Aufstände in den USA. Krieg in Gaza. Krieg in der Ukraine. Krieg im Sudan. Krieg in Myanmar. Und jetzt auch noch Krieg in Iran? In der Nacht auf Freitag hat Israel einen Grossangriff auf nukleare und militärische Ziele im Iran gestartet. In der Nacht auf Samstag fuhr Iran Gegenangriffe.
In Zeiten wie diesen ist ein gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn unabdingbar. Das sagte Bundesrat Ignazio Cassis am Freitagnachmittag vor den Medien. Der Bundesrat hatte gleichzeitig das mit der EU ausgehandelte bilaterale Vertragspaket veröffentlicht.
Auf 1889 Seiten ist das Paket zusammengefasst, das nun in die Vernehmlassung des Parlaments geht. Die Meinungen der Parteien sind jedoch bereits gemacht. Das zeigte sich am Freitag in der SRF-«Arena».
Geladen waren:
Während der Bundesrat am Freitagnachmittag vor den Medien sprach, inszenierte die SVP vor dem Bundeshaus öffentlichkeitswirksam ihren Widerstand gegen die Rahmenverträge. Schon wieder. So wie sie es in diesem Jahr unaufhörlich gemacht hat. Obwohl die Partei noch gar nicht wissen konnte, was der Bundesrat im Detail mit der EU aushandelte.
Dass diese Details nun öffentlich sind, ändert nichts an den Parolen der Partei. SVP-Nationalrat Franz Grüter sagt in der «Arena» brav auf: «Wer jetzt das Gefühl hat, ein solcher Unterwerfungsvertrag sei die Lösung für die Schweiz, irrt sich.»
Das Gegenteil sei der Fall. Das wisse er, weil er sich immerhin «fast einen Nachmittag» lang Zeit genommen habe, um den Vertrag zu lesen. Die Schweiz werde sich der EU unterwerfen müssen, habe er da herausgelesen. Mit negativen Konsequenzen für das gesamte Land. Grüter fügt an: «Die EU ist ein schwerkranker Patient, der auf der Intensivstation liegt.»
Grüter bezeichnet die EU als «Bürokratiemoloch». Und behauptet, dass ausländische Unternehmen ihm sagen würden, die Schweiz solle sich «auf keinen Fall an die EU ketten». Die Schweiz brauche keine Bilateralen, um Handel zu betreiben. Nur gute Produkte.
Da lupft es Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter den Deckel:
Sie sei Präsidentin der Handelskammern beider Basel. Sie habe hunderte Unternehmen hinter sich, die den bilateralen Weg weiterführen wollten.
Grüter will sich wehren. Aber Schneider-Schneiter ist noch nicht fertig mit ihm. Sie findet es «beeindruckend», wie die SVP einfach stetig ihr Parteiprogramm herunterbete und gleichzeitig «keine Reaktion» zeige, wenn US-Präsident Donald Trump Zölle erhebe, welche die gesamte Schweizer Wirtschaft beeinträchtige. Schneider-Schneiter:
Ebenfalls still bleibe die SVP, wenn es um den Handel mit China oder Haltung gegen Russland gehe. Schneider-Schneiters Urteil: «Sie sind so unkritisch gegenüber anderen Märkten. Nur bei der EU – die wirtschaftlich, sicherheitspolitisch und kulturell so wichtig für uns ist – sind Sie kritisch. Das verstehe ich einfach nicht.»
Diese Kritik ignoriert Grüter gekonnt. Indem er weiter über «Bürokratiemonster» und «Unterwerfung» monologisiert. Schneider-Schneiter behält ihre Engelsgeduld, um Grüter mit Fakten zu versorgen. Sie stellt klar, worum es eigentlich geht: Um ein in sich geschlossenes Abkommen, das fünf bestehende Verträge und drei neue Verträge beinhalte. Es sei nicht so, dass die Schweiz alle EU-Gesetze übernehmen müsse – so wie es die SVP immer suggeriere. Dann fügt sie an:
Doch Schneider-Schneiter spricht gegen eine Wand. Grüter hört nicht zu. Wiederholt stattdessen die immer gleichen Parolen. Gegen Ende der Sendung wirken alle im Saal erschöpft. Selbst das Publikum. Nur Grüter nicht.
Zum Schluss kommt das Lieblingsthema der SVP zur Sprache: die Personenfreizügigkeit. Der Bundesrat hat mit einer Schutzklausel eine weitere Extrawurst ausgehandelt. Diese würde es dem Bund erlauben, den freien Personenverkehr vorübergehend einzuschränken, sofern die Schweiz mit schwerwiegenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen konfrontiert wäre. Der EU wäre es allerdings vorbehalten, Ausgleichsmassnahmen bei Inkrafttreten der Schutzklausel anzuordnen.
Grüter sagt: «Die Schutzklausel ist eine Nebelpetarde!» Weiter spricht er von einer «Beruhigungspille für die Bevölkerung». Und lenkt das Thema schliesslich auf das Asylwesen.
Die anderen Gäste beginnen abermals, gegen Grüter anzureden. Nur will eine sich nicht auf diese Provokation einlassen: Grünen-Präsidentin Lisa Mazzone. Sie stellt klar:
Und hält fest: «Diese Debatte zeigt, dass die SVP im Diskurs leider schon zu einem Teil gewonnen hat.» Man müsse über Fakten sprechen. Die zugewanderten EU-Bürgerinnen und -Bürger seien zu einem grösseren Prozentsatz erwerbstätig als Schweizerinnen und Schweizer. Sie würden auch mehr in die AHV und Krankenkasse einzahlen, als sie selbst bezögen.
Indem man mit Vorschlägen wie der Schutzklausel immer wieder einen Schritt auf die SVP zu mache, mache man es der SVP einfach, die Diskussion auf Themen zu lenken, um die es beim EU-Rahmenvertrag eigentlich gar nicht gehe: Asylpolitik. «Und das beunruhigt mich», sagt Mazzone. Als sie endet, verfällt das Publikum im Studio in Applaus. Zum ersten und einzigen Mal an diesem Abend.
Den Bemühungen von Mazzone und Schneider-Schneiter zum Trotz bleibt die SVP die Gewinnerin des Abends. Denn einmal mehr hat es ein einziger SVP-Politiker geschafft, den Verlauf der gesamten Diskussion zu bestimmen.
Mich stört das schon lange in der Arena, dass man nicht mehr auf gegenseitige Fragen und Einwände eingeht.
Einfach schweigen oder sich selber eine Frage, auch zu einem komplett anderen Thema stellen und diese beantworten, das nennt sich Rhetorik.
Das beherrschte Chr. Blocher immer sehr gut, Toni Brunner und Marco Chiesa ebenso. Beide besuchten wohl denselben Rhetoriktrainer.
Nun darf man sich die Frage stellen, ja, warum argumentieren diese Herren so geschickt?
Eben, um die Wahrheit zu beugen und biegen. Um nicht zum Thema Stellung nehmen zu müssen.
Ganz in SVP Manier.