Es begann mit Rico: Der Border Collie bewies 1999 in der Fernsehsendung «Wetten, dass...?», dass er 77 Wörter den jeweiligen Spielzeugen zuordnen konnte. Später lernte er noch über 120 Objektnamen dazu. Beim Wörterlernen erreichte er sogar eine Geschwindigkeit, die man nur von Kleinkindern kannte.
Neugierig geworden, erkundete fortan ein Forscherteam des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig an Hunden statt an Menschenaffen, welche Grundfähigkeiten nötig sind, um die menschliche Kommunikation zu verstehen. Unsere nächsten Verwandten können zwar auch lernen, menschliche Wörter mit Objekten zu verknüpfen, brauchen aber viel länger dafür als etwa Rico.
«Da ist während der Domestikation des Hundes etwas passiert», erklärt Teammitglied Sebastian Tempelmann, der an der Pädagogischen Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) lehrt, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Der Mensch habe vermutlich besonders kooperative oder zahme Hunde selektioniert, die für menschliche Kommunikation empfänglich waren. Schon ein sechs Wochen alter Welpe folge Zeigegesten von Menschen – etwas, was Menschenaffen und Wölfe nur nach langem Training lernten, erklärt Tempelmann.
In einer Studie mit fünf Hunden fand das Forscherteam heraus, dass manche Hunde sogar Symbole erkennen können. Diese Fähigkeit gilt als Grundstein des abstrakten Denkens und somit als Grundbedingung für Sprache. Mit dabei war die Border-Collie-Hündin Betsy, die sogar 300 Objekte beim Namen kannte.
Ihre Besitzerin konnte ihr das Bild oder die Miniatur eines Objekts zeigen, beispielsweise einen Frisbee, und sagen: «Brings her.» Das Tier holte jeweils verlässlich das verlangte Ding aus einem anderen Zimmer. Damit erreichte Betsy eine Abstraktionsfähigkeit, die jener des Menschen erstaunlich nahekommt.
In einem weiteren Versuch haben Tempelmann und seine Kollegen jüngst eine Fähigkeit getestet, die laut dem Psychologen «noch bei keinem nicht menschlichen Wesen festgestellt werden konnte»: Ob Hunde allein mit Hilfe von Hinweisen – wie Zeigegesten – Wörter Dingen zuordnen können, die nicht unmittelbar sichtbar sind. Falls die Hunde durch blosse Konditionierung lernen, also das simple «Eintrichtern» des Namens gegen Belohnung, funktioniert das nicht.
Mit den gleichen Versuchen wurde zuvor das Sprachlernen von Kindern erforscht. Die Forscher versteckten vier Hunden – darunter Betsy und zwei Schweizer Artgenossen – unbekannte Spielzeuge. Dann deuteten sie auf das Versteck und nannten einen Namen. Die Hunde sahen den Gegenstand vor oder nach dem Verstecken, aber nicht während der Benennung. Später wurde überprüft, ob der Hund den Namen dem Spielzeug zuordnete.
Der Versuch stellte sich als äusserst schwierig für die Hunde heraus. Aber immerhin einer der vier – Paddy – schien eine gewisse Fähigkeit zu solchem Wortlernen zu haben, wie die Forscher unlängst im Fachjournal «PLOS ONE» berichteten.
Tempelmann vermutet, dass zumindest manche Hunde diese Art des Wörterlernens im Prinzip bewältigen könnten – alle Hunde waren Border Collies, die speziell auf verbale Kooperation mit dem Menschen geübt wurden. Doch die für Kleinkinder entwickelten Versuche seien einfach zu kompliziert für sie. Weitere Studien mit mehr Hunden und einfacheren Methoden sollten diese Fähigkeiten eigentlich aufzeigen können, meint er.
Trotzdem zeigen die Resultate nach Ansicht des Psychologen, dass zumindest hier die Grenze zwischen Mensch und Tier nicht gezogen werden kann: «Es wurde als rein menschliche Fähigkeit angesehen, Wörter für Dinge zu lernen, die man nicht unmittelbar sieht. Wir haben nun erste wissenschaftliche Indizien dafür, dass Hunde da wesentlich flexibler sind», erklärte er. (dhr/sda)