Zum Start ins neue Jahr verkündete Amazon stolz: «Einstellungsrekord in der Europäischen Union». Die Zahlen, die der Onlineshop-Riese zu vermelden hat, können sich in der Tat sehen lassen. In der EU hat das Unternehmen im vergangenen Jahr 6000 neue Stellen geschaffen – allein in Deutschland waren es 1200 Arbeitsplätze.
In der Schweiz steht Amazon in Sachen Umsatz auf Platz 2 der Onlineshops. Gemäss Zahlen von EHI/Statista hat das Unternehmen im Jahr 2013 in der Schweiz 320,4 Millionen Franken umgesetzt. Doch wie hat der hiesige Arbeitsmarkt davon profitiert?
«Leider gibt es für die Schweiz keine Zahlen. Wir agieren derzeit sprachspezifisch und decken die Schweiz und Österreich mit unseren Services aus Deutschland ab», erklärt Amazon-Pressesprecher Daniel Kälicke gegenüber watson.
Was für Amazon gilt, scheint auf die gesamte Onlineshopping-Branche zuzutreffen: Der Schweizer Markt profitiert wenig davon, dass die Menschen immer häufiger übers Internet einkaufen. «Das grosse Volumen im Schweizer Versandhandel kommt aus dem Ausland. Die Branche wächst zwar auch hier, mit wenigen Ausnahmen aber langsamer», bestätigt Patrick Kessler vom Verband des Schweizerischen Versandhandels (VSV).
Im Jahr 2013 erwirtschafteten die Schweizer Detailhändler gemäss einer aktuellen Studie der Credit Suisse 4,7 Prozent ihres Umsatzes im Onlinehandel.
Am deutlichsten macht sich der Wandel hierzulande im Bereich der Heimelektronik bemerkbar: Dort lag der Anteil des Onlinehandels am gesamten Heimelektronik-Umsatz im Jahr 2013 bereits bei 23 Prozent. Das spiegelt sich auch im Ranking der umsatzstärksten Onlineshops wider – dort landet Digitec mit 510 Millionen Franken im Jahr 2013 auf Platz 1.
Entsprechend kann sich das Unternehmen Digitec/Galaxus, genau wie Amazon, über steigende Mitarbeiterzahlen freuen – jedoch auf einem deutlich niedrigeren Niveau: Waren es im Jahr 2013 noch 414 Mitarbeiter, lag die Zahl ein Jahr später bei 470. «Angefangen hat das Unternehmen mit drei Freunden. Heute sind wir über 480 Mitarbeiter, die Tendenz ist noch immer steigend», so Pressesprecherin Stefanie Hynek.
Insgesamt scheint der Wandel zu mehr Onlineshopping dem Schweizer Arbeitsmarkt jedoch nicht gut tun. So hat der Buchhandel schwer gelitten: «Unsere Branche hat es schon viel früher durchgerüttelt, als Amazon mit dem Verkauf von Büchern gross geworden ist. Unternehmen, die Kleider oder Elektrogeräte verkaufen, befinden sich erst seit Kurzem im Sturm», erklärt Dani Landolf, Geschäftsführer des Schweizer Buchhändler- und Verlegerverbands SBVV.
Aufgrund der Digitalisierung von Büchern leidet der Buchhandel auch jetzt noch. «Aktuell arbeiten in der Deutschschweiz im Buchhandel circa 3000 Leute. Es ist aber klar eine Branche, die immer weiter schrumpft. In den letzten fünf Jahren wurden sicher 10 bis 20 Prozent der Stellen abgebaut», berichtet Bruno Schmucki von der Gewerkschaft Medien und Kommunikation Syndicom.
Auch in Zukunft wird der Onlinehandel kaum positive Auswirkungen auf den Schweizer Arbeitsmarkt haben. Zu dieser Erkenntnis gelangt die empirische Analyse der Credit Suisse: Der Anteil des Onlinehandels am Detailhandels-Gesamtumsatz wird weiter steigen – die Zahl der Beschäftigten in der gesamten Branche wird jedoch stagnieren.
Warum der Onlinehandel im Ausland Arbeitsstellen schafft und hierzulande nicht, weiss Patrick Kessler vom VSV: «Aus logistischer Sicht ist die Schweiz ein sehr teurer Standort. Deshalb haben grosse Onlineshops wie Amazon oder Zalando ihre Logistikzentren in Deutschland oder Österreich, aber nicht hier.»
Kleinere Schweizer Kleidergeschäfte wie Jeans & Co. und Jamarico mussten dem Druck der Onlineshop-Riesen bereits nachgeben: Sie haben ihre Filialen geschlossen. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen der Detailhändler liefert ein gemischtes Bild: Während Migros und Denner bei den Mitarbeitern zugelegt haben, zeigt sich bei Coop und Vögele eine gegenteilige Tendenz.
Welche Folgen die Abschaffung des Euro-Mindestkurses haben wird, kann sich jeder denken, der eins und eins zusammenzählen kann: Bei einem Euro-Kurs von rund einem Franken statt 1.20 Franken wird das Shoppen im Ausland gleich noch attraktiver. Der Schweizer Detailhandel gehört eindeutig zu den Verlierern des SNB-Entscheids.