Schon beinahe 30-Jährige können sich heute kaum mehr vorstellen, dass es ein Leben ohne Smartphone gegeben hat - eines ohne ständige Anbindung ans Internet. Weit zurück blicken muss man dafür nicht. Nur bis zum 1. März 1993. Damals lanciert die Swisscom, noch unter dem Namen PTT, den Mobil-Standard 2G, was nichts anderes als zweite Generation bedeutet. Gleichzeitig wird das Netz Natel D mit der Vorwahl 079 gestartet und damit der Mobilfunk digital. Zwei Jahre später kommt man mit dem 2G-Handy auch unterwegs ins Internet. Die Verbindungsgeschwindigkeit ist aber noch so langsam, dass eine spezielle Technik entwickelt werden muss: Das WAP-Protokoll, das abgespeckte, für winzige Handydisplays optimierte Webseiten überträgt.
2G interessiert 1993 fast niemanden. Zu Hause hängt das Telefon am Festnetzanschluss, auswärts telefoniert man in einer Telefonkabine. «Damals war Mobilfunk ein Randthema, die Euphorie bestand vor allem in Fachkreisen und bei den wenigen Nutzern», sagt Esther Hüsler von der Swisscom. Kein Mensch kennt die neue europäische Übertragungstechnik GSM, die nun erstmals Textnachrichten ermöglicht. Ein Telefon wird tatsächlich noch zum Telefonieren verwendet, nicht zum Schreiben. Erst jetzt sind SMS (Short Message Service) überhaupt möglich, die für die Telekomanbieter bald zu einer Goldgrube werden. «Erst die neue Technologie erlaubt den Durchbruch des Mobilfunks in der breiten Bevölkerung», sagt Hüsler.
Im Gegensatz zum aktuellen Standard 5G stellt sich 1993 der PTT bei der Einführung von 2G niemand entgegen. Widerstand gegen Strahlung sei zwar ein altes Thema, sagt Hüsler. «Doch damals entlädt er sich vor allem an der Mikrowelle.» Das bestätigt und ergänzt Juri Jaquemet, Kurator am Museum für Kommunikation in Bern. «Die Angst vor elektromagnetischer Strahlung bezieht sich damals auf Radiowellen. Demonstriert wird zum Beispiel gegen den Kurzwellensender Schwarzenburg», sagt Jaquemet. Doch je mehr Handys es gibt, desto grösser wird die Besorgnis wegen deren Strahlen. Zumal diese Natel-D-Handys viel stärker strahlen als heutige Smartphones. Bereits Anfang der 2000er Jahre werden strahlensichere Unterhosen verkauft, die heute im Museum für Kommunikation zu sehen sind. Jaquemet sagt:
In den zehn Jahren nach der Einführung wandelt sich das Mobiltelefon vom raren Statussymbol zum Alltagsgerät. «2002 war die Zahl der Mobilanschlüsse erstmals höher als die der Festanschlüsse», sagt der Berner Sammlungs-Kurator. Ein elitäres Objekt wird demokratisiert. «Zuvor wurden noch Attrappen von Handys verkauft, um so zu tun, als hätte man eins.»
1997 bekommt die Swisscom Konkurrenz von Diax, Sunrise und Orange, die Geräte werden billiger. Mit der Internationalisierung und Digitalisierung geht mit 2G und dem Natel D auch die Schweizer Mobilfunkherstellung bachab. Gibt es bis dahin zur Hauptsache analoge Natel-Geräte von Ascom, übernehmen jetzt Nokia und asiatische Hersteller. Und mit den SMS beginnt der Trend zurück zur Schriftlichkeit. Die jungen Leute schreiben, sie telefonieren nicht.
Noch in den 70er Jahren deutet wenig auf Mobiltelefonie hin. 1975 hat die PTT ein mobiles Netz, 1 G, aufgebaut. Doch die analoge unverschlüsselte Mobiltelefonie wird kaum und nur professionell genutzt. Mobiltelefonie bedeutet damals Autotelefonie, denn ein mobiles Telefon ist damals noch etwa 15 Kilogramm schwer und kostet gemäss dem Telekom-Historiker Robert Weiss etwa 16000 Franken. So lässt die PTT im Frühling 1978 erstmals das Natel A klingeln.
Natel steht für «Nationales Autotelefon», der Begriff wird zur vielleicht besten Marketing-Idee der heutigen Swisscom. Denn das Natel wird in der Schweiz zum Synonym für ein Mobiltelefon, das bis heute von Menschen in reiferem Alter noch verwendet wird. Der Begriff Handy ist ein Einwanderer aus Deutschland, der das Natel bedrängt hat, bis die Swisscom die Marke vor drei Jahren zu Grabe getragen hat.
Nun beerdigt die Swisscom Ende Dezember auch 2G. Die allermeisten wird das nicht kümmern, weil ihr Smartphone mit 2G nichts am Hut hat. Einige müssen ihr Natel entsorgen. Allerdings sind nur ganz wenige noch im Besitz eines 2G-Natels, wie viele genau, will die Swisscom nicht sagen.
«Zahlen veröffentlichen wir keine; es sind aber in den letzten Wochen laufend weniger 2G-Geräte in Betrieb. Vielfach werden 2G Handys als Ersatz- oder Zweitgeräte eingesetzt», sagt Hüsler. Oder in sogenannten M2M-Anwendungen (Machine-to-Machine), zum Beispiel bei einem Liftalarm.
Weiterhin laufen wird 3G. Die dritte Generation, die im Sommer des Jahres 2004 gestartet wurde, hat mit der UMTS-Übertragung das Internet erst richtig aufs Handy gebracht. Die Swisscom garantiert 3G noch bis Ende 2024 und will ihre Kunden vor einer allfälligen Abschaltung genug früh informieren.
Nach 3G folgt im Jahr 4G mit der schnellen LTE-Technik. Und im vergangenen Jahr ist die Telekommunikation mit 5G in neue Dimensionen vorgestossen, in der in Zukunft sogar Dinge miteinander in Echtzeit kommunizieren - Autos zum Beispiel.
Die Begründerin von 2G, die Swisscom, stellt das Netz nun ab. Salt hat schon vor Jahren mit der Abschaltung begonnen und heute nahezu 90 Prozent der 2G-Abdeckung deaktiviert. «Salt lässt seine 2G-Antennen weiterhin in Gebieten aktiv, in denen keine andere Technologie verfügbar ist», erklärt Viola Lebel. Eine Gnadenfrist gewährt auch Sunrise. Der grösste Teil der Kundschaft sei zwar mit 3G-/ 4G-/5G-fähigen Geräten ausgerüstet. «Aber einige Privatkunden und vor allem Unternehmen nutzen nach wie vor M2M-Dienste via 2G», sagt Séverine de Rougemont von Sunrise. Deshalb haben Sunrise-Kunden die Möglichkeit, 2G noch bis mindestens Ende 2022 weiter zu nutzen.
Hm.. Danke für das 😏
Lg, ein 35 jähriger, welcher von seinem Natel aus schreibt.
Vom Elektroschrott der alten Handys redet niemand. Das gleiche Thema bei der Abschaltung des UKW Netzes... Zehntausende Radios in Autos, Büros, Badezimmern, Werkstätten werden zum Elektroschrott 😡
Aber wir retten die Welt ja mit der Abschaffung der Knister-Plastiksäckli 🙄