Vor einem Jahr begann in Stockholm unsere Traumreise zu WM-Silber mit dem Startsieg gegen den späteren Weltmeister und Gastgeber Schweden. Auch die WM-Expedition in Minsk startet mit einer Partie gegen einen Favoriten. Gegen Russland sind die Schweizer beim WM-Auftakt (15.45 Uhr im watson-Liveticker) trotz ruhmreicher Vergangenheit (WM-Siege 1998 und 2000) immer Aussenseiter. Zumal das russische Nationalteam wieder einmal unter neuer Führung steht.
Was heute Eishockeytrainer, waren früher gut ausgebildete Offiziere: Sie arbeiteten unabhängig von ihrer Nationalität dort, wo es die besten Jobs, die schönsten Frauen und die aufregendsten Abenteuer gab. Unter anderem dienten viele hohe deutsche Offiziere und Generäle den russischen Zaren und sie halfen unter anderem mit, Napoleon wieder aus dem Land zu vertreiben.
Nach der olympischen Schmach (Viertelfinal-Niederlage gegen Finnland) haben sich die Russen dieser alten Tradition erinnert. Zum ersten Mal in der Geschichte führt nun ein Deutscher als Bandengeneral die Russen an einer Weltmeisterschaft: Der Kettenraucher Oleg Znaroks (51) kommandiert zusammen mit seinem Freund Harijs Witolinsch (46) das russische Team. Die Beiden arbeiteten zuletzt als Trainer in der KHL (Dynamo Moskau).
Oleg Znaroks hat in Deutschland gespielt (1992 bis 2001), den deutschen Pass bekommen und den lettischen Pass zurückgegeben, damit er Russe werden kann. Witolinsch blickt auf eine lange Schweizer Vergangenheit als Spieler (seit 1992 u. a. Chur, Lakers und Thurgau) und Trainer (Oberthurgau) zurück, wohnt mit seiner Familie nach wie vor in Kreuzlingen und sagt, man habe ein taktisches Rezept gegen die Schweiz. Wolle es aber nicht verraten.
Die russischen Gewährsleute melden, Oleg Znaroks wolle defensiv spielen und ja nicht den Fehler machen, seine Jungs in helvetische Konter laufen zu lassen. So viel lässt sich also jetzt schon sagen: Leider unterschätzen uns die Russen nicht. Angeführt vom Schillerfalter Alexander Owetschkin, treten sie mit acht NHL-Stars an. Wir haben immerhin sieben Spieler mit NHL-Erfahrung (Berra, Ramholt, Brunner, Moser, Bärtschi, Josi, Weber).
Gefragtester Schweizer vor dem WM-Startspiel war Sven Bärtschi (21). Weil er bereits im Juniorenalter nach Nordamerika gewechselt war, hat der Langenthaler noch nie für die Schweiz gespielt. Die letzte Partie auf dem grossen Eisfeld hat er am 7. März 2010 mit dem SC Langenthal in den Playoffs gegen Olten bestritten (0:2). Am Dienstagvormittag ist er in der Schweiz eingetroffen und sass beim letzten Vorbereitungsspiel gegen Kanada (0:4) noch auf der Tribüne.
Gelingt ihm mit der Nationalmannschaft das gleiche Debüt wie in der NHL, dann wird alles gut: In der NHL buchte er im März 2012 in seinen ersten fünf Partien gleich drei Tore. «Es war mir damals schon klar, dass es so nicht weitergehen würde», sagt er heute. Deshalb ist er über den weiteren Verlauf seiner Karriere nicht beunruhigt und ist zuversichtlich, dass er sich in Calgary im nächsten Herbst wieder einen Stammplatz erkämpfen kann. Diese Saison hat er mehr Spiele im Farmteam (45) als in der NHL (26) bestritten. Bisher hat er insgesamt 56 NHL-Einsätze (8 Tore / 16 Assists) absolviert.
Er sieht bei seiner Nationalmannschafts-Premiere durchaus Parallelen zum NHL-Debüt. «Auch damals war ich nervös und ich ging dann mit viel Adrenalin ins erste Spiel.» Er ist guter Dinge und erwartet auch heute beim WM-Auftakt gegen die Russen viel Adrenalin.