Schweiz
International

100 Tage Trump: So ziehen Schweizer Parlamentarier Bilanz

Fabian Molina, Werner Salzmann, Corina Gredig, Elisabeth Schneider-Schneiter und Irène Kälin ziehen Bilanz nach 100 Tagen Donald Trump als US-Präsident.
Sich selbst hat US-Präsident Donald Trump zu seinem 100. Tag im Amt bereits gefeiert.Bild: keystone

«Es macht mir Bauchschmerzen, wenn ich mir vorstelle, was noch auf die Welt zukommen wird»

100 Tage ist Donald Trump US-Präsident. Wie haben Schweizer Parlamentarierinnen und Parlamentarier diese Zeit bis jetzt erlebt? Und hat man in der SVP seine Meinung revidiert? watson hat nachgefragt.
29.04.2025, 18:4229.04.2025, 20:20
Mehr «Schweiz»

Im November 2024 hatte sich SVP-Bundesrat Albert Rösti für Donald Trump als US-Präsidenten ausgesprochen. Sein Wunsch ging in Erfüllung. Als watson ihn am Sechseläuten fragte, ob er seine Meinung inzwischen geändert hat, krebste Rösti zurück.

Wie sieht es bei anderen Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus? watson hat nachgefragt.

Molina (SP) enttäuscht von Demokraten

Überrascht, wie die ersten 100 Tage von Trumps Amtszeit abgelaufen sind, ist SP-Nationalrat Fabian Molina nicht. Trotzdem sagt der Aussenpolitiker:

«Es ist schockierend, in welchem dramatischen Tempo Trump den Staat und die Welt niederreisst.»
Fabian Molina, SP

Vom Bundesrat ist Molina enttäuscht. Aus seiner Sicht wird die Schweiz mit bilateralen Gesprächen nichts ausrichten können, ausser weiterhin in der Abhängigkeit von Trumps Goodwill zu stehen. Er wünscht sich, dass Europa – und damit auch die Schweiz – zusammenhält und gemeinsam Gegenmassnahmen gegen Trumps Zölle ergreift. «Diese sind erlaubt gegen ein Land, das sich nicht an die Gesetze der Welthandelsorganisation (WTO) hält.»

Fabian Molina, SP-ZH, spricht waehrend der Herbstsession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 19. September 2024 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Fabian Molina war zwei Jahre lang JUSO-Präsident und gehört zur aussenpolitischen Kommission des Nationalrats.Bild: keystone

Am meisten Sorgen bereitet Molina der Abbau der Demokratie in den USA. «Die Gewaltenteilung funktioniert in den USA nicht mehr.» In Gesprächen mit US-Politikerinnen und -Politikern hat der Vizepräsident der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Schweiz-USA herausgehört, es gebe viele Republikanerinnen und Republikaner, die gegen Trumps Politik seien. Aber:

«Die Republikaner wehren sich nicht, weil sie Angst haben, nicht wiedergewählt zu werden.»
Fabian Molina, SP

Viel enttäuschter als von den Republikanern ist Molina jedoch von den Demokraten: «Die eine Hälfte setzt sich extrem gegen Trump ein. Besonders im linken Flügel. Die andere Hälfte schaut zu und wartet. Hofft, dass Trump sich selbst abschafft und die Wählerinnen und Wähler zu ihnen zurück krebsen.» Letztere Strategie schätzt Molina als brandgefährlich ein. Vor allem im Hinblick darauf, was in der restlichen Amtszeit Trumps noch auf die Welt zukommen könnte.

Schneider-Schneiter (Mitte): «Trump dominiert alles»

Ein ähnliches Fazit wie Fabian Molina zieht auch die Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter: «Es ist erstaunlich, mit welchem Tempo Trump die Welt und die Wirtschaft ins Chaos stürzt.» Der Schaden, den Trump bisher angerichtet habe, habe langfristige Konsequenzen: «Es herrscht Unsicherheit und Instabilität. Auf das Wort der USA ist kein Verlass mehr.»

Nationalraetin Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte-BL, spricht an einer Medienkonferenz von der Allianz fuer die Umsetzung der OECD-Mindeststeuer, am Donnerstag, 11. Mai 2023 in Bern. (KEYSTONE/Antho ...
Elisabeth Schneider-Schneiter befand sich 2018 auf dem Bundesrats-Ticket der Mitte.Bild: keystone

Schneider-Schneiter ist sich sicher, dass sie nicht die einzige Parlamentarierin war, die angesichts der Heftigkeit der von Trump verhängten Zölle schockiert gewesen war:

«Mancher SVPler, der sich über die Wahl von Trump gefreut hat, wird sich die Augen reiben.»
Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte

Für den Bundesrat sei die jetzige Ausgangslage sehr komplex. Doch er würde aus ihrer Sicht die richtige Strategie fahren: mit allen den Dialog suchen – USA, EU und China. Etwas anderes bleibe der Schweiz als kleines Land nicht übrig:

«Mit wem sonst sollten wir Handel betreiben?»
Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitte

Immerhin eine positive Entwicklung konnte Schneider-Schneiter in den letzten 100 Tagen beobachten: Das Verhältnis der Schweiz zur EU sei wichtiger geworden. «Umso wichtiger ist es, dass die Verträge mit der EU nun rasch in den demokratischen Prozess finden.»

Weniger positiv sieht Schneider-Schneiter die Tatsache, dass viele andere aussenpolitische Themen in den letzten 100 Tagen in den Hintergrund gerückt seien. Sie sagt: «Trump dominiert alles.»

Gredig (GLP): «Tiefpunkt der internationalen Diplomatie»

Die schlimmste Erinnerung der letzten 100 Tage ist für Aussenpolitikerin Corina Gredig die Szene im Weissen Haus im Februar. Als Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj vor versammelten Medien erniedrigte und als Täter darstellte. Gredig sagt, sie sei erschüttert gewesen, als sie diese Bilder gesehen habe:

«Für mich war das ein Tiefpunkt der internationalen Diplomatie und des gegenseitigen Respekts unter Staatsoberhäuptern.»
Corina Gredig, GLP

Aus Gredigs Sicht gibt es viele Hinweise darauf, dass wir gerade das Ende der US-amerikanischen Demokratie beobachten können: «Wenn ein Präsident dem Chef der Notenbank mit Entlassung droht, weil dieser eine andere Einschätzung der Wirtschaftslage vertritt, ist das ein Alarmsignal.» Das politische Klima im Land sei angespannt. Zentrale demokratische Institutionen seien in den letzten 100 Tagen unter Druck geraten. Etwa unabhängige Gerichte, freie Medien und akademische Einrichtungen.

Corina Gredig, Fraktionspraesidentin, spricht anlaesslich der Delegiertenversammlung der Gruenliberalen Partei Schweiz (GLP) vom Samstag, 19. Oktober 2024 in Rueschlikon. (KEYSTONE/Christian Beutler)
Corina Gredig ist Fraktionspräsidentin der GLP und Teil der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats.Bild: keystone

Nichtsdestotrotz ist sie dafür, dass der Bundesrat in Bezug auf die Zölle das Gespräch mit den USA sucht. «Als kleines Land voller KMUs sitzen wir am kürzeren Hebel.» Die Frage sei nur, wie die Schweiz noch argumentieren wolle. Die Zölle gegenüber den USA seien schon sehr tief. Und Schweizer Unternehmen investierten bereits in die USA. Gredig sagt:

«Der Bundesrat kann die Bevölkerung nicht zwingen, mehr US-amerikanische Autos zu kaufen.»
Corina Gredig, GLP

Als Alternative eine Charmeoffensive zu starten, lehnt Gredig jedoch entschieden ab. Sie sagt: «Ich erwarte von unserer Regierung, dass sie standhaft bleibt und keine Zugeständnisse macht, die der Schweiz schaden.» Die Schweiz solle sich klar zu Freihandel und liberalen Werten bekennen und betonen, was die Schweiz bereits mache, wovon auch die USA profitierten.

Salzmann (SVP) schiesst gegen Biden

Der Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann findet eine Trump-Bilanz nach 100 Tagen überflüssig. Er sagt: «Biden hat auch Dinge gemacht, die der Schweiz geschadet haben.» Als Beispiel nennt er die OECD-Mindeststeuer, die 140 Länder beschlossen hatten – darunter auch die Schweiz. Die USA unter Biden hätten sich jedoch nicht daran gehalten. «Das hat der Schweiz fast genauso geschadet wie Trumps Zölle», sagt Salzmann.

Tatsächlich hatte Biden Vorbehalte gegenüber dem OECD-Mindeststeuer-Deal geäussert. Den Ausstieg hat jedoch Donald Trump bei Amtsantritt verkündet.

Werner Salzmann, SVP-BE, spricht waehrend der Debatte um den Voranschlag 2024 mit integriertem Aufgaben- und Finanzplan 2025-2027, waehrend der Wintersession der Eidgenoessischen Raete, am Dienstag, 5 ...
Werner Salzmann sitzt in der sicherheitspolitischen Kommission des Ständerats und ist Teil der parlamentarischen Delegation der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa). Bild: keystone

Bei weiterem Nachhaken sagt Salzmann:

«Es ist sehr schwierig, mit Trump umzugehen. Er ist irrational und schürt Unsicherheit.»
Werner Salzmann, SVP

Mit Trumps Zollpolitik ist Salzmann nicht einverstanden. Aber: «Ich bin guter Hoffnung, dass der Bundesrat mit seinen Gesprächen diesen Konflikt aus der Welt schaffen kann.» Falls dem Bundesrat dies nicht gelinge, setze er auf die Demokratie in den USA. «Am meisten unter Trumps Wirtschaftspolitik leidet seine eigene Bevölkerung. Ich bin mir sicher, dass sie ihn bei den Zwischenwahlen 2026 abstrafen wird, wenn er die Zölle nicht abschafft.»

Mit anderen politischen Entscheidungen Trumps ist Salzmann hingegen einverstanden: «Ich bin auch kein Fan von Wokeness und Genderpolitik.» Und in der Migrationspolitik sei er so wie Trump der Auffassung, dass gegen illegale Einwanderung strikt vorgegangen werden müsse.

Während des US-Präsidentschaftswahlkampfs hatten sich zahlreiche von Salzmanns Parteikollegen für einen Sieg von Donald Trump ausgesprochen. Er selbst reagiert heute auf diese Nachfrage ausweichend: «Bei den Wahlen in den USA liegen mir die Republikaner als bürgerliche Partei natürlich immer näher als die Demokraten.»

Ob Trump der richtige Kandidat für die Republikaner war, sei nicht an ihm zu beurteilen. Das Volk habe ihn demokratisch gewählt. Das müsse die Schweiz akzeptieren. Eines müsse man Trump zudem lassen:

«Er hat umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hat.»
Werner Salzmann, SVP

Kälin (Grüne): «Hätte mir Rückgrat gewünscht»

Donald Trump hatte im Wahlkampf auch versprochen, für Frieden in der Ukraine zu sorgen. Und zwar noch an seinem ersten Amtstag. Passiert ist das bekanntlich nicht. Stattdessen war seine Amtszeit, so bilanziert Grünen-Nationalrätin Irène Kälin:

«Absolut katastrophal.»
Irène Kälin, Grüne

Auch sie hat für die Szene im Weissen Haus im Februar kein Verständnis. Im März 2022 ist sie als Nationalratspräsidentin nach Kiew gereist und hat sich ein Bild von den Angriffen Russlands gemacht. Die Zerstörung mit eigenen Augen gesehen. Mit den Menschen vor Ort gesprochen. Für Kälin ist deshalb klar: «Was Trump macht, ist ein Verrat an der Ukraine.»

Irene Kaelin, President of the Swiss National Assembly, center, surrounded by members of the Ukrainian military, leaves the Hostomel airfield near Kiev, Ukraine, which was destroyed by Russian invader ...
Irène Kälin am 27. April 2022 auf dem Kiewer Flughafen Hostomel, der von russischen Angriffen zerstört worden war.Bild: KEYSTONE

Als «unguided missile» beschreibt Kälin Trump. Eine unkontrollierte Waffe. Er mache die Ukraine zum Täter, versuche Kapital aus dem Krieg zu schlagen, einen einseitigen Frieden nach den Interessen Russlands herbeizuführen. «Wenn das geschehen würde, wäre es das Ende der demokratischen Welt.» Dann wäre für alle klar: Ein Aggressor wird belohnt. Kälin sagt:

«Es macht mir Bauchschmerzen, wenn ich mir vorstelle, was noch auf die Welt zukommen wird unter Trump.»
Irène Kälin, Grüne

Nicht nur würde Trump mit seiner Zollpolitik der gesamten Weltwirtschaft schaden. Die USA befänden sich auch auf dem besten Weg in eine Autokratie. «Und zahlreiche Rechtspopulisten auf der Welt schauen zu und lernen.»

Kälin hat zwar noch Hoffnung, dass die Gerichte und die Demokraten Trump Einhalt gebieten. Dennoch stellt sie fest: «Trump hat in kurzer Zeit bereits viel Schaden angerichtet. Das Ausmass werden wir wahrscheinlich erst mit der Zeit begreifen.» Etwa in Bezug auf zahlreiche humanitäre Hilfsprogramme, welche die USA eingestellt haben, die Kürzungen in Forschung, die Einflussnahme auf Universitäten, die Menschenrechtsverletzungen durch Deportationen.

Dass vergangene Woche Bundesrätin Karin Keller-Sutter und Bundesrat Guy Parmelin zu diplomatischen Gesprächen in die USA gereist sind, stösst Kälin deshalb sauer auf:

«Ich hätte mir vom Bundesrat mehr Rückgrat gewünscht.»
Irène Kälin, Grüne

Zur EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen seien etwa noch nie zwei Bundesräte gereist. Der Bundesrat glaube noch immer, mit Logik etwas bei Trump bewirken zu können. Doch das sei ein Irrtum. «Es ist zu befürchten, dass der Rest seiner Amtszeit genauso von Unsicherheit und Schnelllebigkeit geprägt sein wird.»

FDP nicht erreicht

Anfragen bei FDP-Politikerinnen und -Politikern der aussenpolitischen Kommission blieben bis Redaktionsschluss leider unbeantwortet.

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Donald Trump: Das Leben (und die Psyche) des US-Präsidenten in Bildern
1 / 60
Donald Trump: Das Leben (und die Psyche) des US-Präsidenten in Bildern

Sicherlich hatte er bereits 1987 in seinem Trump Tower Office davon geträumt, dass er einmal die ganze Welt in Händen halten würde.

quelle: newsday rm / newsday llc
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Trump zu Zoll-Deal: Länder «küssen mir den Arsch»
Video: youtube
Das könnte dich auch noch interessieren:
94 Kommentare
Dein Kommentar
YouTube Link
0 / 600
Hier gehts zu den Kommentarregeln.
Die beliebtesten Kommentare
avatar
N. Y. P.
29.04.2025 19:45registriert August 2018
SVP-Ständerat Werner Salzmann kann ich nicht mehr für voll nehmen.

Die Welt steht am Abgrund, geschätzter Werner und Dir fällt nichts Besseres ein, als zu sagen, dass Biden imfall auch ganz schlecht war? Tut mir leid, das ist dermassen lächerlich. Trump legt alles in Schutt und Asche und Du gibst immer noch Rückendeckung.

Naja, denn halt.
21111
Melden
Zum Kommentar
avatar
ELMatador
29.04.2025 19:39registriert Februar 2020
Wer hätte das gedacht: Salzman betreibt Whataboutism, weil er nichts Positives über Trump sagen kann – also lenkt er mit Kritik an anderen ab.
20510
Melden
Zum Kommentar
avatar
FrancoL
29.04.2025 19:34registriert November 2015
Nach dem Debakel in der Arena hat Molina nun eine klare und richtige Aussage gemacht;

"Viel enttäuschter als von den Republikanern ist Molina jedoch von den Demokraten: «Die eine Hälfte setzt sich extrem gegen Trump ein. Besonders im linken Flügel. Die andere Hälfte schaut zu und wartet. Hofft, dass Trump sich selbst abschafft und die Wählerinnen und Wähler zu ihnen zurück krebsen."

Leider wieder einmal unterirdisch der SVP Mann, der alles Schandtaten von Trump relativiert, indem er gegen Biden schliiesst.
14310
Melden
Zum Kommentar
94
    Salt-Kunden kämpfen mit Internet-Problemen
    Beim mobilen Internet von Salt-Kundinnen und -Kunden gab es am Dienstagnachmittag Probleme.

    Zahlreiche Nutzende meldeten Störungen beim mobilen Internet von Salt. Bei allestoerungen.ch gingen Tausende Berichte ein.

    Zur Story