Extreme Dürreperioden oder katastrophale Sintfluten, Bienensterben und bedrohte Korallenriffs: Nur wer mit Scheuklappen durch die Welt rennt, kann den Klimawandel noch ignorieren. Und nur wer den Kopf in den Sand steckt, kann den Warnungen der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler vor einer drohenden Klimakatastrophe kein Gehör schenken.
Diese Erkenntnis setzt sich selbst bei den Freisinnigen durch. Mit deutlicher Mehrheit haben sich die FDP-Mitglieder für den neuen grünen Kurs ihrer Präsidentin Petra Gössi ausgesprochen. Klima und Umweltschutz sollen einen prominenten Platz im Parteiprogramm erhalten. «Die ökologische Tradition des Freisinns lebt», sagt FDP-Sprecher Martin Stucki.
Spätestens seit den Schülerstreiks hat die grüne Welle auch die bürgerlichen Parteien mit voller Wucht erfasst. Prominente FDP-Vertreter wie der Zürcher Ständerat Ruedi Noser sprechen sich für die Gletscher-Initiative aus. In Bayern startet Markus Söder, der neue starke Mann der CSU, eine Initiative zur Rettung der Bienen.
Nur die SVP verweigert sich, zieht gegen «Klimahysteriker» ins Feld und hofft, dass sich die Worte ihres Grossen Vorsitzenden Christoph Blocher, die aktuelle Diskussion ums Klima sei eine vorübergehende Modeerscheinung, auch bewahrheiten.
Die Wirtschaft nimmt derweil die grünen Anliegen ernst: Milliardäre wie Schmidheiny, Landot oder Wyss wollen die Welt retten. Manager müssen sich in Kursen in der Kreislaufwirtschaft schulen lassen. Dort lernen sie, wie man Abfall vermeidet oder sinnvoll verwertet.
Banken legen kaum mehr einen Fond auf, der nicht das Etikett «nachhaltig» trägt. Migros und Coop füllen ihre Regale mit Bio-Produkten und Ikea geht mit dem WWF eine Partnerschaft ein.
Alles im grünen Bereich? Nicht ganz. Die Gretchenfrage der Umweltdiskussion – oder neuerdings die Greta-Frage – ist noch nicht beantwortet: Kann überhaupt mit den Mechanismen der Marktwirtschaft die Umwelt gerettet und ein nachhaltiges Wirtschaftsmodell entwickelt werden? Oder müssen wir – wie dies auf einem Plakat der Klimastreiks zu lesen war – zuerst den «Kapitalismus versenken», bevor wir die Umwelt retten können?
Eine Karikatur des Magazins «New Yorker» bringt die Diskussion auf den Punkt. Sie zeigt einen Managertypen im Streifenanzug, der in einer völlig verwüsteten, postapokalyptischen Welt ein paar Schülern erklärt: «Ja, der Planet ist leider zerstört worden. Aber für eine kurze und herrliche Zeit haben wir sehr viel Werte für unsere Aktionäre geschaffen.»
Die Diskussion ist auch nicht neu. Vor rund fünf Jahren hat die kanadisch-amerikanische Umweltaktivistin Naomi Klein in ihrem Buch «Die Entscheidung: Kapitalismus vs. Klima» bereits eine glasklare Antwort erteilt. Sie gibt allen Recht, die sagen, der Kampf gegen den Treibhauseffekt sei gleichbedeutend mit dem Kampf für eine neue Wirtschaftsordnung. Klein schreibt:
Dieser Streit ist ob des Green New Deals neu entbrannt. Dem neuen Star am amerikanischen Polithimmel, Alexandria Ocasio-Cortez, wird ebenfalls vorgeworfen, sie sei eine gefährliche Rote, die sich hinter einem grünen Mäntelchen verstecke. Dabei sind Ocasio-Cortez und ihre Mitstreiter bestenfalls Sozialdemokraten in unserem Sinn, die das nordische Modell der skandinavischen Staaten zum Vorbild haben.
Selbst Ocasio-Cortez ist daher für linke Kritiker zu wenig radikal. Kleine Babyschritte werden jedoch nicht genügen. So schreibt der «Guardian»-Kolumnist Phil McDuff:
Nach wie vor besteht die Möglichkeit, dass die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius beschränkt werden kann. Wie dies politisch erreicht werden soll, bleibt eine ungelöste Frage. In einem Punkt sind sich jedoch alle einig, auch die Vertreter einer kapitalistischen Lösung: Es wird ein sehr harter Kampf werden.
William Nordhaus, einer der bekanntesten Klimaforscher und Professor an der Yale University, prophezeit: «Die globale Klimaerwärmung ist ein Billionen-Dollar-Problem, das eine Billionen-Dollar-Lösung braucht. Der Kampf um die Herzen und Köpfe der Wähler wird grimmig werden.»
Wenn die "externen Kosten" auf die Produktepreise dazugeschlagen würden, würden auch realistische Preise entstehen.
Aber dass das geschehen kann, muss die Gesellschaft als Ganzes über politischen Druck und mithilfe von demokratischen Institutionen für solche Aufschläge, bzw. Förderungsabschläge solche Lenkungen vornehmen können!
Produkte, welche unter sozial schlechten und ökologisch bedenklichen Bedingungen hergestellt werden, müssten mit einer Art von Qualitäts-Zöllen so weit verteuert werden, dass realistische Preise entstehen.