Noah Lyles ist neuer Olympiasieger über 100 Meter. Der mitfavorisierte US-Amerikaner setzte sich im mit Stars gespickten Finale bei den Spielen von Paris in 9,79 Sekunden vor Kishane Thompson (Jamaika) und seinem US-Landsmann Fred Kerley durch. Dabei entschieden wenige Tausendstelsekunden über den Sieg auf der Bahn im Stade de France.
Denn sowohl für Lyles als auch für Thompson stehen 9,79 Sekunden in der Statistik. Allerdings: Lyles' Zeit wurde aufgerundet von 9,784 Sekunden, Thompsons dagegen von 9,789 Sekunden – ein Unterschied von fünf Tausendsteln oder 0,005 Sekunden. Kerley lief ebenfalls starke 9,81 Sekunden.
Entscheidend ist dabei der Oberkörper des Olympiasiegers. Bei Laufwettbewerben gewinnt der Sprinter, dessen Rumpf (ohne Arme und Kopf) als Erster die Ziellinie überquert. Die Füsse spielen dabei keine Rolle.
Lyles ist der erste 100-Meter-Olympiasieger aus den USA seit Gold für Justin Gatlin vor 20 Jahren in Athen. Vor den Augen von Rapper Snoop Dogg und erneut rund 70'000 Fans im Stade de France hielt Lyles triumphierend sein Namensschild in die Höhe und tanzte über die Laufbahn.
«Einen grösseren Moment hätte man sich nicht wünschen können. Ich hoffe, Ihr Leute mögt Noah, denn von mir wird noch eine Menge mehr kommen», sagte er dem britischen Sender BBC. Nach seinem relativ schwachen Vorlauf sei er aggressiv gewesen, das war dann nach dem Halbfinale am Sonntagabend vorbei. «Mein Sport-Therapeut hat gesagt, Du musst loslassen, Du schaffst es. Lass los und lass es raus.»
Lyles hatte sich im Vorfeld maximal unter Druck gesetzt, nur er könne Gold über die prestigeträchtigste aller Strecken mit nach Hause nehmen. «Je mehr Augen auf mich gerichtet sind, desto besser bin ich», sagte der 27-Jährige – und dann hielt er mit einer persönlichen Bestzeit tatsächlich Wort.
Mit seinem unwiderstehlichen Goldlauf versöhnte Lyles auch wieder die Heimat, schliesslich mussten die USA seit 2004 auf einen Olympiasieger über die 100 m warten. Denn nach Gatlins Erfolg in Athen begann die Ära des Jamaikaners Usain Bolt, in Tokio düpierte Überraschungssieger Jacobs die US-Boys. Nun lieferte Lyles, was die Fans sehen wollten – und jubelte über seine erste Goldmedaille bei Olympischen Spielen.
Titelverteidiger Marcell Jacobs konnte an seinen Erfolg von Tokio 2021 nicht anknüpfen: Der Italiener wurde mit 9,85 Sekunden Fünfter, verletzte sich dabei offenbar auch noch, war auf TV-Bildern humpelnd zu sehen.
Der 27-jährige Lyles ist längst als eines der Gesichter der Leichtathletik etabliert, aber ihm fehlte noch die olympische Weihe, denn die Spiele 2021 in Tokio missrieten ihm gründlich. In einer Covid-Blase und einem hoffnungslos leeren Stadion, meilenweit entfernt von seinem Show-Talent, eingeholt von einer depressiven Episode, wie er sie seit seiner Kindheit kennt, konnte er nur die Bronzemedaille im 200-m-Lauf gewinnen, bei dem er jedoch als Favorit galt.
In Paris nun will er eine Herausforderung annehmen, der sich selbst Usain Bolt nie stellte: Über 100 m, 200 m, 4x100 m und 4x400 m, obwohl er kein Spezialist auf dieser Strecke ist, sollen Gold her.
Wie World Athletics schreibt, wurden wir gestern Zeugen des schnellsten 100-Meter-Finals der Geschichte. Zum ersten Mal haben acht Männer – bei legalem Wind – die 10-Sekunden-Marke geknackt. Zum Vergleich: Kenneth Bednarek, der auf Rang 7 lief, hätte mit derselben Zeit in Tokio vor drei Jahren Bronze geholt.
Dass die Bahn in Paris schnell sein wird, wurde bereits im Vorfeld angekündigt. Den Beweis dafür lieferte nund er Final über 100 Meter.
(t-online/sda)
Die lahme Ente.