Libre Office ist seit Jahren eine populäre Gratis-Alternative zu Microsoft Office. Zum Büropaket gehören Programme für Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Präsentation und zum Erstellen von Zeichnungen. Das Open-Source-Programm wird von der Libre-Office-Gemeinschaft entwickelt und kann für Windows, Mac und Linux heruntergeladen werden.
Seit einigen Tagen gibt es auch im App-Store von Windows 10 eine Libre-Office-Version, die man allerdings für 3.10 Franken kaufen soll. Gleichzeitig wird eine kostenlose, zeitlich unlimitierte Testversion angeboten.
Bei der App-Beschreibung heisst es: «Der Einkauf unterstützt uns.» Bloss, wen unterstützt man mit dem Kauf? Denn Libre Office wurde nicht von den Entwicklern selbst in den Microsoft Store gestellt, wie diese auf Twitter klarstellen.
thanks. It is not ours.
— LibreOffice (@libreoffice) 23. Juli 2018
Wenn Libre Office im Microsoft Store nicht von den Entwicklern stammt, stellen sich mindestens zwei Fragen:
Fest steht: Libre Office wurde gekapert und ohne Wissen der offiziellen Entwickler, der Document Foundation, im Microsoft Store veröffentlicht. Als Herausgeber der Software ist ein unbekannter Entwickler namens .net angegeben.
Unklar ist das Motiv dahinter: Will sich jemand an der Open-Source-Software bereichern oder geht es im Gegenteil darum, Libre Office durch die Portierung in den Microsoft Store von Windows 10 bekannter zu machen?
Stand heute sieht es ganz danach aus, dass sich ein unbekannter Entwickler Libre Office geschnappt und via Microsofts Desktop Bridge in den App-Store von Windows 10 gestellt hat. Microsofts Desktop Bridge ist ein Tool, welches Software-Entwicklern erlaubt, ihre bisherigen Desktop-Programme bequem in den Microsoft Store zu portieren. Dies können sich aber auch Dritte zu Nutze machen.
Grundsätzlich darf man mit Open-Source-Software machen, was man will und damit auch Geld verdienen, sofern alle anderen Lizenzvereinbarungen eingehalten werden. Für Libre Office stellt sich nun die Frage, ob man gegen den Unbekannten vorgehen kann und will. Genau dies prüfen die Libre-Office-Entwickler aktuell, wie sie auf Twitter schreiben.
we first need to see if the distribution terms are compliant with our license...
— LibreOffice (@libreoffice) 23. Juli 2018
Doch selbst wenn die Aktion von .net legal sein sollte, bleibt sie fragwürdig. Denn aus seiner App-Beschreibung wird nicht ersichtlich, dass es sich um eine inoffizielle Libre-Office-Version handelt. Nutzer, die mit dem Kauf für ein Open-Source-Projekt spenden wollen, zahlen also allenfalls in die Taschen eines Trittbrettfahrers.
Hätte .net klar deklariert, dass es sich um eine inoffizielle Libre-Office-Version handelt und der Käufer somit für die Portierung in den App-Store bezahlt, sähe die Sache etwas anders aus: Denn schliesslich hat .net Libre Office in den Microsoft Store gebracht, sprich die Arbeit übernommen, die man eigentlich von den Libre-Office-Entwicklern hätte erwarten können. Der App-«Dieb» muss Microsoft zudem Gebühren für seinen Entwickler-Account entrichten und hat allenfalls weitere Aufwände, beispielsweise bei kommenden Updates.
Die Libre-Office-Entwickler haben Microsoft inzwischen über den Vorfall informiert. Es dürfte daher nur eine Frage von Stunden sein, bis die inoffizielle App aus dem Microsoft Store verschwindet.
Bleibt festzuhalten, dass Microsoft seinen App-Store offenbar zu wenig kontrolliert. Die gekaperte Libre-Office-App wurde bereits am 9. Juli 2018 in den Store gestellt und ist erst aufgeflogen, als sie ein Journalist entdeckt hat.
Microsoft macht es Software-Entwicklern bewusst sehr einfach, ihre Programme in den Microsoft Store zu bringen – offenbar etwas zu einfach. Vor wenigen Tagen wurde bereits bekannt, dass eine Firma mehrere Google-Apps gekapert und ohne Erlaubnis in den Microsoft Store gestellt hat. Google selbst boykottiert den App-Store für Windows 10 nach wie vor, um seinem eigenen Betriebssystem einen Vorteil zu verschaffen.
Die Verwirrung um Libre Office hätte zudem von Anfang an vermieden werden können, wenn die Entwickler-Community ihr Programm selbst in den Microsoft Store gebracht hätte – schliesslich wäre es in ihrem eigenen Interesse, dass ihre Office-Alternative von den Kunden gefunden wird.
Die Geschichte zeigt nur, wie wenig dieser Windows Store taugt.
Eine Berechnung von Vertriebskosten ist meinens Wissen von der GPL aber gestattet. Man kann es ja jederzeit gratis von LibreOffice herunterladen. Ein anderes Thema sind natürlich nicht deklarierte Abänderungen (sofern es nicht unter einem geändertem Namen vertrieben wird, siehe Firefox/Iceweasel etc.)
Aber heute sind sich wohl viele nur noch die AppStores gewohnt und kommen gar nicht auf die Idee, nach anderen Quellen zu schauen.