Ski-Überflieger Marco Odermatt, Schwimm-Wunderkind Noè Ponti, Leichtathletik-Ass Simon Ehammer, Olympiasiegerin Chiara Leone (Schiessen) und Weltklasse-Stabhochspringerin Angelica Moser. Sie alle vereint, dass sie für die Wahl zum Sportler oder zur Sportlerin des Jahres nominiert sind. Aber auch, dass sie mit Michael Schiendorfer den gleichen Manager haben. Dabei ist der 56-Jährige noch nicht allzu lange Sport-Manager. Einst als Journalist tätig, war er später bei Novartis PR-Chef und Medienchef von ABB, ehe er sich 2016 mit der Agentur Abrogans selbstständig machte.
Fünf der zwölf Nominierten bei der Wahl zur Sportlerin und zum Sportler des Jahres kommen aus Ihrem Stall. Sind Sie der heimliche Star der Sport Awards?
Michael Schiendorfer: Nein, auf keinen Fall. Stars sind immer die Sportlerinnen und Sportler. Wir sind Berater und Dienstleister.
Wie erklären Sie diese Fülle an Topstars? Was machen Sie besser als die Konkurrenz?
Ich versuche prozessorientiert zu arbeiten. Ob wir tatsächlich besser als die Konkurrenz sind, kann ich nicht beurteilen.
Was meinen Sie damit?
Wir legen gemeinsam Ziele fest, kommunizieren klar, wohin wir wollen und welche Werte uns in einer Zusammenarbeit wichtig sind. Wir versuchen den jungen Menschen mit Herz und Köpfchen Sorge zu tragen. Wir sind bemüht um einen guten Austausch mit den Familien der Athletinnen und Athleten und den Verbänden. Und natürlich spielt auch der Faktor Glück eine Rolle. Mein erster Mandant war Joel Wicki (Red. Schwingerkönig). Der zweite Marco Odermatt.
Entscheidend ist wohl das Scouting, einverstanden?
Ja. Erst mal muss jemand sportliches Potenzial haben. Aber sehr wichtig ist mir auch, welche Werte die Sportlerin oder der Sportler vertritt. Beispielsweise: Was versteht jemand unter hohem Engagement? Hat jemand den Mut, neue Wege einzuschlagen. Wenn jemand den konservativen Weg gehen will, sind wir die falsche Agentur. Am meisten Energie verpufft man als Berater, wenn man an den Punkt gelangt, an dem es nicht mehr funktioniert. Deshalb sind wir stark auf eine langfristige Zusammenarbeit bedacht. Der kurzfristige Erfolg interessiert mich nicht.
Waren Sie einfach der erste Manager, der bei Odermatt vorstellig wurde?
Nein. Als ich den Vater von Marco anrief, sagte er mir, ich sei nicht der Einzige. Er stehe auch mit zwei anderen Agenturen in Kontakt. Ich habe aber sehr schnell einen Termin gekriegt, und da merkten wir beide, dass es zwischenmenschlich gut funktioniert. Wenn man zwei, drei Aushängeschilder hat, hilft das in diesem Metier.
Aber zu diesem Zeitpunkt hatten Sie noch keine Aushängeschilder unter Vertrag und kaum Erfahrung in dieser Branche.
Ja, ich sagte Marcos Vater, dass ich eben erst ins Sportmanagement eingestiegen bin und keine Erfahrung im Skisport habe. Wenn du ein guter Berater sein willst, musst du nicht zwingend ein Experte in der Sportart sein. Wichtiger ist, dass man Menschen gerne mag, sich für sie interessiert, in sie hineinfühlen kann und den Teamgedanken hochhält.
Wenn man wie Sie einen Odermatt im Portfolio hat, kriegt man als Manager jede Sportlerin und jeden Sportler.
Ich will gar nicht jede Sportlerin und jeden Sportler. Ich will nur solche, die zu uns passen. Sportlerinnen und Sportler, die ein ähnliches Grundverständnis haben. Es ist ein Privileg, Marco Odermatt seit acht Jahren betreuen zu dürfen. Marco ist eine Referenz. Deshalb erhalten wir fast täglich eine Bewerbung
Die meisten Ihrer Mandantinnen und Mandanten wurden durch die Fritz-Gerber-Stiftung unterstützt. Das ist wohl kein Nachteil für Sie.
Das stimmt. Aber den guten Draht zur Stiftung haben wir uns erarbeitet. Jene Sportlerinnen und Sportler, die ich der Stiftung empfahl, erfüllten die Erwartungen.
Also haben Sie ein Vorzugsrecht auf Talente der Fritz-Gerber-Stiftung?
Nein, es ist umgekehrt. Wir stellen der Stiftung ein Gesuch für unsere Athletinnen und Athleten. Mittlerweile wissen sie bei der Stiftung, dass unsere Expertise etwas wert ist.
Marco Odermatt wird am Sonntag wohl zum vierten Mal in Serie zum Sportler des Jahres gewählt.
Das wissen wir nicht. Er hat aussergewöhnliche Leistungen erbracht. Das gilt aber beispielsweise auch für Noè Ponti mit seinen drei WM-Titeln. Aber klar: Marco ist ein Überflieger.
Gegen den Schwimmer Ponti spricht seine Sportart, die in der Schweiz nicht sehr populär ist. Oder anders formuliert: Wäre Ponti Ungar, würde er dort zum Sportler des Jahres gewählt.
Das könnte so sein. Skifahren ist hier ein Nationalsport, Schwimmen eine Randsportart. Aber ich finde es grossartig, wie Noè Ponti in die Weltspitze vorgestossen ist. Er wird nicht nur an den Sport Awards, sondern auch in Zukunft die ihm gebührende Anerkennung erhalten. Mich interessiert, wie man Sportler entwickelt, aber auch, wie man eine Sportart positioniert. Und bei Noè Ponti haben wir gesehen, dass es schwieriger ist, einen Tessiner zu vermarkten als einen Deutschschweizer. Aber genau diese Aufgabe finde ich interessant.
Aber kann Ponti das Schwimmen in der Schweiz auf ein höheres Level hieven?
Davon bin ich überzeugt. Was zusätzlich helfen würde, wäre ein Grossanlass in der Schweiz. Das haben wir beispielsweise mit der Leichtathletik-EM 2014 in Zürich erlebt. Als ich vor viereinhalb Jahren die Zusammenarbeit mit Simon Ehammer begann, sagten mir gute Freunde: Spinnst du, einen Zehnkämpfer unter Vertrag zu nehmen? Diese Disziplin interessiere in der Schweiz keine Sponsoren. Die gleichen Freunde gratulieren mir heute. Es braucht Zeit, um sich sportlich entwickeln zu können. Marco Odermatt lernte ich 2016 kennen. Erst zwei Jahre später wurde er innert einer Woche fünffacher Junioren-Weltmeister und sorgte für Aufsehen.
Bedeutet es Odermatt noch was, zum vierten Mal Sportler des Jahres zu werden?
Eigentlich kann nur er selbst diese Frage beantworten. Aber ich denke schon. Allein, dass er trotz vollem Terminkalender, trotz des bevorstehenden Highlights mit dem Riesenslalom von Adelboden den Anlass besuchen wird, ist Antwort genug.
Bedeuten für Sie die Sport Awards vor allem Stress?
Es gibt viel zu tun. Wir unterstützen in der Logistik, bei der Kleiderauswahl. Wir haben eine Stylistin für unsere Leute engagiert. Aber ich will in diesem Zusammenhang nicht von Stress reden. Denn dieser Abend sollte vor allem Freude und Ehre bedeuten.
Welchen Brustumfang hat Noè Ponti?
Das weiss ich nicht. Es ist aber nicht so einfach, ihn einzukleiden. Das ist dann schon massgeschneidert. Aber auch Marco Odermatt legt ständig an Muskelmasse zu. Deshalb kann er nicht den Anzug anziehen, den er vor drei Jahren getragen hat.
Bei den Frauen haben Sie Chiara Leone und Angelica Moser im Rennen. Welche Chancen haben die beiden bei der Wahl zur Sportlerin des Jahres?
Nochmals: Es ist für jede Nominierte und jeden Nominierten eine grosse Auszeichnung, zu diesem Kreis zu gehören. Ich erwarte beide weit vorne. Aber wenn eine Lara Gut-Behrami nominiert ist, wird es schwierig, die Wahl zu gewinnen, weil sie mit dem Gewinn der Gesamtwertung im Nationalsport Ski alpin Ausserordentliches geleistet hat. On verra. (aargauerzeitung.ch)