Schwer zu sagen, ob der 17. März 2012 als internationaler Feiertag oder als nationaler Trauertag angesehen werden soll. Denn mit Didier Cuche verschwindet eine grosse Persönlichkeit von der Ski-Bühne – als Sportler, wie auch als Mensch.
Doch ein wahrer Champion tritt nicht einfach still und unbemerkt vom Profi-Sport zurück. In einer nostalgischen Fahrt krönt der 21-fache Weltcupsieger sechsfache Gewinner einer kleinen Kristallkugel seine Karriere als Ski-Star und bietet zum Abschluss nochmals ganz grosses Kino.
Unter tosendem Applaus und unaufhörlichen Gratulationen fährt Cuche in alten Holzskiern sowie dem passenden Outfit dazu den Berg in Schladming hinunter. In der wohl unsichersten Fahrt seiner Laufbahn verabschiedet sich der Publikumsliebling von seinen Betreuern, den Verantwortlichen seines Erfolges und seinen Fans.
4:29,92 Minuten rutscht er im zweiten Lauf des Riesenslaloms den Hang hinunter. Er stürzt oder hält sonst an, um den applaudierenden Trainern und Funktionären Startnummern mit seinem Konterfei und der Aufschrift «Merci Didier» zu verteilen.
Als ersten steuert Cuche ausgerechnet FIS-Renndirektor Günter Hujara an, mit dem er in all den Jahren so manchen Strauss ausgefochten hat. Nun gibt es eine Umarmung statt eine Schimpftirade. Im Ziel wird Cuche von einer Menschentraube bestürmt. Der Neuenburger schreitet für eine Zugabe noch einmal auf die Bühne, ein letztes Mal will er die Ovationen des Publikums aufsaugen. Er wirft Helm und Handschuhe ins Publikum – und dann ist der letzte Vorhang gefallen.
Was Cuche in seinem Leben als Skifahrer erreicht hat, kann nicht so schnell wiederholt werden. Neben den sportlichen Highlights entwickelt sich der Neuenburger zu einem weltweiten Publikumsliebling. Da kann er im Heimrennen der Österreicher den Einheimischen den Sieg wegschnappen, die Anerkennung kennt trotzdem kein Ende. Denn Cuche besitzt etwas, wovon sich viele ein Stück abschneiden können: die nötige Mischung an Einsatz, Unterhaltung und Pausenclown-Affinität.
Nur als Pausenclown wollen wir den Weltmeister von Val-d'Isère und Olympia-Zweiten von Nagano natürlich nicht abstempeln. Man könnte noch etliche Titel für den Abfahrts-König, den WM-Silber-Gewinner von Garmisch und Val-d'Isère, den Dritten der WM in Are und vierfachen Abfahrts-Weltcupsieger hervorstreichen. Abgesehen von Olympia-Gold hat Cuche fast alles erreicht.
Spätestens mit seinem fünften Triumph in Kitzbühel schreibt er in jenem Winter endgültig Sportgeschichte. Zwei Tage nach der Ankündigung des Rücktritts. «Hätte ich den Entscheid damals nicht kommuniziert, wäre mir dieser Erfolg kaum gelungen. Ich fühlte mich extrem befreit.»
Für die Schweizer Skination ist der Rücktritt ein herber Rückschlag. Männer-Cheftrainer Osi Inglin verliert seinen wichtigsten Leader: «Die Lücke, die Didier hinterlässt, ist nicht zu schliessen. Mit seiner Professionalität hat er für alle den Massstab gesetzt.»
«Ski-Pensionär tönt ein bisschen komisch. Aber ich werde mich daran gewöhnen», sagt Cuche am Tag seines Rücktritts. Dem Skisport bleibt er aber treu. Als Berater stand er auch Lara Gut-Behrami für eine kurze Zeit zur Seite.