«Der kommt gut und drin! Naldo! 4:4! Vier zuuuu vier!» So reagiert Wolff Fuss am Mikrofon, als Naldo per Kopf den Ausgleich in der 94. Minute im Revierderby gegen den BVB erzielt. Ekstase pur bei den Schalkern und konsternierte Dortmunder Spieler und Fans. Nach einem 4:0-Vorsprung gibt der BVB den Sieg noch her und geht gefühlt als Verlierer vom Rasen.
Schnell wird nach dem Schlusspfiff vom «Jahrhundertderby» gesprochen. Doch nach einer gespielten Stunde sprach gar nichts, wirklich gar nichts für die Schalker.
Vor dem Spiel ist der S04 in herausragender Form. In den letzten sechs Spielen wurde kein Spiel verloren, und nur Bayern München steht in der Tabelle vor den «Knappen».
Der im Sommer neu verpflichtete Trainer Domenico Tedesco sorgt vor allem dafür, dass die Schalker hinten sauber stehen, und er setzt auf ein Konterspiel, welches auch die Torstatistik vor dem 13. Spieltag zeigt – in 12 Spielen erzielte Schalke zwar nur 16 Tore, dafür landete der Ball auch erst 10 Mal im eigenen Netz.
Anders sieht es beim BVB aus. Die Borussen haben nur einen Punkt aus den letzten fünf Spielen mitgenommen und sind in der Tabelle nach einem sensationellen Saisonstart auf den fünften Rang zurückgefallen. Der neu verpflichtete Trainer Peter Bosz steht schon stark in der Kritik und hofft, dass im Spiel gegen den grossen Rivalen der Befreiungsschlag gelingt.
Das Spiel wird in den ersten Minuten mit einer harten Intensität geführt. Bereits nach drei Minuten sieht Schalkes Weston McKennie die erste Gelbe Karte.
In der zwölften Minute gelingt Dortmund der erste Treffer der Partie. Pierre-Emerick Aubameyang drückt den Ball, nachdem er die Szene selbst eingeleitet hat, mit einem Nachschuss ins Tor. In der 18. Minute befördert Benjamin Stambouli den Ball völlig unbedrängt in das eigene Tor. Die Schalker scheinen völlig von der Rolle.
Nur gerade zwei Minuten später erzielt Mario Götze mit einem Kopfball das dritte Tor für die Dortmunder. Es scheint so, als würde sich der BVB aus der Krise schiessen, und gerade einmal fünf Minuten später kann Raphael Guerreiro ein weiteres Mal dafür sorgen, dass die Borussia jubeln darf.
Nach vier Toren innerhalb von acht Minuten (!) scheint das 151. Revierderby bereits nach weniger als einer halben Stunde entschieden. Die Schalker verteidigen desolat und bei den Dortmundern hat man das Gefühl, dass sie nicht einmal an die Grenzen müssen, denn das Leben wird ihnen viel zu leicht gemacht.
Die Schalker müssen reagieren, und so veranlasst Domenico Tedesco noch vor dem Halbzeitpfiff einen Doppelwechsel. McKennie, akut gelb-rot-gefährdet, und Franco Di Santo müssen raus. Für sie kommen Amine Harit und Leon Goretzka.
Bis zur Pause können sich die Schalker ein wenig fangen und kassieren kein Tor mehr. In der Halbzeitpause entscheidet sich Tedesco dafür, seine Spieler nicht zu rüffeln. Er versucht, die Mannschaft ruhig nochmals zu motivieren, und weist darauf hin, dass im Fussball alles möglich ist.
In der zweiten Hälfte ein erster Hoffnungsschimmer für die Königsblauen. Naldo köpft den Ball nach einem Freistoss in das Tor – doch der Treffer zählt nicht.
Nach einer riesigen Möglichkeit von Aubameyang auf das 5:0 können die Schalker in der 61. Minute den ersten Treffer erzielen. Guido Burgstaller köpft den Ball über Roman Weidenfeller in das Tor. Gerade einmal 4 Minuten später erzielt Harit das 2:4 und im Westfalenstadion stellt sich langsam die Frage, ob da noch etwas geht.
In der 72. Minute kommt es für Dortmund noch dicker. Aubameyang kassiert nach einem ungestümen Foul die Gelb-Rote Karte. Welches Ende bahnt sich in Dortmund an?
Burgstaller hat mit einem Kopfball den Anschlusstreffer auf dem Kopf, doch Weidenfeller reagiert glänzend und lenkt den Ball an den Pfosten. Die Zeit wird langsam, aber sicher knapp für das Team aus Gelsenkirchen.
Doch in der 86. Minute gelingt Schalke tatsächlich der Anschlusstreffer. Daniel Caligiuri läuft durch den Strafraum und hämmert den Ball in die linke obere Ecke. Der Ausgleich von Schalke wäre nun auch definitiv verdient, und als im Stadion sieben Minuten Nachspielzeit angezeigt wird, werden die Sorgenfalten der Dortmunder noch grösser.
Es ist bereits die vierte Minute der Nachspielzeit angebrochen, als die Schalker nochmals einen Eckball erhalten. Konoplyanka bringt den Eckball ins Zentrum, Naldo steigt am höchsten und hämmert den Ball in die Maschen. Alle Schalker Spieler rennen in Richtung Gästesektor und lassen sich feiern.
Die Dortmunder schauen dumm aus der Wäsche und glauben nicht, was soeben geschehen ist. Dass sich dieses Unentschieden wie eine Niederlage anfühlt, ist keine Frage. Auch die Fans sind komplett frustriert und pfeifen die eigenen Spieler nach dem Spiel aus.
Tedesco zeigt sich nach dem Spiel völlig begeistert und lobt sein Team für die phänomenale zweite Halbzeit. Und er verrät auch, welche Ziele er in der Pause den Spielern setzte:
Nur gerade zwei weitere Bundesliga-Runden später ist die Zeit für Peter Bosz beim BVB abgelaufen. Nach einem Remis gegen Bayer Leverkusen und einer Niederlage gegen Werder Bremen muss er den Verein nach wenigen Monaten bereits wieder verlassen.
Schalke kann derweil die starke Phase über die ganze Saison durchziehen und beendet die Saison als Vizemeister. Acht Punkte weniger auf dem Konto haben die Borussen aus Dortmund, welche sich unter dem neuen Trainer Peter Stöger als Vierte gerade noch so für die Champions League qualifizieren.
Als die Saison 2019/2020 aufgrund der Corona-Pandemie für zwei Monate unterbrochen wird und das geplante Revierderby entsprechend nicht stattfinden kann, entscheidet sich die Social-Media-Abteilung der Schalker dafür, das Spiel noch einmal zu twittern.
Wir sind uns einig: Gesundheit ist das Wichtigste!
— FC Schalke 04 (@s04) March 14, 2020
Auf #Revierderby-Flair wollen wir heute aber nicht ganz verzichten.
Das #Jahrhundertderby aus dem November 2⃣0⃣1⃣7⃣ im Twitter-Relive.
Viel Vergnügen 🤗 #S04 | #BVBS04 | #JahrhundertderbyRelive pic.twitter.com/Tkk6A3plbK
Nach der erfolgreichen Saison geht es für die Schalker in den Jahren darauf stetig bergab, und bereits in der Saison 2020/2021 folgt der Abstieg in die 2. Bundesliga. In 34 Spielen kann Schalke 04 nur 16 Punkte sammeln und entgeht nur knapp dem Negativrekord von Tasmania Berlin. Die Berliner konnten 1965/1966 sage und schreibe 31 Spiele in Serie nicht gewinnen, bei Schalke sind es 30.
Nach einer Saison in der Zweitklassigkeit gelingt dem S04 im Jahr darauf der direkte Wiederaufstieg. Aber nur ein Jahr später geht es bereits wieder zurück in die 2. Bundesliga.