Was für ein Kontrast! «Jenen, die das schweizerische Bankgeheimnis angreifen, kann ich voraussagen: An diesem Bankgeheimnis werdet ihr euch noch die Zähne ausbeissen», sagte der damalige Finanzminister Hans-Rudolf Merz noch im Frühling 2008. Ein Jahr später knickten Merz und seine Bundesratskollegen ein. Die Unterscheidung zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug wurde aufgegeben. Das Bankgeheimnis ist seither zumindest für ausländische Kunden Geschichte.
Wieder bahnt sich eine Steuer-Revolution an – diesmal unter der Ägide der Organisation für Wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit OECD und deren mächtigsten Mitgliedern: den G20 und den G7. Die Geschichte der vollmundigen Schweizer, die dann am Schluss doch klein beigeben müssen, soll sich jedoch nicht wiederholen. «Wir haben gar keine Wahl», seufzt ein freisinniger Politiker. Dass schon bald ein globaler minimaler Gewinnsteuersatz für Unternehmen gelten könnte, bringt im Bundeshaus niemanden mehr in Rage. «Ueli Maurer liquidiert die Steueroase Innerschweiz», stellte der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann jüngst in seiner «Weltwoche»-Kolumne bissig fest.
Und tatsächlich: Finanzminister Maurer und Staatssekretärin Daniela Stoffel vom zuständigen Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen (SIF) sendeten von Anfang an Kooperationssignale an die OECD-Zentrale aus und wiederholen seit Jahren immer die gleiche Botschaft: «Die Schweiz befürwortet langfristige, breit abgestützte multilaterale Lösungen an Stelle einer Vielzahl von unübersichtlichen nationalen Massnahmen.» Oder anders gesagt: Lieber eine globale Lösung, die von allen umgesetzt wird, als ein Wildwuchs an nationalen Steuer-Sonderzügen. Eine Einschätzung, die auch von den Unternehmen geteilt wird.
Und so reagiert das Finanzdepartement von Ueli Maurer sachlich nüchtern auf die Entscheide aus London. «Wir nehmen sie zur Kenntnis», sagt Kommunikationschef Peter Minder lediglich. Überraschend kommt die Einigung nicht, begleitet doch das SIF die Steuerreform seit Jahren – und steht dabei in engem Kontakt mit den Kantonen, den Unternehmen und den Wirtschaftsverbänden. «Wir können das verkraften, was jetzt diskutiert wird», sagte Maurer bereits Anfang April im Nachgang zur virtuellen Frühjahrstagung vom Internationalen Währungsfonds (IWF), Weltbank und den G20-Finanzministern, bei dem klar wurde, dass die USA unter der Regierung von Joe Biden eine Einigung anstreben. «Die Schweiz hat als Standort auch andere Trümpfe, falls der Steuervorteil fällt.»
Doch nur darauf verlassen will man sich auch nicht. Frank Marty vom Wirtschaftsdachverband Economiesuisse etwa verweist auf die hohen Löhne in der Schweiz. Ein Kostenfaktor, der bislang durch niedrige Steuern kompensiert wurde.
Im Finanzdepartement laufen deshalb die Vorbereitungen auf Hochtouren, mehrere Modelle werden evaluiert, wie man den Unternehmen sonst entgegenkommen kann. Spruchreif ist noch nichts. Ein Blick ins Ausland zeigt aber, wo die Reise hingehen könnte. Andere Länder mögen höhere Steuersätze haben als die Schweiz, subventionieren Firmen dafür direkt - etwa mit Beiträgen an Forschung und Entwicklung, Weiterbildungen, mit Entlastungen bei Sozialversicherungen oder mit gar Lohnzuschüssen für das Management. Eine Diskussion über solche Kompensationen müsse zwingend geführt werden, sagt Ständerat Erich Ettlin (Mitte/OW).
Die G7 haben sich auf einen Mindeststeuersatz von 15 Prozent geeinigt. Zwei Drittel der Kantone weisen eine tiefere Steuerbelastung für Firmen aus. Der Bündner FDP-Ständerat Martin Schmid zeigt sich deswegen beunruhigt. Er befürchtet, dass vor allem auch Arbeitsplätze verloren gehen könnten, wenn die Schweiz ihren Steuervorteil verliert. Allerdings sei derzeit in Bezug auf die Reform noch sehr vieles offen. So ist nicht nur die Höhe des Mindeststeuersatzes entscheidend, sondern auch die Bemessungsgrundlage. Und welche Steuern oder Abgaben bei der Festlegung der Mindeststeuer angerechnet werden. Werden etwa die Kapital- oder Verrechnungssteuern mitberücksichtigt? Oder gar die CO2-Abgabe, welche Schweizer Firmen leisten müssen? Diese Idee brachte Finanzminister Ueli Maurer bereits Anfang April ins Spiel.
Die gute Nachricht für die Schweiz ist: Auch in Konkurrenzstandorten mit tiefen Steuern wie Luxemburg, Holland und Irland wird künftig ein Mindeststeuersatz gelten. Der Steuerwettbewerb wird eingeschränkt. Dadurch werden andere Standortfaktoren wichtiger, wie qualifiziertes Personal, Lohnkosten, Infrastruktur, Flexibles Arbeitsrecht, der Zugang zu Behörden, Stabilität oder Rechtssicherheit. Die Basler SP-Ständerätin und ehemalige Finanzdirektorin Eva Herzog sagt deshalb: «Ein Mindeststeuersatz von 15 Prozent ist verkraftbar für die Schweiz.» Die Wirtschaft scheine sich ja schon darauf einzustellen, sagt sie mit Hinweis darauf, dass bereits der Ruf nach Kompensation auf anderen Gebieten, wie Entlastungen bei Sozialversicherungsbeiträgen laut wird.
Allerdings kämen solche Subventionen einem Paradigmenwechsel gleich. Ob dies mehrheitsfähig wäre, ist zumindest umstritten.
Klar ist, dass die Mindeststeuer nur Grosskonzerne betrifft. Es gäbe folglich zwei verschiedene Steuersätze, einen für die Grosskonzerne mit einem Umsatzvolumen über 750 Millionen Euro und einen für alle anderen. Oder nochmals anders gesagt: Alles bleibt beim Alten, nur die Grossen zahlen «freiwillig» die Differenz zu den geforderten 15 Prozent.
Diese Idee ist nicht revolutionär, sondern wird schon heute in einigen Kantonen in der Schweiz praktiziert. Es gibt Firmen, die sich freiwillig höher besteuern lassen, damit sie in ihrem Heimatland nicht noch zusätzlich besteuert werden. Denn in Schweden etwa gilt schon heute eine Mindestbesteuerung.
Der Umsetzungsprozess dürfte dennoch nicht ganz einfach werden. Offen ist etwa auch, wer die Zusatzsteuern erheben würde, die Kantone oder der Bund. Offen ist also vieles. Nur etwas scheint klar: Die Steuerwelt in der Schweiz wird komplizierter. (bzbasel.ch)
Dadurch wird die ganze Mindeststeueraktion irgendwie obsolet oder?
Steuern hoch, dafür alles mögliche Subventionieren führt letztlich wohl nicht zu mehr Einnahmen aber zu mehr Bürokratie…
MMn. kann man es so einfach auch gleich sein lassen.