«China plant Angriff auf Fussball-Weltspitze», hiess es im Jahr 2016. Hintergrund dieser Schlagzeile war die Bekanntgabe eines Drei-Phasen-Plans mit sportlichen Zielen: Bis 2030 sollen die Chinesen zu den Topteams Asiens gehören, bis 2050 wird sogar ein Vorstoss in den Fussballolymp angestrebt. Ein prominenter Befürworter dieser Ambitionen ist Staatspräsident Xi Jinping höchstpersönlich. Was folgte, war eine Einkaufstour chinesischer Klubs in europäischen Ligen, finanzielle Turbulenzen in der chinesischen Liga, ein Ausscheiden im Viertelfinal der Asienmeisterschaft gegen den Iran und ein Scheitern in der WM-Qualifikation.
Das Projekt ist ins Straucheln geraten und was bei den Männern keine Früchte zu tragen scheint, soll jetzt bei den Frauen besser gemacht werden. 2019 präsentierte der chinesische Fussballverband CFA eine Strategie, die den Frauenfussball im Reich der Mitte voranbringen soll.
Als Teil dieser Strategie wurde jedes Team der höchsten Liga der Männer dazu verpflichtet, bis 2020 ein Frauenteam aufzustellen. Der Fussballverband erhofft sich von dieser Massnahme, «dass die Erfolge der Männerteams auf die Frauenteams ausstrahlen, die sich schnell entwickeln und ebenfalls grosse Erfolge feiern können». Auch in den Nachwuchs soll investiert werden. Dabei orientiert sich der CFA an den USA, wo der Fussball in schulischen Einrichtungen gefördert wird.
Zusätzlichen Aufwind erhoffen sich die Verantwortlichen des Projekts von der Austragung der Fussball-WM der Frauen im Jahr 2031. Die entsprechende Kandidatur wurde letztes Jahr bekanntgegeben, ein Entscheid der FIFA steht noch aus. Geht es nach dem chinesischen Fussballverband, sollen die Chinesinnen an diesem Turnier bereits zur Weltspitze gehören.
Dass Chinas Fussballfrauen an internationalen Turnieren besser abschneiden als ihre männlichen Kollegen, ist eigentlich nichts Neues, mischten die Asiatinnen doch um die Jahrtausendwende noch in der Weltspitze mit. Von 1986 bis 1999 konnten die Chinesinnen die Asienmeisterschaften ganze sieben Mal in Folge für sich entscheiden, bevor ihre Dominanz von den Nordkoreanerinnen durchbrochen wurde. Sowohl an den Olympischen Spielen 1996 als auch an der Weltmeisterschaft 1999 erreichte das Team zudem den undankbaren zweiten Rang.
Spitzensport geniesst in China einen hohen Stellenwert, insbesondere dann, wenn Medaillen und Auszeichnungen winken. Bei der Vergabe von Medaillen sollen die Chinesinnen an internationalen Turnieren in Zukunft wieder ein Wörtchen mitzureden haben. Was die Förderung, die Finanzierung und die Vorurteile betrifft, kämpfen fussballspielende Frauen in China aber mit ähnlichen strukturellen Problemen wie in den meisten Teilen der Welt.
Der Weg zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern im Fussball ist auch in China noch lange, aber erste Veränderungen seien schon im Gange, mögen sie auch noch so klein sein: «Die Zahl der Jungs, die eine schlechte Meinung über fussballspielende Mädchen haben, wird immer kleiner», meint eine chinesische Fussballerin in einem kürzlich erschienenen Dokumentarfilm des ZDF.
Mit der neuen Strategie soll die Nationalmannschaft der Frauen wieder zum Siegen zurückfinden. Ein erster Erfolg konnte bereits verbucht werden: Nach einer 16-jährigen Durststrecke entschieden die Chinesinnen die Asienmeisterschaft im Jahr 2022 wieder für sich. Ob es auch an der WM für eine Topplatzierung reicht, wird sich zeigen. Für den Einzug in den Achtelfinal reicht es den Chinesinnen aber vermutlich nur dann, wenn sie heute die Europameisterinnen aus England schlagen.