Plakate in Apotheken werben etwa für Gentests, die bei der Gewichtskontrolle helfen sollen – aber auch Gentests, die das Risiko für Bluthochdruck, Übergewicht oder Krebs abschätzen, sind erhältlich. «Diese Gentests sind in etwa so aussagekräftig wie ein Horoskop», ärgert sich Andreas Huber, Chefarzt und Leiter der Labormedizin am Kantonsspital Aarau (KSA).
Dank technischen Errungenschaften könne das Genom heute recht kostengünstig in sehr kurzer Zeit analysiert werden, schrieben die Labormediziner Andreas Huber und Martin Risch unlängst in der «Schweizerischen Ärztezeitung». Die Zahl neuer Firmen oder Niederlassungen ausländischer Labors in der Schweiz in diesem Bereich «sei auffällig».
Mit einem Gentest allein könne man über solche Gesundheitsfaktoren, die durch mehrere Gene sowie das Verhalten beeinflusst seien, keine vernünftige Aussage machen. Umgekehrt können aber auch Erbgutdaten, die «nur» nach einer Tendenz für Haarausfall oder Übergewicht suchen, medizinisch relevante Informationen zu Tage fördern, erklärt Huber auf Anfrage der Nachrichtenagentur SDA.
Bei DNA-Tests sei deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass es sich um medizinische Tests handle, sagt Huber. «Falls nicht, sollte die Beweislast beim Anbieter solcher Test liegen.» Er sieht sich vom Urteil der US-Gesundheitsbehörde FDA bestätigt, die der Firma «23andMe» verbot, ihre Gentests weiterhin frei anzubieten, da krankheitsrelevante und nicht nur Lifestyle-Aspekte ausgewertet würden.
Hubers Fazit: «Diese Tests sollten nur durch Ärzte abgegeben werden, nicht über Apotheken oder das Internet.» Wie ist die Rechtslage? Medizinische Gentests sind dem Gesetz für genetische Untersuchungen am Menschen (GUMG) unterworfen und streng reguliert. Sie dürfen nur von Ärztinnen und Ärzten veranlasst werden.
Der Verkauf von Lifestyle-Gentests ist laut Bundesamt für Gesundheit (BAG) vom GUMG indes nicht geregelt – sofern keine medizinisch relevanten Aussagen gemacht werden, wie das Amt in einem Merkblatt schreibt.
Für «bedenklich und gar kriminell» halten es Huber und Risch, wenn etwa Merkmale eines Ungeborenen mit Gentests am mütterlichen Blutplasma bestimmt werden sollen. An Urteilsunfähigen sind genetische Untersuchungen laut BAG nicht zulässig. Doch bieten immer wieder Firmen – auch in der Schweiz tätige – Gentests für Neugeborene an.
Die Anbieter der Gentests betonen, dass diese Präventionsarbeit leisteten, was die Gesundheitskosten senke. «Wenn wir noch vor den ersten Symptomen von einer genetischen Veranlagung zu bestimmten Krankheiten wissen, können wir unseren Lebensstil anpassen, Risikofaktoren meiden und so die Entwicklung der Erkrankung möglicherweise verhindern», heisst es auf der Webseite eines Anbieters, dessen Tests auch in der Schweiz erhältlich sind.
Doch für Huber und Risch können die Testresultate dem Anwender auch Schaden bringen – etwa wenn ein negatives Testresultat eine Person, die tatsächlich ein erhöhtes Risiko für eine bestimmte Krankheit hat, in falscher Sicherheit wiegt. Sie sehen aber auch Probleme mit dem Datenschutz und damit, dass Gendaten Firmenbesitz und damit der öffentlichen Forschung entzogen sind.
Die Bevölkerung müsse über diese Gefahren immer wieder aufgeklärt werden, fordern die Mediziner deshalb. Ausserdem sehen sie einen Bedarf für gesetzliche Massnahmen: «Wir hätten lieber die gleichen hohen gesetzlichen Anforderungen für alle DNA-Tests», sagt Huber.
Auch die nationalrätliche Wissenschaftskommission sieht Lücken bei der rechtlichen Regelung insbesondere der nicht-medizinischen Gentests. Deshalb beauftragte sie 2012 den Bundesrat mit einer Motion, das GUMG auf allfällige Mängel zu untersuchen. Über die Chancen und Risiken der Gendiagnostik diskutieren Experten am Dienstag anlässlich einer Tagung der Schweizerischen Union für Labormedizin in Bern. (whr/sda)