Mit Jeff Sessions wurde gestern das bisher ranghöchste Mitglied der Trump-Regierung angehört. Der Justizminister hatte zuvor unter Eid stehend verschwiegen, dass er sich mindestens zwei Mal mit dem russischen Diplomaten Sergej Kisljak getroffen hatte. Ausserdem musste er wegen Befangenheit in der Russland-Sache in den Ausstand treten.
Trotzdem brachte das eigentlich explosive Setting gestern nicht viel Brisantes ans Licht. Das lag vor allem daran, dass sich der gelernte Jurist Sessions mit zahlreichen Tricks und Kniffen immer wieder aus unangenehmen Situationen wand.
Sessions Auftritt war ein Paradebeispiel dafür, dass man eine Debatte auch mit den schlechteren Argumenten gewinnen kann. Wenn man denn taktisch klug vorgeht.
Wenn immer es für Jeff Sessions eng wurde, schob er sein offensichtlich schlechtes Erinnerungsvermögen vor. «I don't recall it» – «Ich kann mich nicht mehr erinnern», wich er oftmals aus. Oder er ergänzte seine Statements mit «as far as I remember» – «soweit ich mich erinnern kann.»
Als geschulter Anwalt weiss Sessions, dass er so eine Hintertüre offen lässt. Unter Eid lügen ist strafbar, unter Eid sich an etwas nicht mehr erinnern nicht.
Am unzimperlichsten wurde Jeff Sessions gestern von der kalifornischen Senatorin Kamala Harris in die Mangel genommen. Sichtlich verärgert über Sessions Schachzug mit dem schlechten Gedächtnis, versuchte sie dem Justizminister die Aushändigung schriftlicher Unterlagen abzuringen. Ein Zugeständnis, dass sie von Sessions nur verklausuliert erhielt.
Etwas erstaunt über dessen Zurückhaltung wirft sie Sessions darauf vor, dass ausgerechnet er, der Justizminister, sich offensichtlich nicht über die Pflichten bei einer solchen Anhörung schlau gemacht habe – und darauf erhält sie prompt ein Zugeständnis. Und das, obwohl Sessions damit seine eigene Inkompetenz zur Schau trägt.
Würde er allerdings zugeben, die Regeln zu kennen, müsste er ebenfalls zugeben, dass er stärker kooperieren müsste – und genau das will er auf jeden Fall verhindern.
Jeder anwesende Senator durfte gestern Jeff Sessions fünf Minuten «verhören». Waren die Demokraten am Zug, gestaltete dieser seine Antworten jeweils unnötig umfangreich. Mit diesem Zeitspiel versuchte er, weitere Angriffe der Demokraten zu verhindern. Selbstverständlich durchschauten die Demokraten diese Taktik und fielen dem Justizminister immer wieder ins Wort.
Das nutzte der mit allen Wassern gewaschene Sessions wiederum zu seinem Vorteil, stellte sich wütend als Opfer dar – und gewann damit gleich wieder ein paar Sekunden.
Jeff Sessions verweigerte während der Anhörung jegliche Aussagen zu privaten Gesprächen zwischen ihm und dem Präsidenten. Solche wären aber hinsichtlich der Entlassung von Ex-FBI-Chef Comey von grosser Bedeutung gewesen.
Als der aufkommende Star der Demokratischen Partei, Martin Heinrich, ihm danach aufzeigte, dass er keine rechtliche Grundlage für sein Handeln hatte, berief sich Sessions auf Traditionen innerhalb des Departements. Wer Traditionen hat, braucht keine Gesetze. Das gilt auch für den Justizminister.
Jeff Sessions bestes Argument aber überhaupt ist seine Erscheinung. Mit seinen lustigen wachen Äuglein, dem kleinen, fast lippenlosen Mündchen und den abstehenden Ohren erinnert er stark an die Figur Yoda aus «Star Wars».
Wenn Sessions zuhört, erinnert das nicht selten an das Bild eines gutmütigen Grossvaters, der sich gerade Zeit nimmt, einer kleinen Geschichte seiner Enkelin zu lauschen. Wenn er spricht, dann scheint ihm der Schalk im Nacken zu sitzen – eine perfekte Interpretation der Rolle des süssen harmlosen alten Mannes.
In Tat und Wahrheit ist Sessions aber der personifizierte Wolf im Schafspelz. Der 70-Jährige aus Amerikas Süden ist ein ultrakonservativer Hardliner, der Ruf, dem Ku Klux Klan nahe zu stehen, konnte er trotz öffentlichem Dementi nie ganz ausradieren.
Jeff Sessions fehlten gestern zwar die Argumente, trotzdem liess er nichts anbrennen. Präsident Trump wird es mit Wohlwollen zur Kenntnis genommen haben. Und vielleicht schaut er ihm auch in Sachen Debattier-Kunst noch etwas ab.