1 / 17
Schiesserei in Altstätten SG
In dieser Lagerhalle in Altstätten SG kam es am frühen Montagmorgen zu einer Schiesserei. Zwei Männer wurden lebensgefährlich verletzt. Bild: watson
quelle: watson
Nach Schüssen in Hanfplantage von Altstätten (SG)
Nach den Schüssen in einer riesigen Hanfplantage in Altstätten (SG) zeigt sich: Die Pflanzungen werden grösser, die Betreiber professioneller, die Auseinandersetzungen gewalttätiger.
17.02.2015, 06:5825.02.2015, 13:21
daria wild, rafaela roth, altstätten sg
Das 12’000-Seelen-Städtchen Altstätten liegt idyllisch zwischen Rhein und Rundenwald an der Grenze zu Appenzell-Innerrhoden, dünner Nebel zieht sich zwischen die sanften Hügel, ein leichter Gülle-Geruch liegt über dem Ort. Die Bewohner freuen sich auf die Fasnacht, viel passiert nicht in Altstätten.
Bis gestern Morgen: In einer Lagerhalle eines Industriekomplexes am Ortsrand schiessen ein 48-Jähriger und ein 56-Jähriger zwei Männer nieder, die beiden Opfer erleiden lebensgefährliche Verletzungen. Am Tatort findet die Polizei eine Indoor-Hanfanlage mit mehreren tausend Pflanzen. Ein Augenschein vor Ort zeigt, dass die Betreiber innerhalb der Halle eine zweite Halle gemauert, die Hanf-Pflanzung nach aussen hermetisch abgeriegelt haben.
Tatverdächtiger alarmierte Polizei
Nach der Schiesserei in einer Industriehalle in Altstätten SG wird die Staatsanwaltschaft für die beiden Tatverdächtigen Untersuchungshaft beantragen. Eines der beiden Opfer befindet sich immer noch in sehr kritischem Zustand.
Dies sagte Polizeisprecher Gian Andrea Rezzoli am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Er bestätigte Medienberichte, wonach einer der Tatverdächtigen die Polizei alarmierte. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. «Es ist ein grosses Puzzle, das wir Stück für Stück zusammensetzen müssen.» Eine Waffe sei bislang nicht gefunden worden, so Rezzoli. (whr/sda)
Ein Eldorado für Grower
Noch will die Kantonspolizei St. Gallen nicht bestätigen, dass die Schiesserei in Zusammenhang mit der Hanfanlage stand, aber die Umstände deuten auf eine Strafaktion im Drogenmilieu hin. Was Szenekenner aufhorchen lässt, ist, dass Schusswaffen im Spiel waren. Das sind Mittel und eine Intensität der Gewalt, die bei Revierkämpfen von Händlern harter Drogen wie Kokain oder Heroin üblich, im Schweizer Hanfmilieu aber neu sind.
Dass die rohe Gewalt rund um Hanfanlagen in der Ostschweiz Einzug hält, ist nicht nur Zufall. In den letzten Jahren hat sich dort ein eigentliches Eldorado für Grower gebildet. Auch für professionelle Banden von Marihuana-Züchtern. Alleine im Jahr 2014 hob die St. Galler Kantonspolizei 70 Indoor-Hanfplantagen aus. Das sind mehr als drei Mal so viele wie in den jeweils beiden Jahren zuvor. Und: In vier der Anlagen wuchsen mehr als 1000 Pflanzen.
«Die Anlage war nicht nur durch zusätzliche Mauern gesichert, sie verfügte auch über ein Kameraüberwachungssystem und Wächter, die die Halle mit Hunden sicherten.»
Anwohner der Hanfplantage in Altstätten (SG)
Plantagen von solcher Grösse können nicht im Nebenamt betrieben werden, sondern werden von Profis betreut und bewacht. So auch diejenige, die in der Nacht auf Montag Schauplatz der Schiesserei wurden. «Die Anlage war nicht nur durch zusätzliche Mauern gesichert, sie verfügte auch über ein Kameraüberwachungssystem und Wächter, die die Halle mit Hunden sicherten», sagt ein Nachbar, der anonym bleiben will.
Grösste Plantage macht 10 Millionen pro Jahr
Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt von St. Gallen, erstaunt das nicht. «Der Hanfhandel hat sich in den letzten Jahren professionalisiert. Die Plantagen werden grösser, die Player auch», sagt Hansjakob. Die Hanf-Grower handeln nach ökonomischer Logik und riskieren bei hohen Verdienstmöglichkeiten wenig. «Das Geschäft mit dem Hanf ist hochprofitabel. Die Preise sind hoch und das Risiko gering, da das Strafmass milder als bei anderen Drogen ausfällt», sagt Hansjakob.
Wieviel Geld mit dem grünen Kraut zu machen ist, rechnet Olivier Guéniat, Kriminologe und Chef der Neuenburger Kriminalpolizei vor. «Neueste Untersuchungen gehen von einer Viertelmillion Konsumenten aus, die wöchentlich etwa 10 Gramm Marihuana à 8 Franken das Gramm konsumieren», sagt Guéniat. Oder in Schweizer Franken: «20 Millionen pro Woche und 1 Milliarde Franken im Jahr.» 80 Prozent des hierzulande angebauten Marihuanas wird laut Guéniat auch in der Schweiz konsumiert.
«Der Hanfhandel hat sich in den letzten Jahren professionalisiert. Die Plantagen werden grösser, die Player auch.»
Thomas Hansjakob, Erster Staatsanwalt des Kantons St. Gallen
Organisationen, die mehrere grosse Hanfplantagen betreiben, können von diesem Kuchen ein rechtes Stück abschneiden. Profis können alle drei Monate ab einer einzelnen Hanfplanze bis zu 40 Gramm konsumationsfertiges Cannabis ernten. Bei einer Plantage mit 10’000 Pflanzen, wie sie die Zürcher Kantonspolizei Anfang Februar in Bülach ausgehoben hat, macht das alle drei Monate 400 Kilo erntereifen Stoff, der ab Plantage pro Kilo für 6000 Franken an die Zwischenhändler geht. Der Umsatz einer solchen Plantage geht bei idealen Erntemengen also in Richtung 10 Millionen Franken pro Jahr.
Wasserschäden, Feuer, Hanfgeruch
Für gewöhnlich fliegen auch professionell betriebene Hanfplantagen dieser Grösse irgendwann zufällig auf, weil die Kohlefilteranlagen versagen, die die Abluft vom typischen Marihuana-Duft reinigen, weil irgendwo ein Brand ausbricht oder weil die Bewässerungsanlage einen Wasserschaden mit anschliessendem Feuerwehreinsatz verursacht. Solange das nicht passiert, können die Plantagen jedoch lange unentdeckt bleiben.
So nahmen auch die direkten Nachbarn der Plantage in Altstätten SG nicht wahr, was sich seit einiger Zeit in ihrer Strasse abgespielt hat und konzentrieren sich auch jetzt lieber auf die Fasnacht, statt auf den Zwischenfall an der Alten Landstrasse.
So wenig man über die Rolle der Schützen und der Opfer der Schiesserei bei der Plantage von Altstätten weiss – eines ist sicher: Die Besitzer würden sich wünschen, die Polizei wäre auf andere Art auf ihre Pflanzung aufmerksam geworden.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Audi ruft weltweit mehr als 600'000 Autos wegen Problemen mit der Abgasrückführung und unzulässigen Abschalteinrichtungen zurück. Betroffen sind Modelle wie A4, A6 und Q7.
Audi ruft weltweit mehr als 600'000 Autos zurück. Grund dafür sind Mängel am Abgasrückführungssystem (AGR) und unerlaubte Abschalteinrichtungen. Betroffen sind etliche Modelle wie A4, A6 und Q7, die nun umfassend nachgebessert werden müssen.