsierte den Puck mit dem Schlittschuh ins eigene Tor – zu einem Zeitpunkt, zu dem die Schweizer wegen eines Fouls von Timo Meier in Unterzahl spielten.
Noch vermeidbarer war das 0:2 in der 17. Minute. Adam Gaudette von den Ottawa Senators kämpfte mit grossem Herzen um den Puck und profitierte davon, dass sowohl Verteidiger Dominik Egli (der Gaudette vorbei liess) als auch Goalie Leonardo Genoni (der um einen Schritt zu spät raus kam) die Situation falsch einschätzten. Gaudette spitzelte den Puck an Genoni vorbei und konnte anschliessend ins leere Tor einschieben.
Die Schweizer reagierten. Aber anders als gegen Frankreich (5:2 nach 0:2), Kanada (6:3 nach 2:3) oder Deutschland (4:3 nach 1:2) gelang diesmal die Wende nicht. Gegen Frankreich leitete Denis Malgin nach nur 25 Sekunden im Schlussabschnitt mit dem Anschlusstreffer die Wende ein. Gegen die USA traf Timo Meier nach 25 Sekunden im zweiten Abschnitt nur den Pfosten.
Immerhin leitete diese Chance ein Schweizer Offensiv-Furioso ein (17:6 Schüsse für die Schweiz im zweiten Drittel). Jeremy Swayman von den Boston Bruins, der 23-jährige Torhüter und Teufelskerl der Amerikaner, parierte indes alle 33 Schüsse auf sein Tor. Und Meyers sorgte in der 55. Minute mit einem weiteren Treffer für endgültig klare Verhältnisse.
Klar ist, dass die Viertelfinal-Niederlage die zuvor so grandiosen Schweizer WM-Leistungen relativiert. Womöglich war die Schweizer Gruppe A halt doch nicht so gut. Drei von vier Teams aus der Gruppe B erreichten die Halbfinals (Tschechien, Finnland, USA). Nur Schweden schied aus der Gruppe B aus. Die Schweden hätten nach einer 3:0-Führung im Schlussabschnitt gegen Kanada auch weiterkommen müssen. Vieles, was im Schweizer Team schon in der Vorrunde nicht immer perfekt lief (Leistungsschwankungen, Disziplin), wurde durch all die Siege übertüncht.
Die viel gerühmte Schweizer Offensive mit 15 verschiedenen Torschützen brachte gegen die USA, die in der Gruppe B bloss 1,71 Gegentore pro Spiel zugelassen hatten, gar nichts zu Stande. Zuvor hatten die Schweizer gegen Italien, Kasachstan, Dänemark, die Slowakei, Kanada, Frankreich und Deutschland im Schnitt fast fünf Goals pro Spiel erzielt.
Fast höhnisch wirkt in der Nachbetrachtung die Ansage des Eishockeyverbandes auf Social Media – dass mit den Viertelfinals jene Spiele beginnen, für die wir Schweizer das Eishockey so lieben. Tun wir das wirklich? Seit der Jahrtausend-Wende bestritt die Schweiz an Weltmeisterschaften 13 Viertelfinals und gewann nur zwei davon: 2013 in Schweden und 2018 in Dänemark, als die Schweiz jeweils Silber holte. Elf Mal aber verloren die Schweizer Viertelfinals. Acht Mal verpassten sie sogar die Viertelfinals. Und an Olympischen Spielen, wo die Schweiz noch nie die Halbfinals erreichte, präsentiert sich die Bilanz nicht besser.
In Helsinki nützte gegen die USA alles nichts. Nicht die Glückwünsche von Roman Josi vor dem Spiel aus der Heimat, nicht alle Bemühungen der Stars wie Timo Meier und Denis Malgin, die je länger je mehr den Umschwung mit der Brechstange zu erzwingen versuchten.
Ungünstig für die Schweizer Equipe war auch, dass Enzo Corvi nach einem Zweikampf in Bandennähe schon im ersten Abschnitt mit einer Hirnerschütterung verletzt ausfiel. Nationalcoach Patrick Fischer musste früh die bewährten Linien umstellen. Die Corvi-Formation mit Andres Ambühl und Fabrice Herzog, eine der effizientesten an dieser WM, musste umsortiert werden.
Die WM in Finnland ging so für die Schweizer auf bittere Art und Weise und viel zu früh zu Ende. Statt nach Tampere führt der Weg zurück in die Schweiz nach Kloten. Diskussionen ums Nationalteam werden im Sommer keine aufkommen. Patrick Fischers Vertrag läuft noch bis 2024 weiter und steht nicht zur Diskussion.
Nächste Saison stehen für das Eishockey-Nationalteam nicht Auftritte am Deutschland-Cup oder in der Slowakei auf dem Programm, sondern Gastspiele an den Euro Hockey Games mit Turnieren in Schweden, Finnland und Tschechien.
Erfolgsmeldungen wird es für das Schweizer Eishockey in Finnland ab Freitag vermutlich doch noch geben. Bis zu drei Weltmeisterschaften (Aktive, Junioren, Juniorinnen) können am Freitag an die Schweiz vergeben werden. Für die verpassten Halbfinals wären derartige Meldungen aber nur schwacher Trost. (ram/sda)
Schweiz - USA 0:3 (0:2, 0:0, 0:0)
Helsinki. - 3727 Zuschauer. - SR Ansons/Öhlund (LAT/SWE), Kroyer/van Oosten (DEN/CAN).
Tore: 12. Meyers (Bellows, Hughes/Ausschluss Meier) 0:1 (Eigentor Thürkauf). 17. Gaudette (Peeke) 0:2. 55. Meyers (Kuhlman, Farrell) 0:3.
Strafen: 1mal 2 Minuten gegen die Schweiz, 2mal 2 Minuten gegen die USA.
Schweiz: Genoni; Kukan, Siegenthaler; Fora, Janis Moser; Glauser, Geisser; Egli; Riat, Hischier, Meier; Simion, Malgin, Suter; Ambühl, Corvi, Herzog; Bertschy, Kuraschew, Thürkauf; Miranda.
USA: Swayman; Jones, Megna; Peeke, Schmidt; Hughes; Boldy, Hartman, Galchenyuk; Bellows, Tynan, Gaudette; Kuhlman, Meyers, Farrell; Watson, Lafferty, Hayden; Lettieri.
Bemerkungen: Schweiz ohne Scherwey (verletzt), Marti, Aeschlimann (beide überzählig) und Berra (Ersatzgoalie). - 14. Corvi verletzt ausgeschieden (Verdacht auf Gehirnerschütterung). - Pfostenschüsse: 21. Meier, 59. Jones. - Timeout Schweiz (58:18). - Schweiz von 54:19 bis 56:25 und ab 56:31 ohne Goalie. - Schüsse: Schweiz 33 (4-17-12); USA 22 (12-6-4). - Powerplay-Ausbeute: Schweiz 0/2; USA 1/1. (ram/sda)