Wirtschaft
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SGB verlangt vollen Teuerungsausgleich und Reallohnerhöhungen

SGB verlangt vollen Teuerungsausgleich – und keine Löhne mehr unter 4500 Franken

15.11.2022, 10:34
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Die Mehrzahl der rund 1800 Paketboten der Schweizerischen Post erhält dank einer Optimierung des neuen Arbeitszeitsystems "mytime" rückwirkend mehr Lohn. (Archivbild)
Unter 4500 Franken soll in der Schweiz niemand mehr verdienen.Bild: KEYSTONE

Den vollen Teuerungsausgleich und Reallohnerhöhungen braucht es nach Ansicht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) um Kaufkraft-Verluste von Arbeitnehmenden einzudämmen. In der Schweiz sollte es laut SGB keine Löhne unter 4500 Franken mehr geben.

Hohe Teuerung, steigende Energiekosten und hohe Krankenkassenprämien würden Arbeitnehmenden bei stagnierenden Löhnen immer weniger zum Leben lassen, stellte der SGB am Dienstag vor den Medien fest. Das Problem sei nicht neu, aber die finanzielle Situation von Menschen mit tieferen und mittleren Einkommen sei zunehmend angespannt.

Der Tieflohnsektor in der Schweiz wachse. Rund 500'000 Berufstätige erhalten laut SGB-Chefökonom Daniel Lampart derzeit bei Vollzeit einen Lohn von weniger als 4500 Franken im Monat. Ein Viertel aller Berufstätigen mit einer Lehre verdienten weniger als 5000 Franken. Real seien die Löhne etwa bei Bäckerinnen und Bäckern oder beim Verkaufspersonal zwischen 2016 und 2020 gesunken.

Beschäftigte mit Lehrabschluss sollten aber mindestens 5000 Franken verdienen. Mit 5000 Franken Lohn sei es heute kaum mehr möglich eine Familie zu haben. Die Geschäftslage der Firmen sei gut bis sehr gut und Lohnerhöhungen für die Arbeitnehmenden überfällig, erklärte Lampart.

Daniel Lampart, Chefoekonom und Sekretariatsleiter SGB, rechts, spricht an der Seite von Pierre Yves Maillard, Praesident vom Schweizerischer Gewerkschaftsbund, SGB, Mitte, und Vania Alleva, Vize-Prae ...
Vania Alleva, Pierre-Yves Maillard und Daniel Lampart (v.l.n.r.)Bild: keystone

SGB-Präsident Pierre-Yves Maillard, erklärte vor den Medien, die von den Gewerkschaften formulierten diesjährigen Lohnforderungen von 4 bis 5 Prozent, das heisst vollen Teuerungsausgleich und Reallohnerhöhungen, seien stark, aber gerechtfertigt. Der Wert der Arbeit müsse in der Schweiz wieder angemessen anerkannt werden.

Laufende Lohnrunde

In einigen Branchen hätten die Gewerkschaften in der aktuellen Lohnrunde den vollen Teuerungsausgleich und reale Verbesserungen bereits ausgehandelt, sagte Unia-Präsidentin Vania Alleva. Beispiele dafür seien das Gastgewerbe, die Reinigungsbranche in der Deutschschweiz sowie die Uhrenindustrie.

Andere Arbeitgeber wollten sich trotz gutem Geschäftsgang aus der Verantwortung stehlen, so Alleva. Sogar in gewissen Betrieben, wo im Gesamtarbeitsvertrag der volle Teuerungsausgleich verankert sei, versuchten Arbeitgeber diesen zu verwehren.

Für Normalverdiener-Familien hat sich laut dem Gewerkschaftsbund die Kaufkraft-Krise über Jahre hinweg aufgebaut und spitzt sich jetzt rasch zu. In den Jahren 2000 bis 2020 habe die Steuer- und Abgabenpolitik hohe Einkommen begünstigt. Bei den unteren und mittleren Einkommen habe die Politik hingegen weg geschaut.

Lohnfortschritte seien durch eine ungerechte Steuer- und Abgabenpolitik zu einem grossen Teil zunichte gemacht worden, kritisiert der SGB. Ein Beispiel sei der Wegfall des Solidaritätsprinzips bei der Arbeitslosenversicherung auf Löhnen über 148'200 Franken. Diese Lohnempfänger zahlten so unter dem Stich weniger Sozialversicherungsbeiträge.

Arbeitgeberverband will keine Mindestlöhne

Ein voller Teuerungsausgleich ist laut dem Schweizerischen Arbeitgeberverband trotz sehr guter Auftragslage nicht in allen Branchen möglich. Realistisch ist laut dessen Chefökonom Simon Wey aufgrund der grossen Herausforderungen vor denen Firmen derzeit stünden, eine durchschnittliche Lohnerhöhung von 2.2 Prozent.

Bei 2.2 Prozent müssten sich die Firmen aufgrund des Fachkräftemangels, Lieferengpässen bei Vorprodukten und der Unsicherheit angesichts einer möglichen Energiemangellage immer noch nach der Decke strecken, sagte Wey auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Forderung der Gewerkschaften seien illusorisch. Das sei von den Margen her nicht möglich.

Als nicht zielführend bezeichnete er die gewerkschaftliche Forderung nach Mindestlöhnen von 4500 Franken respektive 5000 Franken nach einem Lehrabschluss. Der Arbeitgeberverband sei grundsätzlich gegen Mindestlöhne. Der Markt werde selbst dazu beitragen, dass Lehrabgängerinnen und Lehrabgänger diesen Lohn bekommen würden. Firmen würden sich ja schon heute um Lehrabgänger reissen. (aeg/sda)

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54 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Timiböög
15.11.2022 10:48registriert November 2016
5000 Franken mit Lehrabschluss sei zuviel? Sollen die doch mal einige Monate mit diesem Einkommen leben.
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Ichsagstrotzdem
15.11.2022 10:57registriert Juni 2016
Aktuell sind die Arbeitnehmenden am längeren Hebel. Das sollte nicht unausgenutzt bleiben. Im umgekehrten Fall genieren sich die Arbeitgeber jeweils überhaupt nicht, Löhne zu drücken.
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Silphium
15.11.2022 11:37registriert Oktober 2018
Bei uns gibt es eine Nullrunde, wie jedes Jahr. Mir solls egal sein, da ich nun genügend Wut im Bauch habe, um meine Komfortzone zu verlassen. Ich habe bereits erste Gespräche bezüglich Praktikum mit anschliessender Weiterbildung geführt, die Resonanz war überraschend positiv, daher werde ich dem Verkaufs-Tieflohnsektor bald Byebye sagen.
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