Ein niedlicher Magensack, der ein Herz hält – gefolgt von einem ermutigenden «Du bist nicht allein». Das sehen Userinnen und User seit neuestem, wenn sie auf Tiktok nach dem Hashtag «Skinnytok» suchen.
Unter dem Hashtag waren zuvor Videos zu Trainingsroutinen oder «What I Eat in a Day», also täglichen Essgewohnheiten von Influencern, zu finden. Auch Inhalte wie kalorienarme Rezepte, die auf den ersten Blick wie gesunde Lifestyle-Tipps wirken, sind beliebt. Sehr beliebt sogar: Mit dem Hashtag sind laut der US-amerikanischen Organisation National Alliance for Eating Disorders über eine halbe Million Beiträge verknüpft.
Die entsprechenden Videos bleiben zwar auf Tiktok, doch wer nach ihnen mit dem Hashtag #Skinnytok sucht, wird stattdessen auf eine Seite mit Tipps und Hilfe bei Essstörungen weitergeleitet.
#Skinnytok sei oft mit ungesunden Inhalten zum Thema Gewichtsverlust in Verbindung gebracht worden, weshalb man sich entschieden habe, die Suchergebnisse zu blockieren, teilte ein Sprecher von Tiktok am Montag mit.
Der Schritt sei auf Druck der EU erfolgt, wie die Zeitung Politico berichtet. Der EU-Verbraucherschutzkommissar habe vergangenen Freitag mit dem CEO von Tiktok in einem Telefonat über die gesundheitsschädlichen Auswirkungen von #Skinnytok gesprochen.
Besondere Besorgnis löste der Trend etwa in Frankreich aus, wo Experten davor warnten, wie soziale Medien anfällige junge Menschen dazu bringen können, Essstörungen zu entwickeln. «Die Patienten sind völlig indoktriniert – und meine 45-minütige wöchentliche Beratung ist kein Vergleich zu den Stunden, die sie jeden Tag auf Tiktok verbringen», sagt etwa die Pariser Ernährungsberaterin Carole Copti gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.
Auch Frankreichs Digital-Ministerin, Clara Chappaz, feierte den Schritt als «kollektiven Sieg» nach fast zwei Monaten Lobbyarbeit. In Frankreich ist der Hashtag ganz verschwunden.
Während Organisationen und Fachpersonen, die sich mit Essstörungen beschäftigen, den Schritt begrüssen, zeigen sich betroffene Influencerinnen irritiert. «Wenn man aussehen will wie ich, muss man die Wahrheit ertragen können», sagt etwa die Skinnytokerin Alina Goerke – auf Tiktok und Instagram als Matchaalina unterwegs – gegenüber der NZZ.
In ihren Videos präsentiert sie ihren sehr dünnen Körper und beklagt sich über die Kritik an Skinnytok. «Niemand zwingt dich, Mahlzeiten zu überspringen oder deinen Körper zu hassen», heisst es in einem ihrer Videos.
Die wohl bekannteste Skinnytokerin Liv Schmidt wurde bereits im September 2024 von Tiktok gesperrt. Ihre 670'000 Follower belieferte sie mit Videos, die laut Kritikern an einen Pro-Anorexie-Trend aus den frühen 2000er Jahren erinnern – auch «Pro-Ana» genannt.
Nach enthüllenden Medienberichten wird auch ihr Instagram-Konto von Meta eingeschränkt und von der Monetarisierung ausgeschlossen. Die 23-jährige Influencerin, deren Online-Community den Namen «Skinni Société» trägt, wendete sich mit einem enttäuschten Statement an die Öffentlichkeit: Niemand habe das Gespräch mit ihr gesucht, ihre Accounts seien aufgrund eines falschen Narrativs geblockt worden, was ihr das Geschäft gekostet habe.
Der Artikel im US-Magazin «The Cut» hatte aufgedeckt, dass die Mitglieder der Community – viele von ihnen angeblich minderjährig – extrem kalorienarme Essenspläne austauschten, darum wetteiferten, wer weniger essen konnte, und über Symptome wie Schwindel, Müdigkeit und Haarausfall berichteten.
Die Einschätzung von Experten und Expertinnen scheint derweil klar: Trends wie Skinnytok, die insbesondere von jungen Frauen konsumiert werden, sind potenziell schädlich. Die unter dem Hashtag publizierten Inhalte würden selten gesunde Lebensstile bewerben. Vielmehr würden sie sie Schlankheit glorifizieren, Gewichtszunahme verunglimpfen und gestörtes Essverhalten fördern.
Hier hat due EU gut agiert. 🙌