Auf den ersten Blick könnte man meinen, die Kernkompetenz von Uber sei die Vermittlung von Fahrten mit einer App. Dem ist aber nicht so. Ubers wahre Kernkompetenz ist das Duell mit Politikern und Behörden. Und darin wird das kalifornische Unternehmen richtig, richtig gut.
Am eigenen Leib zu spüren bekam das der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio, der das Wachstum von Uber per Gesetz einschränken wollte. Nach einer mehrwöchigen, gross angelegten Kampagne von Uber musste de Blasio klein beigeben.
Juni 2015: Der Stadtrat befürchtet, dass Uber und ähnliche Dienste die Strassen New Yorks immer mehr verstopfen. Darum sollen diese pro Monat nur um ein Prozent wachsen dürfen – zumindest bis die Stadt den Verkehr gründlich analysiert hat.
Das geht Uber mächtig gegen den Strich. Denn es würde bedeuten, dass die Kalifornier bis Ende Jahr nur noch 200 Fahrer einstellen könnten – das Unternehmen bräuchte aber in dieser Zeitspanne eher 10'000. Jede Woche laden sich in New York 25'000 neue Benutzer die App herunter.
Wenige Tage nachdem de Blasio den Plan für seine gesetzliche Wachstumsbremse präsentiert, greift ihn Uber mit einer aggressiven Kampagne frontal an. Auf über 20 TV-Sendern und mindestens drei Radiostationen wird den Zuschauern erklärt, dass de Blasio Tausende von Jobs vernichten wolle. Die Kampagne kostet gemäss Observer mindestens drei Millionen Dollar.
In einem mit sanfter Klaviermusik unterlegten Spot erzählen begeisterte Chauffeure, wie toll Uber ist; keine Geldprobleme mehr, einen festen Job, mehr Zeit für die Familie. Die Message: De Blasio ist eine Fortschrittsbremse und eine Marionette der Taxi-Industrie. Und er schadet den Arbeitnehmern.
In Anzeigen, die in Zeitungen und Zeitschriften erschienen, heisst es, der Bürgermeister und seine Verbündeten würden 10'000 Jobs vernichten.
Es ist der Anfang des Konflikts, der in US-Medien bald als «New Yorker Taxikrieg» bezeichnet wird. Bürgermeister de Blasios Gegenspieler ist der Uber-Manager David Plouffe, ein mit allen Wassern gewaschener PR-Profi. In seiner letzten Position hat er US-Präsident Barack Obama als Kampagnenleiter zur Wiederwahl verholfen.
Bald wird klar: Plouffe macht keine halben Sachen. Uber fordert alle seine 26'000 Fahrer in New York auf, ihre Volksvertreter zu Gunsten des Fahrdienstes unter Druck zu setzen, schreibt die Washington Post. Auf Plakaten in der ganzen Stadt werden Politiker angegriffen, welche den Gesetzesentwurf unterstützen.
Und dann wären da noch die 2'000'000 New Yorker, welche die Uber App auf ihrem Smartphone haben. Damit die Message zu ihnen durchdringt, überlegt sich Uber etwas ganz Spezielles: Neben den normalen Angeboten wie «UberX» oder «Uberblack» taucht in der App auch ein «De-Blasio-Modus» auf.
Er zeigt, wie die Realität angeblich aussehen würde, wenn sich de Blasio durchsetzen könnte: Wartezeiten von 25 Minuten oder keine verfügbaren Fahrzeuge. Und noch etwas: Im De-Blasio-Modus wird der User gebeten, Bill de Blasio eine E-Mail zu schreiben, um ihn von seinem Vorhaben abzubringen – mit einem Klick kann man das auch tun.
Dazu erhält Uber prominente Schützenhilfe. Model Kate Upton argumentiert auf Twitter, dass dank der App auch Gäste in etwas abgelegenen Gebieten zu einem Fahrdienst kommen.
.@BilldeBlasio Why do you want to return to days when only those in Midtown & Lower Manhattan could get a ride? #UberMovesNYC
— Kate Upton (@KateUpton) July 22, 2015
Und Schauspieler Neil Patrick Harris fragt, wie die Begrenzung von neuen Fahrern die Nachfrage von 25'000 neuen Benutzern pro Woche decken soll.
.@BilldeBlasio: 25K new residents use @Uber_NYC each week. How is a fixed # of cars supposed to serve this demand for rides? #UberMovesNYC
— Neil Patrick Harris (@ActuallyNPH) July 22, 2015
Mit dieser Offensive konfrontiert, wendet sich de Blasio am vergangenen Samstag mit einem Appell in der New York Daily News an die Bevölkerung. Er plädiert dafür, dass sich Uber an gewisse Regeln halten müsse. «Wir würden auch ExxonMobil oder Walmart nicht in New York City operieren lassen, ohne ihnen ein paar grundlegende Vorschriften zu geben, welche die Öffentlichkeit schützen», schreibt de Blasio.
Unter anderem betont er, dass es wichtig sei, auch Menschen mit einer Behinderung das Recht auf einen Transport zu versichern. Die offiziellen gelben Taxis würden im Jahre 2020 ohne Ausnahme rollstuhlgängig.
Ausserdem sollen Uber und seine Konkurrenten ihren Beitrag an den öffentlichen Verkehr zahlen. Von jeder offiziellen Taxifahrt geht 50 Cent an das New Yorker ÖV-System.
Es ist vergebene Müh. Eine halbe Woche später macht de Blasio eine Kehrtwende und gewährt Uber grenzenloses Wachstum. Einen Tag darauf wäre es zur Abstimmung gekommen, und der Stadtrat hätte wohl für sein Gesetz gestimmt. Doch der öffentliche und politische Druck war wohl zu gross. Der Gouverneur des Staates New York, Andrew Cuomo, war einer der prominentesten Gegner des Gesetzes.
De Blasio hat einen Deal mit Uber geschlossen: Das Unternehmen darf weiterhin ungebremst wachsen, dafür stellt es der Stadt mehr Daten zur Verfügung, um die Verkehrsströme zu analysieren.
Beide Seiten zeigen sich zufrieden mit diesem Resultat. Doch nach dieser Machtdemonstration ist klar, wer der Sieger ist. Uber hat den Bürgermeister der wichtigsten Stadt der USA niedergerungen – und damit eindrücklich bewiesen, was seine Kernkompetenz ist.