Die Nordamerikaner haben den Ausdruck «All the tools, but no toolbox» geprägt. Was frei übersetzt heisst: Alle Werkzeuge sind vorhanden, aber keine Werkzeugkiste, um sie ordentlich zu versorgen. Gemeint ist: Alles Talent für grosse Taten ist da. Aber es gelingt (noch) nicht, alles in die richtige Ordnung zu bringen.
Diese Redewendung passt exakt auf den totalüberholten SC Bern mit elf wichtigen neuen Spielern. Das 5:1 über die weiterhin desolaten SCL Tigers (in dieser Verfassung so etwas wie ein letztjähriges Ajoie mit Ausländern) sagt wenig. Es wäre schon fast töricht, aus einem solchen Spiel eine Saisonanalyse zu basteln. Und doch ist bereits ersichtlich: Der SCB hat im Vergleich zum Vorjahr so viel mehr Talent und Erfahrung, dass eine Klassierung in der oberen Tabellenhälfte (in den Top 7) eigentlich zwingend ist.
Die Tools sind alle da. Es ist nun an Cheftrainer Johan Lundskog, eine Toolbox zu zimmern. Will heissen: das passende taktische Konzept einzufuchsen und die richtigen Linien-Kompositionen zu finden. Sozusagen eine Werkzeugkiste für sein Traum-Duo zu zimmern.
Was ist beim SCB gegenüber den letzten drei Jahren also anders? Wie gesagt: mehr Talent und Erfahrung. Was nach der grössten Transferoffensive der Neuzeit logisch ist. Aber es gibt auch den Hauch einer neuen Entschlossenheit und damit verbunden ein Ende des Larifari-Betriebes mit allen möglichen und unmöglichen Ausreden.
Der SCB ist am Ende aller Ausreden angelangt. Aber noch wichtiger: Neu ist eine Prise Genie. So wie selbst ein vortrefflich gekostetes Menu gewürzt sein muss, so macht eine Prise Genie aus einer durchschnittlichen eine gute und aus einer guten eine meisterliche Mannschaft.
Das Duo Sven Bärtschi/Chris DiDomenico bringt diese Prise Genie ins SCB-Spiel. Nun können wir sagen, für eine solche Erkenntnis sei es doch gar früh. Sven Bärtschi hat gegen die SCL Tigers erst seine zweite Partie für den SCB und an der Seite von Chris DiDomenico gespielt. Skorerpunkte hat der wichtigste SCB-Einkauf erst einen gegen Basel produziert. Er und Chris DiDomenico treffen gegen die SCL Tigers nicht ins Netz. Aber sie sorgen immer wieder für Genieblitze. Bis sie dann auch regelmässig im gegnerischen Tor einschlagen, braucht es einfach noch ein bisschen Zeit.
Die Besonderheit dieser beiden Stürmer: Beide sind weder klassische Center noch gewöhnliche Flügel. Beide sind eigentlich spielmachende Flügel mit schnellen Händen, einem Hang zu taktischer Freibeuterei und einer Vista, die das Spiel ein, zwei Züge im Voraus erkennt.
Beide haben in ihren Statistiken sowohl in den Juniorenligen als auch später als Profis mehr Assists als Tore. Sie kreisen oft ausserhalb des Slots (der abschlussgefährlichen Zone vor dem Tor) und öffnen Wege mit überraschenden Plays, und wenn sie eine Lücke für den Mitspieler sehen, folgt der «tödliche», der öffnende, letzte Pass. Oder der Versuch eines schnellen Abschlusses.
Aber eben: Noch sind die Instrumente nicht perfekt gestimmt, noch sind beide auf der Suche. Der nominelle Mittelstürmer (gegen die SCL Tigers nimmt Dominik Kahun diese Rolle ein) für Chris DiDomenico und Sven Bärtschi ist nicht der Mann, der die Scheiben verteilt und das Spiel bestimmt. Er ist der Mann, der von dem profitiert, was seine beiden Flügel vorbereiten, und es ist von Vorteil, wenn er sich auch ein wenig um die defensive Absicherung kümmert.
Sven Bärtschi sitzt nach dem ersten Spiel in «seinem» Stadion nach zwölf Jahren (er hat Langenthal im Sommer 2010 noch als Junior Richtung Nordamerika verlassen) und dem zweiten für seinen neuen Arbeitgeber SCB im Medienraum. Bei ihm mischt sich die freundliche Art der Oberaargauer mit gesundem nordamerikanischem Selbstbewusstsein. Ab und an betont er seine Ausführungen mit einem Fingerschnippen. Er ist aus dem Holz geschnitzt, aus dem Leitwölfe sind. Er wird als Leader mithelfen, dieses Team zu tragen.
Der Behauptung, er bilde mit Chris DiDomenico ein Traumduo, widerspricht er einerseits nicht. «Ja, es stimmt, wir suchen und finden uns gegenseitig auch im Training.» Andererseits mahnt er: «Aber es ist jetzt noch viel zu früh. Die Partie gegen Langnau war ja erst mein zweites Spiel.» Er benötige schon noch Zeit, bis es – er schnappt mit den Fingern – Klick mache.
Der Unterschied zwischen dem Spiel auf dem kleinen nordamerikanischen und dem grösseren europäischen Eisfeld sei gross. «Ich neige noch dazu, zu schnell zu passen oder den Abschluss zu suchen. Ich muss mich erst daran gewöhnen, dass ich mehr Zeit und Platz habe.»
Oder auf den Punkt gebracht: Er muss sein Spiel nicht beschleunigen. Sondern eher verlangsamen. «Ja, so kann man es sagen.» Wenn ein Berner langsamer werden darf, um noch besser zu sein: Das kann, das muss, das wird funktionieren.
Item, hat fast jedes Team hat eine Linie wie Bärtschy, Kahun und Dido. Also bitte nicht schon zu überheblich werden liebe Berner.
Wird eine spannende Saison.
Zudem ist DiDo allen interessierten Hockeyeler bekannt für seine unnötigen Temperament-Ausbrüche, mit denen er alles vorher Geleistete innerhalb von Sekunden wieder zunichte gemacht hat.
Schauen wir mal, Hauptsache es geht endlich wieder richtig los.
Wünsche allen eine spannende und unterhaltsame Saison, egal welche Farben ihr tragt, möge der Bessere gewinnen.
Und von Herrn Zaugg wünsche ich mir hin und wieder auch Artikel über andere Clubs als den SCB😉.