Der warme Applaus, den die Milan-Fans ihrem ehemaligen Trainer Carlo Ancelotti am vergangenen Samstag im San Siro spendeten, konnte den 60-jährigen Napoli-Coach nur wenig aufmuntern. Das enttäuschende 1:1 gegen die ebenfalls in einer Schaffenskrise steckenden Mailänder war bereits Napolis sechstes siegloses Spiel in Folge. Mit Titelambitionen gestartet, beträgt der Rückstand der Süditaliener auf den ewigen Rivalen Juventus Turin nach 13 Runden bereits uneinholbare 15 Punkte.
Noch unter Maurizio Sarri fand Napolis erfrischender Offensivfussball international Beachtung. Nun droht der Stolz des Südens ins Serie-A-Mittelmass abzusinken und auch die Qualifikation für die Achtelfinals der Champions League ist noch nicht in trockenen Tüchern. Die Gründe für den schlechtesten Saisonstart seit 2011 sind vielschichtig. Die aktuelle Krise ist jedoch stark mit einem konkreten Ereignis verknüpft.
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Als Konsequenz der Niederlage vom 2. November gegen die Roma ordnete Präsident Aurelio De Laurentiis in Eigenregie nämlich ein siebentägiges Straftrainingslager an. Der 70-jährige allmächtige Eigentümer, der mehrheitlich in Los Angeles lebt, kommunizierte diesen Entscheid dem Team nicht etwa persönlich, sondern indirekt über ein Radiointerview.
Der sogenannte «Ritiro» ist eine im italienischen Fussball oft praktizierte Massnahme, um ein Team bei anhaltend schlechten Resultaten zu disziplinieren. Die Spieler bleiben über einen Zeitraum im Trainingszentrum kaserniert und dürfen nicht heim zu ihren Familien.
Nach dem Champions-League-Gruppenspiel gegen Red Bull Salzburg vom 5. November eskalierte die Situation. In den Katakomben des «San Paolo»-Stadions flogen die Fetzen. Der brasilianische Mittelfeldspieler Allan und Napolis Vizepräsident Edoardo De Laurentiis gerieten sich in die Haare. Während Ancelotti und sein Trainerstab nach Castel Volturno zurückfuhren, widersetzten sich die Spieler den Anordnungen der Klubleitung und gingen nach Hause. Der Spielerstreik war Tatsache geworden.
Der Präsident drohte daraufhin mit juristischen Schritten, die Spieler kontaktierten ihre Anwälte. Die Tifosi solidarisierten sich mit De Laurentiis und bezeichneten die Fussballer als verwöhnte Millionäre. In die Villa von Allan wurde eingebrochen, der Pole Piotr Zielinski im Auto überfallen. Ein Racheakt der Mafia gegen die sonst als «Intoccabili» (unantastbar) geltenden Fussballer?
Vor zwei Tagen dann der vorläufige Höhepunkt im nicht enden wollenden Schmierentheater. Per Einschreiben erhielten alle Profis die Mitteilung, dass ihnen der Novemberlohn um 25 Prozent gekürzt werde. Bei den als Rädelsführern identifizierten Allan und Insigne entspricht das Bussgeld gar der Hälfte des Monatssalärs: 250'000 Euro beim Brasilianer, gar 350'000 Euro für den Captain.
Schlechte Voraussetzungen also für das heutige Auswärtsspiel gegen Liverpool. Zwar kann Napoli die zwei fehlenden Punkte für die Achtelfinalqualifikation auch noch im letzten Gruppenspiel gegen Genk einfahren. Folgt in Anfield aber ein weiterer lustloser Auftritt, riskiert Ancelotti die vorzeitige Entlassung. Die idyllischen Zeiten, welche «Carletto» und Patron De Laurentiis beim gemeinsamen Kartenspielen zeigten, sind vorbei. Ancelotti wirkt angezählt. Wie schon bei Bayern München scheint er die Kontrolle über das Team verloren zu haben.
Das Kandidatenkarussell für die Nachfolge des dreifachen Champions-League-Siegers mit Milan und Real Madrid dreht sich bereits. Unter den Favoriten soll sich auch der Schweizer Nationalcoach Vladimir Petkovic befinden. Die Zeitung «Tuttosport» listete den 56-jährigen Wahltessiner letzte Woche zusammen mit Gian Piero Gasperini (Atalanta Bergamo), Simone Inzaghi (Lazio Rom) oder Gennaro Gattuso auf – ausser Gattuso sind alle derzeit beschäftigt.
Bei einer Absetzung Ancelottis wäre eine Übergangslösung bis Ende Saison denkbar, um danach mit neuem Coach eine neue Mannschaft aufzubauen. Die Chancen Petkovics sind intakt. Hat er sich in der Serie-A aus seiner Zeit bei Lazio Rom (Cupsieger 2013) doch einen guten Namen geschaffen. Auch das Umfeld Napolis ist Petkovic bekannt. Im Spätsommer 2014 besuchte er die damaligen Schweizer Nationalspieler Inler, Behrami und Dzemaili in Napolis Sommertrainingslager und traf sich dabei mit Funktionären. Sollte sich Petkovics Weg mit jenem des Schweizer Verbands trennen, könnte seine Zukunft also durchaus in Italien liegen.
Spass bei Seite, mein Mitleid hält sich echt in Grenzen. Der Durchschnitts Neapolitaner arbeitet mehr als 15 Jahre um nur schon die Hälfte von Insignes Lohn zu erhalten.