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Hacker stehlen 900'000 E-Mails von Russlands Staatsfernsehen

«Nie dagewesene Blossstellung»: Hacker stehlen 900'000 E-Mails russischer Staatsmedien

Die pro-ukrainische Hackergruppe Network Battalion 65' hat Russlands grösstes staatliches Medienunternehmen gehackt. Nun sind fast eine Million E-Mails öffentlich.
05.04.2022, 17:0907.04.2022, 03:45
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Es ist ein Datenleck, das im Kreml für rote Köpfe sorgen dürfte und investigative Journalisten aufhorchen lässt: Die in der Cybersecurity-Szene bekannte Hackergruppe Network Battalion 65' (NB65) hat das staatliche russische Fernsehen gehackt und über 900’000 E-Mails und tausende Dateien erbeutet. Der Datendiebstahl erfolgte im März, die Daten wurden aber erst am 4. April auf der Enthüllungs-Plattform Distributed Denial of Secrets (DDoSecrets) veröffentlicht.

Die publik gemachten E-Mails, die offenbar die Korrespondenz der letzten 20 Jahre umfassen, könnten einen tiefen Einblick in die Kommunikation zwischen Kreml und Staatsmedien ermöglichen.

Es sei «eine noch nie dagewesene Blossstellung der staatlichen Medien und Propaganda, die die russische Regierung als wesentlich für die Staatssicherheit betrachtet», schreiben die Transparenz-Aktivisten von DDoSecrets auf Twitter.

Zuvor war die pro-ukrainische Hackergruppe NB65 vermutlich tagelang unbemerkt im Netzwerk der «Allrussischen staatlichen Fernseh- und Radiogesellschaft» (WGTRK), dem Propaganda-Arm des Kreml. Nur so dürfte es möglich gewesen sein, heimlich über 800 GB Daten herunterzuladen.

Entlarvende Inhalte

Das US-Newsportal Daily Dot hat sich die gehackten Daten angeschaut: Demnach stammen die E-Mails aus rund 250 Posteingängen und reichen bis ins Jahr 2000 zurück. Die neusten seien vom März 2022. «In den E-Mails wird alles erörtert, vom Tagesgeschäft bis hin zu Fragen im Zusammenhang mit internationalen Sanktionen gegen Russland», schreibt das Newsportal.

WGTRK ist der grösste staatliche Medienkonzern in Russland mit Sitz in Moskau. Zur Medienholding gehören unter anderem die grössten landesweiten Fernseh- und Radiosender sowie mehr als 80 regionale Fernseh- und Radiokanäle. WGTRK erreicht laut Eigenaussage 98,5 Prozent der russischen Bevölkerung mit seinen diversen Medien. Im deutschsprachigen Raum sind vor allem der umstrittene TV-Sender RT DE und das «alternative Nachrichtenportal» Sputnik bekannt. Beide wurden nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in der EU verboten.

Die Hackergruppe NB65 nennt Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine als Hauptmotiv für den Einbruch und sagte dem US-Newsportal Daily Dot, dass man weiterhin «mit der Regierung verbundene Unternehmen» schädigen werde, bis Russland sich aus der Ukraine zurückziehe. «Je länger die russische Aggression anhält, desto länger werden wir Unternehmen und Internet-Technologien im ganzen Land angreifen», wird die Hackergruppe zitiert.

Am Sonntag teilte NB65 auf Twitter mit, dass man den russischen Gas-Pipeline-Bauer SSK Gazregion gehackt habe. Die Hacker amüsierten sich darüber, dass die Server ausgerechnet mit dem zuvor geleakten Erpressungstrojaner der pro-russischen Ransomware-Gang Conti verschlüsselt worden seien.

«Eurer Präsident hätte keine Kriegsverbrechen begehen sollen»

DDoSecrets ist eine seit Anfang 2019 bestehende Online-Plattform, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Material zugänglich zu machen, das Wladimir Putin, Kreml-Apparatschiks und russische Oligarchen in Schwierigkeiten bringen könnte. DDoSecrets kooperiert hierzu auch mit pro-ukrainischen Hackergruppen, um von russischen Behörden und Unternehmen erbeutete Daten der Öffentlichkeit an einem zentralen Ort zugänglich zu machen. Hinter DDoSecrets stehen Transparenz-Aktivistinnen und Aktivisten wie die US-Journalistin Emma Best.

Best sagt, die Datenlecks in Russland hätten seit Kriegsbeginn massiv zugenommen. Davon könnte auch der ukrainische Geheimdienst profitieren.

Die Hackergruppe NB65 kündigte das Datenleck bei der staatlichen Medienholding WGTRK, das nun wahrgemacht wurde, am 25. März 2022 mit diesem Statement an:

Bild
bild: @xxNB65

Die Hacker machen sich über die IT-Sicherheit beim Staatsfernsehen lustig und spötteln, es sei wohl schwierig, gute Informatiker zu finden, wenn alle fähigen Leute das Land verlassen. Das Statement endet mit dem Satz: «Euer Präsident hätte keine Kriegsverbrechen begehen sollen. Wenn ihr einen Schuldigen für eure aktuelle Situation sucht, habt ihr ihn mit Wladimir Putin gefunden.»

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88 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Päule Freundt
05.04.2022 17:34registriert März 2022
Nur weiter so. Wichtig ist, dass die Russische Gang bestehend aus Regierung, Armee, Fernsehen, Oligarchen und weiteren Gestalten tüchtig auf’s Dach bekommt. Der Druck muss anhalten, auch durch Hackerangriffe. Die Wahnsinnigen dürfen nicht weiter die Ukraine zerstören und unschuldige Menschen massakrieren.
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kuhrix
05.04.2022 18:08registriert Juni 2014
Wie schreibt man Köppel korrekt auf Kyrillisch? Brauche es für eine Rechereche..
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_andreas
05.04.2022 17:43registriert April 2020
Da gibt es sicher einige Intressante Inhalte in diesen Mails. Bin gespannt was wir in der nächsten Zeit alles so lesen werden davon wenn diese genauer analysiert worden sind
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