Am Anfang steht ein Erstrundendraft (2011, Calgarys Nr. 13), ein NHL-Debüt mit Blitz und Donner mit drei Toren in fünf Spielen im Juniorenalter. Am Ende die Bitte um Vertragsauflösung beim SC Bern und der Verzicht auf 1,4 Millionen Franken.
Im Sommer 2022 beendet Sven Bärtschi seine Karriere in Nordamerika. 2010 zieht er als hochtalentierter Junior – er hat in Langenthal zeitweise drei Punkte pro Partie gebucht – nach Portland (USA), um die Hockeywelt zu erobern. Er wird es auf insgesamt 66 Tore und 72 Assists in 294 NHL-Partien bringen und in seiner besten Saison (2018/19) inklusive Bonus bei Vertragsunterschrift vier Millionen Dollar brutto verdienen.
Die letzte Saison in Nordamerika (2021/22) hat er im Farmteam von Las Vegas verbracht (nur 1 NHL-Einsatz) und noch 750'000 Dollar brutto verdient. Die Zeit für einen Neuanfang ist gekommen.
Er hat in Nordamerika eine bewegte Karriere hinter sich. Wie sich später zeigen wird, kann er sich von einer Gehirnerschütterung, die er vor fünf Jahren bei Vancouver eingefangen hat, nie mehr ganz erholen.
Sven Bärtschi ist kein Titan (180 cm/86 kg). Aber ein technisch hochbegabter, smarter Flügel, der den Hockeystock in einen Zauberstab zu verwandeln vermag und trickreich Gegner auf der Fläche eines Badetuches austanzt.
In seiner besten Zeit ist die NHL noch rauer. Hochkarätige «Schillerfalter» wie er haben es viel schwerer als heute. Der Energieverschleiss ist enorm. Er kann auch verletzungsbedingt in keiner NHL-Saison alle Spiele bestreiten. Seine Bestmarke: 18 Tore und 35 Punkte aus nur 68 Partien (2017/18).
Warum also nicht eine Rückkehr in die Heimat, ins Bernbiet (er kommt aus Langenthal) und dort in einer weniger rauen Lauf- und Tempoliga die Leidenschaft und Freude am Hockey wiederfinden? Er hat in seiner ganzen Karriere bis dahin noch nie ein NL-Spiel bestritten. Seine ganze Erfahrung im helvetischen Profihockey beschränkt sich auf 47 Spiele in der NLB mit Langenthal (12 Punkte) im Juniorenalter.
Beim SCB macht das Management im Frühjahr 2022 in einer Zeit der selbstverschuldeten sportlichen Wirren eine richtige Überlegung: Wenn ein NHL-Erstrundendraft aus dem Bernbiet in der Heimat eine neue Herausforderung sucht, dann lohnt sich eine hohe Investition.
Sven Bärtschi ist für den SCB im Sommer 2022 ein «Königstransfer» mit dem Potenzial für 50 Skorerpunkte. Er bekommt einen Dreijahresvertrag im Gesamtwert von ziemlich genau 2,1 Millionen Franken brutto. Der SCB macht Sven Bärtschi mit einem Jahressalär von 700'000 Franken zum teuersten Schweizer Spieler seiner Geschichte. Aber der Vertrag entspricht seinem Marktwert für den SCB. Gilt es doch nach der sportlich schwächsten Saison seit dem Wiederaufstieg (11. Platz) fürs grösste Publikum Europas ein Zeichen zu setzen.
Die Verpflichtung von Sven Bärtschi erweist sich zwar rückblickend als grösster und teuerster Transfer-Irrtum der SCB-Geschichte. Aber in Kenntnis um die SCB-Situation im Frühjahr 2022 war es kein Fehler. Und für Sven Bärtschi war es zwar ein Irrtum, zu hoffen, in seiner Heimat noch einmal die Hockeyleidenschaft finden zu können. Er beendet die Qualifikation in Bern mit vier Toren und zehn Assists aus 44 Partien und sitzt zeitweise auf der Tribüne. Aber das SCB-Abenteuer war ein Versuch wert und kein Fehler.
Nach der Saison und noch vor seiner Abreise nach Portland in die Sommerpause kommt er nach einem langen Gespräch mit SCB-Manager Marc Lüthi zum Schluss, es in der Saison 2023/24 noch einmal zu versuchen. Vor drei Tagen hat er Marc Lüthi telefonisch um die Vertragsauflösung gebeten. Nach der schriftlichen Bestätigung ist nun das Arbeitsverhältnis per sofort und per Saldo aller Ansprüche beendet worden.
Sven Bärtschi beendet seine Karriere erhobenen Hauptes. Er hätte es noch einmal versuchen und viel Geld kassieren können. Im Wissen, dass er nicht mehr sein bestes Hockey wird spielen können. Doch das ist nicht seine Art. Entweder ganz oder gar nicht. Also hat er um die Vertragsauflösung gebeten und verzichtet so auf die 1,4 Millionen Franken, die er in den zwei ausstehenden Vertragsjahren beim SCB noch hätte verdienen können.
Sven Bärtschi lebt mit seiner Familie in Portland. Dort hat er bei den Winterhawks auf höchster nordamerikanischer Juniorenstufe in der rauen WHL als Rookie des Jahres (66 Spiele/85 Punkte in der Qualifikation, 21 Spiele/27 Punkte in den Playoffs) einst seine Karriere lanciert. Hier hat er auch seine Frau kennengelernt und hier besitzt er ein Haus. Auch wenn in Nordamerika die Hälfte eines Bruttosalärs durch Steuern verloren gehen: Er hat in der NHL insgesamt etwas mehr als 10 Millionen Dollar verdient und den grössten Teil seiner Vermögensbildung abgeschlossen.
Eine Rückkehr in die Schweiz ist nicht geplant. Die Winterhawks, eine der besten Nachwuchsorganisationen Nordamerikas, werden sich eher früher als später um seine Dienste bemühen.
Die 700'000 Franken, die nun im Salärbudget frei werden, kann der SCB in die Verpflichtung seines 7. Ausländers investieren. Seit längerer Zeit versuchen Obersportchef Martin Plüss (er hat beim SCB noch keine Unterschrifts- aber bereits Entscheidungsberechtigung) und Untersportchef Andrew Ebbett den Kanadier Corban Knight (32) zum SCB zu locken. Der Mittelstürmer rockt seit vier Jahren die KHL (278 Spiele/196 Punkte), war schon einmal Meister und einmal der beste KHL-Ausländer. Er würde auch die NL rocken.
Dem SCB können schöne Transfer-Gerüchte und -Meldungen nur guttun: Es sind erst 11'500 Saisonkarten verkauft. Und nicht schon 13'000 wie in den grossen Zeiten.