Im Juni 2017 wird der damalige Justizminister der USA, Jeff Sessions, vor einem Geheimdienstausschuss des US-Senats zu seinen Verbindungen zu Russland verhört. Die Vorwürfe sind happig: Sessions soll mit dem russischen Botschafter die Präsidentschaftswahlen besprochen haben.
Sessions, unter Eid stehend, leugnet die Treffen nicht – aber er gibt an, sich nicht mehr daran erinnern zu können. Während des Verhörs lässt ihn sein Erinnerungsvermögen rund 30 Mal im Stich. Gleichzeitig setzt er ein spitzbübisches Lächeln auf. Der als harter Hund verschriene Sessions mimt den lustigen aber harmlosen Opa. Die Darbietung ist oscarreif.
Eine ähnliche Taktik verfolgt nun der gefallene Krypto-Milliardär Sam Bankman-Fried (SBF). Seit seine Kryptobörse FTX Konkurs erklären musste, gibt er Interview um Interview. Das erste am 29. November der Krypto-Journalistin Tiffany Fong, das letzte und seither mindestens vierte dem «Wall Street Journal».
Seine Masche ist immer dieselbe: SBF gibt sich als ebenso reumütigen wie verwirrten Professor, der zwar peinliche Fehler begangen hat, nie aber mutwillig Kunden oder Investoren übers Ohr hauen wollte. Ausserdem leidet SBF am Sessions-Syndrom: «Ich weiss nicht auswendig, welche Prozeduren wir benutzen», «Ich weiss nicht, ob wir die Nutzungsbedingungen verletzt haben», «Ich weiss nicht genau, worauf sich diese Kritik bezieht», «Ich kenne die genauen Details nicht», «Ich war in diesen Prozess nicht wirklich involviert».
Als der Interviewer nachhakt, worin er als CEO überhaupt involviert gewesen sei, erhält er die saloppe Antwort: «Ich war beschäftigt, FTX am Laufen zu halten.»
Ähnlich wie Sessions nimmt man es SBF beinahe ab. Mit angezogenen Knien, in Shorts, sitzt er wie ein kleiner Junge auf dem Sofa. Sieht so ein notorischer Betrüger aus?
Die Fakten, welche mit den Konkursdokumenten ans Tageslicht kommen, sprechen eine eindeutige Sprache.
New York am letzten Mittwoch. Starjournalist Andrew Ross Sorkin lädt zur jährlichen DealBook-Konferenz. Es reden: Tiktok-CEO Shou Chew, Blackrock-CEO Larry Fink, Amazon-CEO Andy Jassy, Netflix-CEO Reed Hastings, Mark Zuckerberg, Wolodymyr Selenkj, Benjamin Netanyahu … und neo-Pleitegeier Sam Bankman-Fried.
Er, der vor wenigen Tagen die Ersparnisse von einer Million Kunden vernichtete, darf «seine Sicht der Dinge» präsentieren, darf von Missmanagement und eigenen Fehlern sprechen, darf öffentlich Kreide fressen. Er wird von den Bahamas zugeschaltet. Weit weg vom langen Arm der US-Justiz.
Wieder spielt Sam Bankman-Fried die Karte des verwirrten Professors, der gutmütig und naiv in die Businessfalle rasselte. Wieder zieht die Masche. Am Ende des Interviews kriegt Sam Bankman-Fried Beifall. (tog)
Viele haben Hunderttausende oder Millionen verloren wegen ihm, auf die eine oder andere Art wird ihn sein Schicksal ereilen.