«Schau, dieses Video beweist, dass Corona eine Verarschung ist ! 😱😱😱» Ansagen wie diese tauchen seit Pandemiebeginn auf sozialen Kanälen wie Facebook oder YouTube auf. Vielleicht ist es sogar die Tante oder der Vater, die plötzlich Beiträge in den Familien-Chat schicken und Behauptungen aufstellen: «Corona ist fake», «Impfungen enthalten Mikro-Chips», «DIE ERDE IST FLACH!»
Viele Aussagen wie diese sind offensichtlich absurd und unglaubwürdig, ergo Verschwörungsmythen. Doch andere klingen im ersten Moment irgendwie plausibel und man beginnt zu grübeln: Ist da was dran?
Der Weg von Falschinformationen zu Verschwörungstheorien ist dabei kein weiter. Denn auch Verschwörungstheorien beinhalten falsche Informationen und vor allem Fehldeutungen. Einige User scheinen darauf anfälliger zu sein als andere. Das hat besonders mit einem Faktor zu tun: Medienkompetenz.
Der deutsche Verschwörungstheorie-Forscher Michael Butter schreibt dazu in seinem Buch «Nichts ist wie es scheint», dass es vielen Anhängerinnen und Anhängern von Verschwörungen an zwei Dingen fehle: Kenntnisse über das Internet und soziale Netze sowie die Fähigkeit, seriöse von unseriösen Nachrichten zu unterscheiden.
Wie erkennst du also eine Verschwörungstheorie? Hier kommen sieben Anhaltspunkte, mit denen du Informationen überprüfen kannst.
Verschwörungstheorien gehen davon aus, dass bestimmte Ereignisse wie beispielsweise die Corona-Pandemie darauf zurückgehen, dass sich mächtige Personen zulasten der Allgemeinheit bereichern. So definieren es die Vereinten Nationen.
Es gibt nach dieser Auffassung also zwei Seiten: Täter und Opfer. Der Soziologe Dirk Baier, der zu diesem Thema forscht, bestätigt das. «Verschwörungstheorien ziehen klare Grenzen zwischen den bösen Mächtigen und der unwissenden Bevölkerung. Und nur die, die an die konspirative Theorie glauben, kennen die Wahrheit, ergo den Täter.»
In diesem Punkt unterscheiden sich verschwörerische von seriösen Aussagen ganz klar. «Wissenschaftliche und oder journalistische Beiträge arbeiten nicht mit diesem Freund-Feind-Bild», sagt Baier. Sie versuchten ausserdem, ein Phänomen möglichst umfassend zu beschreiben.
Dass das Narrativ der Verschwörungstheorie einen Feind benennt, kann gefährlich werden. Dadurch transportieren sie oft rassistische und antisemitische Ideen, was zu Hassverbrechen und Diskriminierung führen kann. So wurden etwa für die Ausbreitung des Coronavirus fälschlicherweise Menschen mit mutmasslich asiatischer Herkunft, Juden, Muslime oder Roma verantwortlich gemacht. Das hielt die EU in ihrem letztjährigen Bericht fest.
Konspirative Theorien hätten nicht den Anspruch, Beweise für ihre Erkenntnisse zu liefern, sagt Soziologe Dirk Baier. Es würden nicht systematisch Informationen gesammelt, wie das die Wissenschaft tue. Es würde nicht versucht, unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen zu lassen, um eine Position zu entwickeln, wie das der Journalismus tue.
Häufig würden für die Mythen auch keine klaren Begründungen genannt, ergänzt Marko Kovic, ebenfalls Sozialwissenschaftler. «Ein Mythos besagt, Bill Gates will uns Chips implantieren. Aber sie liefert weder Fakten noch Belege und auch keine Gründe.»
Es geht viel mehr um die Frage, wer profitiert? Auf Latein und in Verschwörungs-Kreisen oft so formuliert: Cui bono? So entstehen Schlussfolgerungen, die die Motive zur Tat benennen wollen. Obwohl diese Rechnung nicht immer aufgeht: Nur weil der Bauer vom Regen profitiert, heisst das nicht, dass er es regnen lassen kann.
Unser Hirn spielt uns da gerne Mal einen Streich: Es stellt Zusammenhänge her, die nur scheinbar bestehen, aber tatsächlich nicht existieren. Das schreibt der deutsche Psychologe Markus Knauff in einem Artikel der Wochenzeitung «Die Zeit». Quasi Ereignis A verursacht automatisch Ereignis B. So passiere der sogenannte Kausalfehler. Knauff empfiehlt, kritisch zu prüfen und zu fragen: Kann es andere Ursachen für das Eintreten eines Ereignisses geben?
Zum Teil beziehen sich Verschwörungstheorien auf Studien oder fachkundige Personen. Seriös müssen die allerdings nicht sein: Wo «Doktor» draufsteht, muss nicht Doktor drin sein.
Hier gibt es unterschiedliche Methoden, eine Information oder eine Fachperson zu überprüfen. Besonders sollte man dafür unterschiedliche, voneinander unabhängige Ressourcen nehmen. So formuliert die EU einige Anhaltspunkte, um eine Quelle zu prüfen:
Für Verschwörungstheoretikerinnen und -theoretiker gibt es nichts, das ihre Behauptung widerlegen könnte. «Die verschwörungstheoretische Wahrheit will eine absolute Wahrheit sein», sagt Soziologe Baier.
Im grossen Gegensatz dazu kennt die Wissenschaft immer nur vorläufige Wahrheiten und Plausibilitäten. Neue Studien können theoretisch immer neue Erkenntnisse liefern, indem sie die bisherige widerlegen.
Mit Verschwörungstheorien ist meist ein ganzes Weltbild verknüpft: der Glaube an eine grosse Verschwörung. So ist für Anhängerinnen und Anhänger alles erklärbar – Zufälle gibt es nicht.
Auch hier gibt es eine relativ einfache Erklärung, sagt Sozialwissenschaftler Kovic: «Wir Menschen haben Mühe damit, Zufälle als solche zu akzeptieren und können mit Unwissen schlecht umgehen.» Dies rühre von unserem Drang, Dinge zu vereinfachen. Obwohl Zufälle statistisch gesehen irgendwann zwingend eintreten müssen: Wenn du lange genug würfelst, kommt irgendwann der Sechser.
Anhängerinnen und Anhänger von Verschwörungstheorien bezeichnen die Wissenschaft und die Mainstream-Medien als Teil der Verschwörung. «Wenn sie allerdings einen Wissenschaftler oder einen journalistischen Artikel finden, die ihre Theorie bestätigen, sind sie komplett unkritisch», sagt Marko Kovic.
Ausserdem ist bekannt, dass sie an Ideen glauben, die sich teil offenkundig widersprechen. Beispielsweise, dass Prinzessin Diana ermordet wurde aber auch, dass sie ihren Tod vorgetäuscht haben soll.
Konspirative Theorien rufen häufig dazu auf, sich gegen die Mächtigen zu wehren und auf die Strasse zu gehen. Das war beim Sturm auf das US-Kapitol oder den Deutschen Bundestag zu beobachten. Der Widerstand sei ein wichtiges Motiv, sagt Soziologe Dirk Baier.
Im Gegenteil dazu würden die Wissenschaft und der Journalismus nicht zum Handeln aufrufen. «Sie weisen vielmehr eine Offenheit auf, was zu tun ist und sind sich bewusst, dass unterschiedliche Handlungsweisen möglich sind.»
Dieses „ergo“ finde ich heikel an dieser Stelle. Das ist ja quasi eine Gleichstellung. Und die finde ich etwas gar schwierig.
Also absurde Aussage = Verschwörungsmythos
Eine absurde Aussage ist nicht zwingend auch eine Verschwörungstheorie und eine Verschwörungstheorie ist nicht zwingend absurd.
Da sollte man sich schon etwas vorsichtiger, präziser ausdrucken