Das Schwergewichts-Boxen ist längst zum Trauerspiel verkommen. Die Klitschko-Brüder sind längst abgetreten, Anthony Joshua, Tyson Fury und Deontay Wilder fehlt es an Ausstrahlungskraft. Stattdessen kriegen die Box-Fans Legenden-Kämpfe wie derjenige von Mike Tyson gegen Roy Jones Jr. vorgehalten.
Wie anders war es in den 1970er Jahren: Mitten in der Nacht stehen auch in der Schweiz damals unzählige Box-Fans auf und schalten den Fernseher ein. Sie wollen die Boxkämpfe in den USA live sehen, und vor allem einen: Muhammad Ali, den «Grössten».
Alis Stern geht 1964 auf, als er unter seinem Geburtsnamen Cassius Clay den «Finsterling» Sonny Liston besiegte und den Weltmeistertitel holte. 1967 jedoch gerät Clay, der inzwischen zum Islam konvertiert ist und sich Muhammad Ali nennt, in die Mühlen der Politik. Der engagierte Bürgerrechtler verweigert den Stellungsbefehl für den Vietnamkrieg: «Mann, ich habe keinen Streit mit den Vietcong, kein Vietcong hat mich je Nigger genannt», meint er.
Das Establishment schlägt hart zurück: Ali wird wegen Dienstverweigerung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt (die er nie absitzen musste), Weltmeistertitel und Boxlizenz werden ihm entzogen. Im besten Boxeralter ist der «Champ» zur Untätigkeit verdammt. 1970 erhält er die Lizenz zurück. Nun fiebert die Boxwelt seinem Comeback entgegen, und besonders dem Titanenkampf gegen den neuen Weltmeister «Smokin' Joe» Frazier.
Frazier gegen Ali, das ist ein Clash der Gegensätze: harter Puncher gegen begnadeten Techniker, guter Patriot gegen «vaterlandslosen» Rebellen. Muhammad Ali, dessen Mundwerk noch schneller ist als seine Fäuste, verspottet Joe Frazier als «Onkel Tom», was den Weltmeister erbittert. Er hatte sich für die Rückkehr Alis in den Ring eingesetzt.
Am 8. März 1971 ist es so weit: Im Madison Square Garden kommt es zum «Kampf des Jahrhunderts», wie er bereits im Vorfeld angepriesen wird. Die Erwartungen sind gigantisch, beide Boxer haben die Rekordgage von 2,5 Millionen Dollar erhalten. Und die Fans werden nicht enttäuscht, Frazier und Ali liefern sich einen Fight auf höchstem Niveau. Anfangs dominiert der Herausforderer, doch mit zunehmender Dauer zeigt sich seine mangelnde Wettkampfpraxis.
In der 15. Runde muss Muhammad Ali zu Boden. Er kann den K. o. vermeiden, nicht jedoch die Niederlage. Joe Frazier gewinnt nach Punkten und verteidigt seinen Titel. Ali verliert erstmals einen Profikampf, und doch ist er in den Augen der Fans der eigentliche Sieger. Seine charismatische Aura wirkt wie in früheren Zeiten und überstrahlt das Negativ-Image des «Dienstverweigerers».
Von nun an entwickeln sich die Karrieren von Ali und Frazier gegenläufig. «Smokin' Joe» verliert den WM-Titel zwei Jahre später an George Foreman, und der wiederum unterliegt 1974 im legendären «Rumble in the Jungle» gegen Ali, der wieder ganz oben ist.
Im Jahr darauf kommt es zur letzten Begegnung mit Frazier: Der «Thrilla in Manila» wird zum Mythos. Im mörderischen Tropenklima der Philippinen liefern sich die beiden Boxer einen gnadenlosen Fight. Frazier gibt nach 14 Runden auf, am Ende sind beide mehr tot als lebendig.
Im November 2011 starb Joe Frazier mit 67 Jahren an Krebs. Wirklich vergeben hat er Ali die einstigen Demütigungen nie. Der «Grösste» aber kam zu seiner Beerdigung, selber schwer von der Parkinson-Krankheit gezeichnet. Im Juni 2016 hörte dann auch sein Herz auf zu schlagen.