Riola Xhemaili sitzt vor den Medienvertretern und beantwortet Fragen. Nichts Aussergewöhnliches für eine Spielerin mit ihren Qualitäten. Und doch fühlt es sich an diesem Dienstag anders an als sonst, kommen die Antworten aus ihrem Mund einer Befreiung gleich.
Ein knappes halbes Jahr ist vergangen, seit Riola Xhemaili zum 29. und bis heute letzten Mal für das Schweizer Nationalteam aufgelaufen ist. Bei der 0:1-Niederlage gegen England in Sheffield kam die Mittelfeldspielerin ab der 87. Minute zu einem Kurzeinsatz. Es sollten für lange Zeit die letzten Minuten im Nationaltrikot sein für die junge Solothurnerin.
Bei den Zusammenzügen im Februar und April fehlte Xhemaili – trotz starker Leistungen in ihrem Verein. In Eindhoven blühte die Nationalspielerin auf. Den Meistertitel und den Cupsieg verpasste sie als Stammspielerin mit der PSV nur knapp. Im Liga-Cup sicherte sich Eindhoven gegen Double-Gewinner Twente Enschede doch noch einen Titel – auch dank Xhemaili, die in wettbewerbsübergreifend 26 Spielen 14 Tore erzielte und sechs Assists beisteuerte.
«Für mich war es eine Hammer-Saison. Ich habe jedes Spiel von Beginn weg gemacht, was wichtig war, um Selbstvertrauen zu tanken.» Zuvor war ihre Karriere ins Stocken geraten, war aus dem einst grössten Talent des Schweizer Frauenfussballs ein Sorgenkind geworden. Was viel mit dem fehlenden Vertrauen der Coaches in ihre Spielerin zu tun hatte.
Unter Nils Nielsen gab Xhemaili 2020 im Alter von nur 17 Jahren ihr Debüt im Schweizer Nationalteam. Der Däne setzte auf die technisch versierte Mittelfeldspielerin, die das Vertrauen mit fünf Toren in der WM-Qualifikation zurückzahlte. Unter Nielsens Nachfolgerin Inka Grings kam sie nie zur Entfaltung. Die Deutsche bootete Xhemaili vor der WM 2023 in Australien und Neuseeland überraschend aus, mit der Begründung, sie müsse «mehr investieren».
Auch unter Sundhage hat Xhemaili einen schweren Stand. «Klar, war es enttäuschend, dass ich die letzten beiden Zusammenzüge verpasst habe. Man wartet auf das Aufgebot und wartet und wartet», sagt sie. «Pia hat mir gesagt, woran ich arbeiten soll, das habe ich gemacht und nun bin ich hier.» Konkret wird die Spielerin in ihren Ausführungen nicht. Es sei um das Kopfballspiel, den Torabschluss «und anderes» gegangen, das sie schon gut mache, aber eben noch optimieren könne.
«Ich habe dieses Jahr wieder bewiesen, dass ich eine gute Fussballerin bin, wenn ich Vertrauen spüre», sagt Xhemaili und fügt mit einem Augenzwinkern an: «In Holland hatte ich einen Riecher, vielleicht ist die Luft dort anders.»
Bleibt die Frage, ob eine Luftveränderung in Anbetracht der Entwicklung der Spielerin in der letzten Saison Sinn macht. Der Leihvertrag zwischen Wolfsburg, wo die Schweizerin noch einen bis 2027 gültigen Vertrag besitzt, und Eindhoven endet im Sommer. «Der technische Spielstil in der holländischen Liga kommt mir sicherlich entgegen. In der Bundesliga wird mehr auf die Physis gesetzt. Mal schauen, was passiert. Jetzt bin ich erst mal hier, der Fokus liegt auf der Nationalmannschaft.»
In den anstehenden Nations-League-Partien in Frankreich (am Freitag in Nancy) und gegen Norwegen (am Dienstag in Sitten) steht der Verbleib der Schweiz in der Liga A auf dem Spiel. Was sich die anderen Spielerinnen eingebrockt haben, würde Xhemaili nur allzu gerne auslöffeln. (riz/sda)