Low Carb, Intervallfasten oder Weight Watchers: Im Januar haben Diäten Hochsaison. Muss man nach dem üppigen Essen zum Jahreswechsel wirklich abspecken? Die Psychologin Barbara Widmer verneint: «Nach den Feiertagen reicht es, wenn wir wieder zu unserem gewohnten Essverhalten zurückkehren.» Auch wenn man ein paar Tage lang etwas mehr esse, damit könne unser Körper umgehen und das Gewicht werde sich im gewohnten Bereich einpendeln.
«Diäten sind selten sinnvoll», sagt Widmer. Diverse Studien zeigten, dass die meisten Personen, die sich für eine Diät entscheiden, nach einiger Zeit das Ausgangsgewicht wieder erreichen – selbst bei einer erfolgreichen Gewichtsabnahme. Der sogenannte Jojo-Effekt kommt zu tragen. Die meisten sind laut Widmer sogar zwei bis drei Kilo schwerer als vor dem Start der Diät.
Eine Erklärung für diesen Jojo-Effekt ist die Set-Point-Theorie. Sie besagt, dass jeder Körper ein Wohlfühlgewicht hat, das man nicht selbst wählt. Bei diesem Gewicht funktioniert der Körper am besten und er setzt alles daran, immer wieder dahin zurückzukehren. Wenn aber das Gewicht durch eine Diät manipuliert wird, verändert sich der Set-Point nach oben, um bei einer nächsten Hungersnot etwas mehr Reserve zu haben.
Der Übergang zu einer diagnostisch relevanten Essstörung sei fliessend und weitgehend davon abhängig, wie fest die Themen Essen, Gewicht und Körper in den Fokus rücken. Laut Barbara Widmer bestehe aber die Gefahr, dass eine Diät ein Startpunkt dafür ist, eine Essstörung zu entwickeln. Sie sagt:
Und weiter: «Wenn wir unserem Körper zu wenig Nahrung geben, fängt unser Gehirn an, sich mehr mit dem Thema Essen zu beschäftigen.» Weil man aber gerade nicht essen will, könne das relativ rasch eine Eigendynamik entwickeln, aus der man so leicht nicht mehr herausfindet.
Man entwickelt Ängste vor «verbotenen» oder «ungesunden» Nahrungsmitteln oder hat das Gefühl, sich das Essen durch Sporttreiben und Kalorien verbrennen verdienen zu müssen. Hält man sich nicht an das, was man sich vorgenommen hat, fühlt man sich minderwertig.
Widmer weist aber auch darauf hin, dass Essstörungen sehr schwerwiegende psychische Erkrankungen sind, die mit schweren körperlichen Folgeschäden einhergehen können. Das Risiko weitere psychische Erkrankungen wie Depression, Angststörungen oder Zwänge zu entwickeln, ist dabei erhöht.
Wenn man den Wunsch verspürt, abnehmen zu wollen, ist es laut Barbara Widmer wichtig, sich zu fragen, was man sich davon erhofft und weshalb jetzt eine Gewichtsabnahme erstrebenswert ist. Tatsächlich verändert sich auch mit weniger Gewicht nicht viel im Leben der meisten Personen.
«Möglicherweise ist für das Unwohlsein im eignen Leben der stressige Arbeitsplatz oder die unzufriedenstellende Beziehungssituation verantwortlich.» Wer dennoch etwas ändern wolle, dem empfiehlt Barbara Widmer die Herangehensweise des intuitiven Essens. Heisst, sich mit den eigenen Essverhaltensmuster auseinanderzusetzen. Man soll sich unter anderem folgende Fragen stellen:
Nehme man sich Zeit, dies zu beobachten, merke man schnell, dass man zum Beispiel Süssigkeiten oft bei Stress oder als Belohnung isst. Die Psychologin empfiehlt, eine gewisse Achtsamkeit bezüglich des Essens zu etablieren: «Nehmen Sie sich Zeit fürs Essen, essen Sie am Tisch und lassen Sie sich nicht ablenken.» Personen, die vor dem Fernseher essen oder während der Arbeit, tendieren dazu, mehr zu essen, da sie durch die Ablenkung die Sättigung nicht wahrnehmen.
Ausserdem lohne es sich, das eigene Bewegungsverhalten zu hinterfragen. «Wichtig ist, eine Form der Bewegung zu finden, die einem guttut», sagt Widmer. Wer länger keinen Sport getrieben hat, sollte sich nicht gleich zum Ziel setzen, drei Mal pro Woche joggen zu gehen. Besser drei Mal pro Woche einen Spaziergang von 30 Minuten machen. «Wenn ich die Erfahrung machen, dass ich dabei nicht leiden muss und stattdessen positive Effekte sehe, bleibt die Motivation, dies zu tun hoch», sagt sie.
Zum Beispiel, wenn man merke, dass man durch den Spaziergang etwas ausgeglichener ist, währenddessen einen Podcast hören kann oder gar etwas besser schlafe. In einem nächsten Schritt kann, wer Lust dazu hat, die Intensität steigern.
Wer diese kleinen Dinge im Alltag verändert, hat es leichter, langfristig die Ernährung ohne Jojo-Effekt umzustellen. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es einem so auch leichter fällt, auf den Hunger und das Sättigungsgefühl zu hören und man regelmässiger, dafür in kleineren Portionen isst.
«Das Gewicht wird so zwar langsamer sinken, aber der Körper kommt dabei nicht in den ‹Verhunger-Modus› und schlägt mit Heisshungeranfällen zurück», sagt Widmer. Und weil dies keine einschneidenden Veränderungen sind, passiere eine längerfristige Ernährungsumstellung. Diese Vorgehensweise wirke sich ausserdem positiv auf die Selbstakzeptanz aus.
Menschen, die den eigenen Körper nicht akzeptieren, tendieren dazu, gemein zu sich selber zu sein. Sie betrachten sich vor dem Spiegel und suchen den Körper nach Makel ab. «Will man den eigenen Körper akzeptieren lernen, kann es hilfreich sein, sich selbst wie ein Freund oder eine gute Freundin zu betrachten», sagt die Expertin. Wer bei Freunden wahrnimmt, dass diese zugenommen haben, sagt zu ihnen ja auch nicht «du bist fett und eklig geworden.»
«Wenn ich von Köperakzeptanz spreche, meine ich Akzeptanz: Mein Körper ist wie er ist. Ich mag ihn vielleicht nicht besonders – aber er ist mein Körper und das ist okay», sagt die Psychologin. Ein positives Körperbild zu haben, bedeute nicht, dass der Körper gut aussieht, sondern gut ist, egal wie er aussieht. Dazu gehöre auch das Bewusstsein, dass der Körper nicht nur dazu da ist, gut auszusehen, sondern auch robust zu sein und man viele Körperteile hat, die einen guten Job machen.
«Generell wird der Einfluss, den man auf den eigenen Körper und das Gewicht hat, überschätzt», sagt Widmer. Übergewichtige Personen würden oft selbst glauben, dass sie faul sind oder über zu wenig Durchhaltewillen verfügen. «Diese Selbstüberzeugungen wirken sich negativ auf die Selbstwirksamkeit aus. Also auf das Gefühl, einen Einfluss auf die Situation zu haben», sagt sie.
Das könne dazu führen, dass sich das Essverhalten verschlechtere: Die Betroffenen ziehen sich zurück und greifen dann zur Selbsttröstung wiederum zum Essen. Weil sie sich für ihr Gewicht schämen, falle es ihnen schwer, Sport zu machen, da sie befürchten, ausgelacht zu werden.
«Sie fühlen sich minderwertig, weil sie sich immer wieder aufraffen und sich anstrengen, etwas zu verändern und dann immer wieder scheitern», sagt Widmer. Bodyshaming sei generell ein Problem und betreffe viele. Auch Untergewichtige würden sehr darunter leiden.
Aus medizinischer Sicht ist übergewichtig, wer einen Body-Mass-Index (BMI) von 25 bis 29.9 aufweist. Ab einem BMI von 30 spricht man von Adipositas. Allerdings: Obwohl der BMI ein gängiges Mass ist, berücksichtigt er lediglich Grösse und Gewicht. Muskelmasse spielt keine Rolle. Viele Sportlerinnen und Sportler wären demnach übergewichtig.
«Man kann übergewichtig und gesund sein», sagt Barbara Widmer. Insbesondere der BMI-Bereich der als Übergewicht definiert wird, ist bei einem normalen Ess- und Bewegungsverhalten aus ihrer Sicht unbedenklich. Jedoch sei ab einem gewissen Übergewicht sehr wahrscheinlich, dass die Betroffenen neben dem Übergewicht auch eine Essstörung aufweisen und kein normales Bewegungsverhalten hätten. Sie sagt:
Schönheitsideale gab es schon immer. Barbara Widmer glaubt nicht, dass die Veränderung eines Schönheitsideals einen Einfluss auf das Auftreten von Essstörungen hätte.
«Die Ursachen, weshalb Menschen an Essstörungen erkranken, sind verschieden», sagt Widmer. Betroffene würden oft ein hohes Kontrollbedürfnis aufweisen, hohe Ansprüche an sich haben, nicht nur in Bezug auf das Aussehen. Ausserdem würden Betroffene über einen tiefen Selbstwert und eine geringe Konfliktfähigkeit verfügen. «Das Essen kann auch ein Mittel zur Emotionsregulation sein oder eine Folge von Traumatisierungen.»
Nicht zu vergessen sei die Dunkelziffer der Männer, die unter Essstörungen leiden. Die Forschung beziehe sich heute weitgehend auf das weibliche Geschlecht.
«Ich denke vielmehr, dass die Ernährung ein wichtiger Teil unserer Identität ist und wir uns möglicherweise heute mehr über unseren Ernährungsstil definieren und uns damit von anderen damit abgrenzen», sagt Barbara Widmer. Die Ernährung sei auch ein Statement, etwa wie man zum Thema Nachhaltigkeit stehe. Früher war die Nahrungsmittelauswahl massiv kleiner und damit auch die Möglichkeit, die Persönlichkeit via Ernährung auszudrücken, sehr eingeschränkt.
«Heute habe ich die Möglichkeit, meinen veganen Avocado-Matcha-Smoothie auf Instagram zu zeigen oder eben ein Bild mit Cervelat, Chips und Bier auf Facebook zu posten. So kann ich meine Haltung, ohne viel erklären zu müssen, deutlich machen», sagt sie. (bzbasel.ch)
Wenn man keine Ahnung hat wie dann ja. Ansonsten selten so was dämmliches gelesen.
Meiner Meinung nach ist sie für die Folgen von Essstörungen zuständig nicht aber für Diäten. Denn hierfür gibt es Ernährungsberater und Ärzte.