Ein leichter Windstoss fegt über die Steppe, wirbelt etwas Sand auf. Weit und breit steht nichts zwischen den beiden Männern, die sich gegenüberstehen, die Hand am Colt, bereit, angespannt, mit zusammengekniffenen Augen von der heissen, gnadenlosen Sonne. Die Spannung steigt ins Unermessliche. Dann: Kamerawechsel. Ein einzelnes, kleines Dornengestrüpp rollt unschuldig zwischen den beiden Cowboys hindurch.
Diese Szene könnte jedem generischen Westernfilm entnommen sein. Diese Dornengestrüppe heissen Steppenläufer – auf Englisch «Tumbleweed» – und sie werden in Filmen immer wieder als Stilmittel eingesetzt: entweder, um das endlos weite, leere und wilde Grenzland des Wilden Westens oder desolate, verlassene oder langweilige Orte zu symbolisieren.
Alles andere als langweilig oder leer ging es am Wochenende in South Jordan im US-Bundesstaat Utah zu und her. Und verantwortlich dafür waren genau diese Tumbleweeds. Die Stadt, knapp 30 Kilometer südlich von Salt Lake City, wurde wegen heftiger Winde von über 100 km/h wortwörtlich überschwemmt von Steppenläufern. Die Bilder sind spektakulär:
Auch wenn diese Videos aus der Ferne cool aussehen, zu nahe sollte man den Steppenläufern nicht kommen. Sie sind sehr stachelig und können auch allergische Reaktionen und Ausschläge auslösen. Ausserdem stellen sie – besonders in diesen Massen – ein grosses Brandrisiko dar. Die trockenen Gestrüppe geben hervorragenden Zunder ab.
Auch aus diesem Grund wurden sie in South Jordan nun schnell wieder aufgeräumt. Mit Pflügen und Rechen befreiten die Anwohnerinnen und Anwohner ihre Strassen wieder, und städtische Angestellte sammelten das Tumbleweed mit Müllwagen zusammen und entsorgten es. Es sei nicht das erste «Tumble-mageddon», sagte eine Sprecherin der Stadt.
Auch wenn die Steppenläufer durch ihre Auftritte in zahlreichen Western-Filmen uramerikanisch anmuten, sind sie eigentlich das genaue Gegenteil. Ironischerweise handelt es sich bei der Pflanze nämlich um einen russischen Immigranten. Im Jahr 1870 soll eine Schiffsladung mit Leinsamen in South Dakota eingetroffen sein. Mit im Gepäck – als blinder Passagier – das ruthenische Salzkraut oder «Russian Thistle».
Seither entpuppten sich die Steppenläufer als die invasivste Pflanzenart der USA. Sie verbreiteten sich rasant in den «Great Plains» nördlich der Rocky Mountains, wo sie einen optimalen Lebensraum vorfanden, schreibt das National History Museum der USA. Heute findet man die Pflanze in allen US-Bundesstaaten, abgesehen von Alaska und Florida.