Spitfires waren der Schrecken der Nazi-Luftwaffe: Die Jagdflugzeuge mit dem sprechenden Namen hatten 1940 in der Luftschlacht um England – zusammen mit den Hawker Hurricanes – den deutschen Angriff abgewehrt und der Luftflotte des grossmäuligen Reichsmarschalls Göring ihre erste Niederlage zugefügt.
Vier Jahre später, nach der alliierten Invasion in der Normandie, kämpften Spitfire-Geschwader über Nordfrankreich mit dem, was von den deutschen Luftstreitkräften noch übrig geblieben war. Die Kampfflugzeuge waren auf karg eingerichteten Flugplätzen in der Normandie stationiert; für die Wartung mussten sie deshalb regelmässig über den Kanal nach England fliegen.
Diese Flüge waren für manche Piloten eine willkommene Gelegenheit, begehrte Güter an die Front nach Frankreich mitzunehmen. Kurz nach der Invasion verfügten die Alliierten in der Landungszone noch nicht über einen grossen, ausgebauten Hafen und mussten die enormen Materialmengen für die Invasionstruppen über improvisierte Häfen entladen.
In der Luft sah es nicht besser aus: Dringend benötigter Nachschub wurde zu Beginn per Fallschirm abgeworfen, später auch auf den ersten eroberten Flugplätzen abgeladen. Das Gedränge in der Luft und zur See war so gross, dass die Alliierten mehr Flugzeuge und Schiffe durch Unfälle verloren als durch Feindeinwirkung.
Kein Wunder, dass es in diesem logistischen Albtraum kaum Platz für Luxusgüter wie Bier gab. Und Bier war Mangelware in den gerade erst befreiten französischen Gebieten – es gab dort zum Missvergnügen der britischen Truppen praktisch nur normannischen Cidre (Apfelwein).
In dieser angespannten Situation kamen den findigen Piloten die Wartungsflüge nach England gelegen. Bei der Rückkehr von den südenglischen Stützpunkten brachten sie als «Flying Pubs» den begehrten Gerstensaft mit nach Frankreich. Wie die Spitfire-Biertransporte abliefen, erzählen Mika Rissanen und Juha Tahvanainen in ihrem Buch «Die Geschichte Europas in 24 Bieren».
Für den Transport zweckentfremdete man zuerst einige Spitfire-Reservetanks: Statt mit Treibstoff wurden sie mit Bier befüllt. Sie mussten allerdings speziell verstärkt und versteift werden, denn in Flughöhen von oft mehr als fünftausend Metern schäumte sonst das kohlensäurehaltige Bier aus dem Tank. Feinschmecker beanstandeten freilich, das Bier in den Tanks nehme einen metallischen Geschmack an – wenn es nicht eh nach Flugbenzin schmeckte.
Dieses Problem liess sich umgehen, wenn man für den Transport statt der Reservetanks direkt Bierfässer benutzte. Damit entfiel auch das Umfüllen in die Tanks. Die Holzfässer, die 18 Gallonen (82 Liter) fassten, wurden mit Metallreifen an den Halterungen unter den Tragflächen der Spitfires befestigt. Probeflüge zeigten, dass weder der Luftwiderstand noch die Druckveränderung nennenswerte Probleme verursachten.
Ein Problem war hingegen, dass der Abstand der Fässer zum Boden relativ gering war. Dies spielte kaum eine Rolle beim Start auf den gut unterhaltenen, glatten Rollbahnen der englischen Luftwaffen-Stützpunkte. Bei der Landung auf den nur behelfsmässig eingerichteten französischen Flugplätzen konnte es jedoch vorkommen, dass eines der Fässer oder sogar beide den Boden berührten und beschädigt wurden. Der Pilot war dann der meistgehasste Mann des Geschwaders und hatte die missgelaunten Blicke der enttäuschten Kollegen zu ertragen, bis endlich die nächste Bier-Lieferung eintraf.
Manche Brauerei lieferte den Truppen das Bier aus patriotischen Gründen kostenlos. Dazu gehörten insbesondere die Brauerei Westerham, die in der Nähe des RAF-Stützpunktes in Biggin Hill lag, sowie Henty & Constable in Littlehampton.
Aufgrund von Zeitungsberichten hatte unterdessen der britische Zoll begonnen, sich für die Biertransporte zu interessieren. His Majesty's Customs and Excise beanstandete den halboffiziellen Export von Bier ins Ausland. Sollten die Piloten weiterhin Bier nach Frankreich fliegen, dann sei eine Export-Lizenz notwendig.
Nachdem jedoch die alliierten Streitkräfte endlich aus dem Brückenkopf in der Normandie ausgebrochen waren und der Nachschub über den Hafen Cherbourg laufen konnte, wurden die Biertransporte per «Flying Pubs» ohnehin obsolet. Zudem nahmen auch die Brauereien im befreiten Frankreich ihre Produktion wieder auf – die alliierten Truppen waren nun auch ohne «Bier-Bomben» gut versorgt.
(dhr)