In der Schweiz leben rund 16,6 Millionen Nutztiere. Die Bestände von Rindern, Pferden, Schafen, Ziegen, Schweinen und Geflügel haben sich seit 1985 komplett unterschiedlich entwickelt.
Was auffällt: Die Geflügel-Population hat sich in den vergangenen 40 Jahren mehr als verdoppelt. Sie macht auch rund 80 Prozent des gesamten jährlichen Nutztierbestandes der Schweiz aus. Wie kam es dazu? Und wo leben sie? Mehr dazu gibt es ab Punkt vier.
Bevor wir zum Geflügel kommen, schauen wir uns zunächst an, in welchen Gemeinden wie viele Tiere leben.
Je dunkler das Magenta bei einer Gemeinde, desto grösser die Zahl an gemeldeten Tieren. Und je grösser die Zahl, desto wahrscheinlicher, dass eine Geflügelfarm ansässig ist, denn diese erreichen viel höhere Bestände als andere Nutztiere. In Gemeinden mit über 40'000 gemeldeten Nutztieren drückt in allen Fällen eine grosse Geflügelzucht die Zahl in die Höhe. In der Zusammenfassung sieht das wie folgt aus:
Am meisten Nutztiere sind also im luzernerischen Beromünster gemeldet. Die Gemeinde hat gerade einmal 6500 Einwohner – aber fast 150'000 Nutztiere. Wobei es sich bei rund 115'000 davon um Geflügel handelt. Ganz in der Nähe – in Zell LU – steht ein grosser Schlachthof. Dass sich die Geflügel-Hochburgen ansonsten rund um das freiburgische Courtepin ballen, ist ebenfalls kein Zufall: Dort steht mit dem Geflügelschlachthof der Micarna einer der grössten der Schweiz (mehr dazu unten). Die Migros plant allerdings in Saint-Aubin FR einen neuen Megaschlachthof zu bauen. Das Vorhaben steht jedoch unter starker Kritik.
Es gibt allerdings auch Gemeinden, die gar keine Nutztiere gemeldet haben. Werfen wir zunächst einen Blick auf diese:
Meist handelt es sich bei den Gemeinden ohne Nutztiere um flächenmässig kleine, aber dicht besiedelte Gebiete. So zum Beispiel in Rorschach, der flächenmässig kleinsten Gemeinde des Kantons St.Gallen. Der Grund dafür ist klar: Es ist alles fast bis auf den letzten Quadratmeter überbaut. Die Grünflächen beschränken sich vorwiegend auf einige Parks dem See entlang. Für die Landwirtschaft fehlt schlicht der Platz.
Ähnlich sieht es in Oberengstringen an der Limmat aus. Die Gemeinde ist eine der flächenmässig kleinsten, dafür in Sachen Einwohnerdichte weit oben platziert im Kanton Zürich. Früher gab es noch einige Blumenfelder. Der letzte (kleine) Bauernhof gab vor rund zehn Jahren seinen Betrieb auf.
Zu beachten gilt es hier: Die in der Statistik erfassten Tiere sind in landwirtschaftlichen Betrieben gemeldet. Es kann jedoch sein, dass Privatpersonen einige Tiere bei sich im Garten oder auf einem grösseren Grundstück halten.
Schauen wir nun etwas genauer auf die Geflügel-Population in der Schweiz. Alleine seit 2017 nahm ihr Bestand um fast zwei Millionen Tiere zu. So verteilen sie sich:
Wie oben bereits erwähnt, ist die Ballung rund um Courtepin FR logisch. Düdingen – mit über 100'000 Geflügeln die Gemeinde mit der vierthöchsten Anzahl Federvieh – ist einer dieser Orte. Es gibt dort diverse grössere Hallen für Geflügel. Einige davon bieten 8000 oder 12'000 Tieren Platz, eine sogar rund 18'000.
Diese Konzentration auf ein Gebiet ergibt durchaus Sinn. Je näher die Mastbetriebe bei einem Schlachthof stehen, desto kürzer werden die Transportwege, was ökonomisch sinnvoll ist und dem Tierwohl ebenso hilft.
Da die Nachfrage nach Pouletfleisch weiter wächst, dürfte diese Region auch in den nächsten Jahren noch an Geflügel-Beständen zulegen und sich so endgültig zum Geflügel-Hotspot ausdehnen. Zwei weitere Geflügel-Hotspots gibt's im Kanton Luzern und der Ostschweiz. Was diese sicher ebenfalls begünstigt, ist der Trend zu «Aus der Region, für die Region».
Saillon im Wallis tanzt hier etwas aus der Reihe. Es handelt sich nicht um einen klassischen Mastbetrieb. Im Gegenteil: Dort leben die Muttertiere für die Küken, welche dann in Micarna-Betrieben aufgezogen werden.
Wie aber kam es zu dieser massiven Zunahme beim Geflügel? Die zwei Hauptgründe sind: Die Nachfrage ist gestiegen und der Inland-Marktanteil hat massiv zugelegt.
Die Steigerung der Nachfrage setzt sich dabei aus verschiedenen Faktoren zusammen. Zum einen wuchs schlicht die Bevölkerung und damit die Zahl potenzieller Kunden, zum anderen wird allgemein mehr Poulet gegessen, weil das Fleisch als gesünder gilt (was nicht unbedingt zutrifft), und letztlich spielt auch der Preis eine Rolle.
Auch bei der Branchenorganisation der Schweizer Fleischwirtschaft Proviande nennt man die gleichen Gründe. Regula Kennel, Leiterin Unternehmensentwicklung, ergänzt: «Der zunehmende Anteil der Bevölkerung, welcher kein Schweinefleisch isst, bewirkt, dass an Schulen, in Mensen oder überall dort, wo grosse Gruppen zusammenkommen, anstelle von Schweinefleisch Geflügel angeboten wird.»
Ein wichtiger Grund sind aber auch gesetzliche Entwicklungen für die Haltung von Legehennen oder Masttieren. 1981 trat in der Schweiz ein Tierschutzgesetz in Kraft, das Batteriehaltung verbot. Nach einer zehnjährigen Übergangsfrist gibt es in der Schweiz seit 1991 keine Batteriehaltungen mehr. In anderen Ländern treten erst jetzt ähnliche Gesetze in Kraft.
Auch bei der Produktion von Poulet ist das Tierwohl in der Schweiz deutlich höher gewichtet als im Ausland, so zum Beispiel mit dem ganzjährigen Zugang zu einem Aussenklimabereich.
Die Entwicklung beim Geflügel ist mit Abstand die auffälligste. Ob es auch bei Rindern, Schweinen, Pferden und Schafen/Ziegen regionale Hotspots gibt oder diese sich ausgeglichener verteilen, zeigen die folgenden Grafiken.
Eine Hotspot-Region wie beim Geflügel gibt es bei den Rindern nicht. Das wird auch in Zukunft wohl so bleiben.
Der Hotspot für Schweinehalter ist im Kanton Luzern. Dieser ist allerdings im Gegensatz zum Geflügel historisch gewachsen und hängt nicht mit einem grossen Schlachtbetrieb in der Nähe zusammen.
Mit rund 80'000 Exemplaren besetzen Pferde bei den Nutztieren schon fast eine Nische. Einen kleinen Hotspot bilden – historisch gewachsen – die Freiberge im Jura. Hier siehst du, wie es in deiner Gemeinde steht:
Ähnlich wie bei den Pferden ist auch die Verteilung der Schafe und Ziegen wenig überraschend. Der Hotspot wird auch in Zukunft in den bergigeren Gebieten bleiben.