Warum der Traum von Mark Zuckerberg geplatzt ist
Jeff Bezos ist weiss Gott ein Narzisst. Er baut sich eine Penis-Rakete, um die Erde aus dem All betrachten zu können. Er lässt die grösste Segeljacht bauen und dafür Brücken einreissen. Doch als Geschäftsmann steht Bezos mit beiden Füssen auf dem Boden. Amazon ist letztlich nicht mehr als ein gigantischer Online-Supermarkt. Zudem hat Bezos das Risiko gestreut. Sein Konzern ist breit aufgestellt. Mit AWS gehört unter anderem auch der weltweit grösste Anbieter von Cloud-Diensten dazu.
Mark Zuckerberg hingegen sieht sich als Visionär. Er treibt seine Mitarbeiter mit Sprüchen wie «move fast and break things» an und stellt hehre Ziele in den Raum wie «wir wollen die Menschen auf der ganzen Welt miteinander verbinden». Zuckerberg liebt es, hohe Ziele zu verfolgen. Einmal kündigt er eine neue globale Währung an, oder dann stellt er gar eine neue virtuelle Welt in Aussicht.
Die Meta-Aktien – so heisst die Mutter von Facebook neuerdings – sind gestern brutal abgestürzt. Dabei haben sich rund 230 Milliarden Dollar in Luft aufgelöst. Von diesem Crash sind zwar auch die Amazon-Aktien zunächst mitgerissen worden und haben ebenfalls rund 7 Prozent verloren. Doch diese Verluste sind bereits im nachbörslichen Handel wieder mehr als wettgemacht worden. Auch die Papiere von Alpha, der Mutter von Google, Apple und Microsoft wurden vom Crash an der Tech-Börse Nasdaq bloss am Rande gestreift.
Es gibt mehrere Gründe, weshalb Zuckerberg in Nöten ist. Hier sind sie:
- Facebook, nach wie vor das Meta-Flaggschiff, ist in die Jahre gekommen und hat letztes Jahr erstmals User verloren. Besonders bitter dabei: Die Verluste sind nicht nur in den USA und Europa angefallen, sondern auch in Lateinamerika und Afrika.
- Apple hat mit seinen neuen Privatsphären-Regelungen Facebook, WhatsApp und Instagram das Werbegeschäft versaut. Das hat Meta im vergangenen Jahr rund zehn Milliarden Dollar gekostet und wird auch weiterhin weh tun. Besonders bitter: Ausgerechnet Erzfeind Google profitiert davon.
- TikTok wird immer mehr zu einem ernsthaften Rivalen. Die chinesische App hat massiv zugelegt. Zuckerberg versucht zwar, TikTok mit einem ähnlichen Produkt namens Reels auszubremsen, bisher jedoch mit bescheidenem Erfolg. Reels befindet sich noch in den tiefroten Zahlen.
- Meta hat ein riesiges Image-Problem. Zuerst war es die vom russischen Geheimdienst gesteuerte Wahlpropaganda, die Facebook in Nöten gebracht hatte. Dann hat eine Whistleblowerin enthüllt, dass Facebook die Algorithmen absichtlich so steuert, dass grösstmöglicher Hass entsteht. Studien zeigen, dass Instagram Depressionen, ja gar Selbstmorde bei Teenager-Mädchen fördert. Und Facebook ist auch führend, wenn es darum geht, Verschwörungstheorien der Corona-Leugner zu verbreiten.
- Mark Zuckerberg selbst hat ebenfalls ein Image-Problem. Sein roboterhaftes Verhalten und seine ungeschickten Äusserungen haben ihm unterirdische Sympathiewerte beschert.
- Schliesslich mehren sich bei allen Parteien und allen Ländern die Antitrust-Anstrengungen gegen Meta. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Konzern dereinst aufgebrochen werden könnte, ist markant gestiegen.
Am meisten leidet Meta jedoch darunter, dass unklar ist, in welche Richtung der Konzern unterwegs ist. Vor drei Jahren kündigte Zuckerberg Libra an, eine Art Kryptowährung light. Er löste damit Spott in der Krypto-Szene aus und schreckte die Zentralbanker kurzfristig auf. Ausser auf der NZZ-Wirtschaftsredaktion mochte sich jedoch kaum jemand für dieses Projekt erwärmen. Es wurde daher zuerst in Diem umgetauft und dann abgestossen.
Nun will Zuckerberg in die virtuelle Welt vorstossen. Vor Jahren schon hat er Oculus VR gekauft, ein Start-up, das auf die Herstellung von Brillen spezialisiert ist, mit denen man in diese Welten eintauchen kann.
Dieses Geschäft will Zuckerberg massiv ausbauen, ja er sieht darin gar die Zukunft seines Konzerns. Ausser einem Verlust von mehr als zehn Milliarden Dollar und vagen Versprechen kann dieser Bereich jedoch noch wenig vorweisen. «Die Investoren werden diese Zahlen sehr genau verfolgen. Sie sind ein früher Indikator, wie weit Metaverse noch davon entfernt ist, profitabel zu werden», sagt Tom Johnson von Mindshare Worldwide in der «Financial Times».
Ein Kerngeschäft, das seinen Höhepunkt überschritten hat, eine stärker werdende Konkurrenz, eine misstrauisch werdende Aufsichtsbehörde und vage Zukunftsaussichten: Mark Zuckerberg stellt das Vertrauen seiner Mitarbeiter, seiner Investoren und seiner User auf eine harte Probe.