Steine ableckende Wissenschaftler, gezählte Nasenhaare und methodisch untersuchte Langeweile: Wissenschaftliche Studien, die «erst zum Lachen und dann zum Denken anregen» sollen, sind in den USA mit «Ig-Nobelpreisen» ausgezeichnet worden (gesprochen «ignoble», was übersetzt etwa unehrenhaft heisst). Die traditionell skurrile Gala wurde in der Nacht zum Freitag bereits zum vierten Mal im Folge im Rahmen einer Online-Veranstaltung abgehalten. Die zum 33. Mal verliehenen undotierten Spasspreise sollen nach Angaben der Veranstalter «das Ungewöhnliche feiern und das Fantasievolle ehren».
So erhielten beispielsweise Forscher aus Polen und den USA den Preis in der Kategorie «Chemie und Geologie» für ihre Erforschung der Frage, warum viele Wissenschaftler gerne Steine ablecken. Es bereite ihm grosse Freude, den Preis für so eine «fundamentale Sache» zu bekommen, sagte Forscher Jan Zalasiewicz. «Geologen machen das die ganze Zeit, weil etwas, das nicht ganz klar ist, deutlich klarer wird, wenn die Oberfläche nass ist.»
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus den USA, Kanada, dem Iran und Vietnam erhielten eine der zehn Auszeichnungen für die Nutzung von Leichen zur Erforschung der Frage, ob ein Mensch die gleiche Anzahl von Haaren in beiden Nasenlöchern hat. Sie hätten an rund 20 Leichen geforscht und pro Nasenloch etwa 110 bis 120 Haare gefunden, teilten die Forscher in ihrer Dankesrede mit.
Forscher und Forscherinnen aus China, Kanada, Grossbritannien, den Niederlanden, Irland, den USA und Japan erhielten einen Preis in der Kategorie «Bildung» für ihre methodische Untersuchung der Langeweile bei Lehrern und Schülern. Unter anderem sei es wahrscheinlicher, dass Schüler im Unterricht gelangweilt seien, wenn sie das schon im Vorfeld erwarteten, sagte das Forscherteam in seiner Dankesrede. Ausserdem seien Schüler mit einer höheren Wahrscheinlichkeit im Unterricht gelangweilt, wenn sie den Eindruck hätten, dass der Lehrer oder die Lehrerin gelangweilt sei.
Kollegen und Kolleginnen aus Frankreich, Grossbritannien, Malaysia und Finnland bekamen eine Auszeichnung für ihre Untersuchung der Empfindungen von Menschen, wenn sie ein Wort viele Male wiederholen.
Forscher aus den USA erhielten einen Preis für Experimente auf den Strassen einer Stadt, bei denen sie herausfinden wollten, wie viele Passanten anhalten und nach oben schauen, wenn sie fremde Menschen nach oben schauen sehen.
Ein südkoreanisch-amerikanischer Forscher erfand die sogenannte Stanford-Toilette – ein Klo, das mittels verschiedener Hilfsmittel die von Menschen ausgeschiedenen Substanzen analysiert. «Verschwendet eure Ausscheidungen nicht», sagte Forscher Seung Min Park bei seiner kurzen Dankesrede zur Preisvergabe.
Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Indien, China, Malaysia und den USA belebten tote Spinnen wieder, um sie als mechanische Greifwerkzeuge zu benutzen – und wurden dafür ebenfalls ausgezeichnet.
Ein Team von Forschern und Forscherinnen aus Argentinien, Spanien, Kolumbien, Chile, China und den USA wurde geehrt für die Erforschung der Gehirnaktivität von Menschen, die Experten im Rückwärtssprechen sind. «Danke für diesen spassigen Preis, wir freuen uns, ihn anzunehmen», sagten die Wissenschaftlerin María José Torres-Prioris und ihr Kollege Adolfo García - vorwärts und rückwärts.
Geehrt wurden zudem ein Forscher und eine Forscherin aus Japan für ihre Experimente zu der Frage, ob elektrische Essstäbchen und Strohhalme den Geschmack von Nahrungsmitteln verändern können.
Ausserdem ging ein Preis an Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus Spanien, der Schweiz, Frankreich und Grossbritannien für die Erforschung der Frage, inwiefern sich die sexuelle Aktivität von Sardellen im Meereswasser niederschlägt.
Vor der Corona-Pandemie war die Gala – an der auch echte Nobelpreisträger teilnehmen, darunter in diesem Jahr der deutsche Physiker Wolfgang Ketterle – alljährlich von mehr als 1000 Zuschauern in einem Theater der Elite-Universität Harvard verfolgt worden. Aber auch bei der rund anderthalbstündigen Online-Preisverleihung, die diesmal unter dem Oberthema «Wasser» stand, flogen Papierflieger, gab es Sketche, bizarre Kurz-Musikstücke und noch viel mehr skurrilen Klamauk – beendet von den traditionellen Abschlussworten des Moderators Marc Abrahams, Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift zu kurioser Forschung: «Wenn Sie dieses Jahr keinen Ig-Nobelpreis gewonnen haben, und besonders dann, wenn Sie einen gewonnen haben: mehr Glück im nächsten Jahr!» (sda/dpa)