Auch wenn der Begriff «Kreislaufwirtschaft» erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erscheint, so sind die ihr zugrundeliegenden Ideen und Techniken wohl so alt wie die Menschheit. Was vorhanden war, wurde (weiter)verwendet. So wurden schon vor 30’000 Jahren Mammutknochen nach dem Fleischverzehr zu Flöten umfunktioniert: ein frühes Beispiel für Produktionsabfallrecycling. Auch eine fast 3000 Jahre alte Gewandnadel, die zum Angelhaken umfunktioniert wurde, zeugt vom kreativen Einsatz des Vorhandenen für Neues.
Die Wegwerfgesellschaft ist historisch betrachtet ein Ausnahmephänomen. Natürlich gab es immer Abfall, doch die möglichst lückenlose Nutzung von allem, was verwertbar ist, war der historische Normalfall. Der Treiber dahinter war jedoch nicht der Wunsch nach Abfallreduktion, sondern die Tatsache, dass die Dinge schlicht einen grösseren Wert hatten, den es nicht zu verschwenden galt.
Dieser Wert der Dinge verminderte sich hauptsächlich durch zweierlei Entwicklungen: Die industrielle Revolution erlaubte es, Gegenstände günstiger zu produzieren, wodurch ihr Wert sank. Die zweite Entwicklung kann unter dem Begriff des «50er-Jahre-Syndroms» zusammengefasst werden. Damit ist die Überflutung der globalen Märkte mit billigem Erdöl in den 1950er-Jahren gemeint. Dadurch sanken die Transportkosten.
Durch den Preisverfall des Erdöls sanken auch die Preise der anderen Rohstoffe, weil die Förderung dieser Rohstoffe durch das billigere Öl ebenfalls billiger wurde. In der Folge verloren auch die Produkte, zu denen sie verarbeitet werden, stark an Wert. Sie wurden zu «Wegwerfprodukten» und die Abfallberge wachsen.
Zudem änderte sich das Preisverhältnis von Produkten und Arbeitskraft: Produkte wurden günstiger, Arbeitskraft teurer. In der Vormoderne war es fast immer umgekehrt gewesen: Arbeitskraft war billig, während Materialien und Güter relativ teuer waren. Finanziell lohnte es sich somit nicht mehr, Arbeitskraft in die Instandhaltung eines Produktes zu stecken, wenn ein neues günstiger gekauft werden konnte. Die Folge war und ist mehr Verbrauch und Abfall.
Die Grundsätze der Kreislaufwirtschaft, reduce, reuse, recycle – Reduzieren, Wiederverwenden und Recyceln – bestimmten seit jeher den Umgang mit Gegenständen und Materialien. Seit der Antike lassen sich umfassende Praktiken des Wiederverwendens nachweisen. Schiffswracks, die mit Altkupfer oder Glasscherben zu Recyclingzwecken beladen waren, weisen auf Handel zur Wiederverwertung von Glas und Metallen bereits im Römischen Reich hin. Die Wiederverwendung von Holz kann man beispielsweise durch mittelalterliche Schiffswracks belegen, in denen Holz aus anderen Teilen der Welt, zumeist von anderen Schiffen, verbaut worden war.
Ein weiteres Beispiel für die stoffliche Wiederverwertung, hier in neuer Funktion, stellen Textilien dar: Wenn sie nicht mehr geflickt werden konnten, wurden die Lumpen für die Papierherstellung verwendet. Lumpen, auch Hadern genannt, waren begehrte Mangelware, weswegen an vielen Orten ein obrigkeitliches Ausfuhrverbot zugunsten heimischer Papiermühlen bestand. Bis ins späte 19. Jahrhundert war das Herstellen von Papier ein aufwändiges, mehrstufiges Verfahren. Zuerst wurden die Lumpen zerkleinert und angefault, dann gewaschen und zu einem Faserbrei verarbeitet. Aus diesem Brei wurde mit einem Drahtsieb das Papier geschöpft.
Bevor Gegenstände recycelt wurden, hat man sie jedoch – nicht selten entlang den sozialen Hierarchien nach unten – weitergegeben. Betrachtet man die Geschichte des Gebrauchtwarenhandels in der Vormoderne, spielt der adlige Überkonsum eine spezielle Rolle. Um sich stets die neusten Accessoires – und anderes, was zu repräsentativen Zwecken nötig war – leisten zu können, war es nötig, für die abgelegten Gegenstände zahlungskräftige Abnehmer zu finden.
So schuf der adlige Überkonsum für bürgerliche Schichten einen Markt an edlen Gebrauchtwaren. Doch Gebrauchtwarenhandel war nicht auf bestimmte Preisklassen beschränkt, sondern findet sich in allen gesellschaftlichen Lagen. Die Zirkulation von gebrauchten Gegenständen stellt einen zentralen Bestandteil der Märkte dar.
Wenn wir uns heute der Kreislaufwirtschaft und den dahinterstehenden Techniken zuwenden, geschieht dies von einem anderen Standpunkt aus, als in vergangenen Epochen. Im Jahr 2022 hat die Schweiz bereits am 13. Mai den sogenannten Overshoot Day erreicht. Ab diesem Datum leben wir für die restlichen 262 Tages des Jahres ressourcenmässig auf Kredit, also nicht nachhaltig. Heute stellt die Idee der Kreislaufwirtschaft oftmals ein Mittel dar, um nachhaltiger zu werden, das heisst, nicht mehr Ressourcen zu verbrauchen, als nachwachsen können.
Ein Ansatz, diesem Ressourcenverbrauch entgegenzuwirken, besteht darin, das Design von Gegenständen so zu überdenken, dass sie reparierbar und wiederverwertbar sind. Sogenanntes Circular Design zeichnet sich dadurch aus, dass Rohstoffe und die daraus hergestellten Gegenstände bereits in der Design- und Entwicklungsphase auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtet werden.
Solche Lösungsansätze sind wichtig, blenden jedoch oft den dritten Grundsatz – das «Reduce», das Reduzieren – aus. Nicht zufällig steht dies an erster Stelle. Um den Ressourcenverbrauch effektiv zu senken ist ein Weniger, ein Verzicht, eine Reduktion unabdingbar. Ein Beispiel, sind sogenannte «Tiny Houses», also kleine Häuser mit weniger Fläche, weniger Energie- und Ressourcenverbrauch.
Obsoleszenz verbieten, Mindestdauer für Gegenstände einführen, Reparierbarkeit tut dringenst Not.