Nur vier Tage nach ihrem ersten Turniersieg auf Sand in der einstigen Südstaaten-Metropole Charleston stattete Belinda Bencic (WTA 13) ihrem Juwelier-Sponsor «Mood» in Orbe (VD) einen Besuch ab. Unsere Kollegen von watson Romandie empfingen sie dort für ein exklusives Interview.
Belinda Bencic, wir sind hier bei Ihrem Sponsor «Mood», der unter anderem Ringe herstellt. Welchen Stellenwert hat das Aussehen für Sie und für Tennisspielerinnen im Allgemeinen?
Belinda Bencic: Natürlich fühle ich mich auf und neben dem Platz gerne wohl in meiner Haut. Ich trage so oft Sportkleider und Tennis-Outfits, deshalb putze ich mich zwischendurch gerne heraus, wenn ich einen freien Tag oder einen Sponsoren-Termin habe. Ich geniesse es, mich anders als sonst zu fühlen, denn auf dem Platz habe ich meine Haare ja immer zusammengebunden und trage auch meist ein offenes Cap. Ich geniesse diesen Wechsel.
Zu Ihrer öffentlichen Präsentation gehört auch Instagram. Sie haben auf der Social-Media-Plattform über 400'000 Abonnenten. Das ist beeindruckend ...
... ich weiss nicht, ob das wirklich eine Leistung ist (lacht). Ich mag es nicht, nach solchen Kriterien beurteilt zu werden, ich bin ja schliesslich keine Influencerin, sondern eine Tennisspielerin. Ich habe mein Konto mit 16 Jahren eröffnet und damals folgten mir nur meine Freunde. Später taten es dann immer mehr Leute. Das ist für mich mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.
Ich zeige meinen Followern einen kleinen Teil meines Lebens auf und neben dem Platz, weil ich denke, dass es für sie spannend sein könnte, noch eine andere Seite von mir zu sehen. Niemand sonst postet für mich, ich mache alles selbst und veröffentliche, was ich gut finde. Nach Gefühl. Die Inhalte kommt meist von selbst. Ich gehe zum Beispiel nicht an einen bestimmten Ort, um ein Foto zu machen.
Haben Sie schon einmal einen Post bereut?
Nein, aber es stimmt, dass man vorsichtig sein muss. Natürlich kann man nicht alles posten. Es ist beispielsweise keine gute Idee, Partyfotos zu posten (lacht). Aber mit der Zeit lernt man, was man veröffentlichen kann und was man besser privat hält. Instagram spiegelt auch nicht das echte Leben wider, man zeigt dort nur die guten Zeiten. Dessen sollten sich die Leute auch bewusst sein.
Letzte Woche haben Sie in Charleston endlich Ihr erstes Sandplatz-Turnier gewonnen. Was haben Sie an Ihrem Tennis geändert, damit Sie diesen Erfolg bewerkstelligen konnten?
Eigentlich habe ich gar nichts geändert. Ich habe einfach sehr viel Selbstvertrauen aus Miami mitgenommen und habe gutes Tennis gespielt. Weil ich nur zwei freie Tage hatte, konnte ich mich auch kaum auf die neue Unterlage vorbereiten. Aber das war vielleicht sogar gut, weil ich einfach gespielt und gar nicht zu viel darüber nachgedacht habe. Die ersten Runden zu gewinnen, war am schwierigsten, danach fühlte ich mich von Spiel zu Spiel immer wohler.
Die Sand-Saison hat also gut begonnen. Was sind Ihre kurzfristigen Ziele? Eine Rückkehr in die Top 10 oder gar das French Open zu gewinnen?
(Lacht) Das ist wirklich ein grosses Turnier! Ich setze mir eigentlich nie solche Ziele, denn ich denke lieber Schritt für Schritt nach, was ich tun muss. Das Endergebnis bei einem Turnier ist da zweitrangig. Aber natürlich ist es mein Ziel, bald möglichst wieder in die Top 10 zu kommen. Aber ich nehme einen Schritt nach dem anderen.
Manche Tennisspielerinnen würden ihren Olympiasieg lieber gegen einen Grand-Slam-Titel eintauschen. Wie sieht das bei Ihnen aus?
(Überrascht) Nein! Um nichts in der Welt würde ich meinen Olympiasieg eintauschen. Selbst wenn ich mich von neuem zwischen einem Olympiasieg und einem Grand-Slam-Titel entscheiden müsste, denke ich, dass der Olympiasieg mehr wert ist.
Sie haben gesagt, dass sich für Sie persönlich nach Ihrer Goldmedaille in Tokio nichts geändert hat. Ist das wirklich so, wenn Sie an Medienanfragen oder Fans denken?
Vielleicht hat sich alles doch ein bisschen verändert. Nach dem grossen Erfolg habe ich sehr viele Nachrichten erhalten und ich denke, ich habe wohl ein paar Fans dazu gewonnen, was natürlich grossartig ist. Aber ich fühle mich noch immer als dieselbe Person. Klar sind auch die Medienanfragen mehr geworden und wenn du den Court betrittst, wirst du als Olympiasiegerin angekündigt. Das sind aber schon die grössten Veränderungen, nichts Verrücktes also.
Keine Heiratsanträge?
Nein. Na ja, vielleicht ein paar ... Aber zuerst müssten sie ja ohnehin meinen Freund fragen (lacht).
Letzten Monat trugen Sie in Indian Wells ein Outfit in den Farben der Ukraine. Rückt der Gedanke an den Krieg die Bedeutung des Tennissports für Sie etwas mehr ins rechte Licht? Spielen Sie deswegen gar entspannter und dadurch besser?
Ja, definitiv. Ich spiele zwar professionell Tennis, aber es spielt eigentlich keine Rolle, ob ich diesen oder jenen Schlag verhaue. Es ist momentan wirklich nicht das, worauf es ankommt. Wichtig ist, dass Menschen wegen des Krieges sterben und das sollte nicht sein. Kurz bevor ich in die USA reiste, war ich noch in der Slowakei, einem Nachbarland der Ukraine. In diesem Moment hatte ich das Gefühl, dass jeder etwas für die Geflüchteten tun muss, die mit ihren Kindern ankommen. Ich möchte helfen. Ich denke, das ist das Mindeste, was wir tun können. Denn es ist wirklich schlimm, was gerade passiert.
Denken Sie darüber auch kurz vor Ihren Spielen nach?
Tagsüber denke ich manchmal daran. Nicht immer, aber manchmal huscht ein solcher Gedanke vorbei. Dann halte ich mir vor Augen, dass ich ein gemütliches Bett zum Schlafen und einen vollen Magen haben, während ein sechsjähriges Kind alleine die Grenze zwischen der Ukraine und der Slowakei überqueren muss, um seine Freiheit wiederzuerlangen. Dann merkst du, wie privilegiert du eigentlich bist und alles relativiert sich.
In der Slowakei haben Sie Ihre Batterien in den Bergen aufgeladen. Das hat bestens funktioniert. Werden Sie dies bei zukünftigen Turnieren wiederholen?
Ja, das würde ich definitiv gerne wieder tun. Weil ich die Natur und die Berge liebe. Für mich ist es ein Ort der Entspannung. Obwohl ich nebenbei hart trainierte, bin ich auch Ski gefahren und gewandert. Nach den intensiven Trainingseinheiten fühlte ich mich deshalb entspannter. Das hat mir sicher auch geholfen, nach meiner Covid-Erkrankung wieder in Form zu kommen.
Spüren Sie in der Slowakei auch weniger Druck von den Fans oder den Medien als in der Schweiz?
Nein, überhaupt nicht. Ich bin gerne in der Schweiz. Ich spüre hier keinen Druck. Im Gegenteil: Ich fühle mich sehr wohl, es ist mein Zuhause.
Wie sieht Ihr Programm für die nächsten Tage aus? Bleiben Sie über Ostern in der Schweiz?
An Karfreitag fahre ich in die Region St.Gallen, um meine Grossmutter zu besuchen und Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Am Samstag geht es dann für eine Trainingseinheit nach Monaco, bevor ich dann ab dem 26. April das WTA-Turnier in Madrid spiele.