Während 15 Monaten durfte ich für watson die Nachtschicht machen. Ausgerüstet mit einem Laptop konnte ich wählen, wo auf der Welt ich arbeiten möchte. Lediglich ins Internet musste ich kommen.
Wegen der günstigen Zeitverschiebung habe ich Asien ausgewählt. Da ich um 23 Uhr Schweizer Zeit beginnen musste, konnte ich immer am Morgen arbeiten.
13 Länder, unzählige Sonnenstunden und noch mehr Flugmeilen später bin ich wieder in der Schweiz gelandet. Nachfolgend 15 Erkenntnisse und Tipps rund um das Leben als digitaler Nomade.
Internet ist für einen digitalen Nomaden überlebenswichtig. Seine Lebensader. Das Erste, womit man sich in einem neuen Land eindecken sollte, ist deshalb eine lokale SIM-Karte. Fällt im Café mal das WIFI aus, kannst du dir einen Hotspot mit dem Handy einrichten.
In vielen grossen Städten Asiens hat es eine breite Netz-Abdeckung mit 4G oder 4G+. Oftmals ist das Surfen mit einem Handy-Hotspot gar schneller als das Hotel- oder Café-WIFI.
Teuer sind die lokalen SIM-Karten meistens nicht. In Kuala Lumpur etwa kosten diese nicht mehr als zehn Franken und halten wochenlang. Erhältlich sind sie bereits am Flughafen.
Ein Handy, bei dem zwei verschiedene SIM-Karten eingesteckt werden können, ist von Vorteil aber kein Muss. Man kann die Schweizer SIM-Karte auch einfach rausnehmen und bei WhatsApp die alte Nummer behalten.
SMS verschickt nicht einmal mehr Oma. Nur noch die Bank.
Garantiert.
Das WIFI ist eigentlich immer dort besser, wo man es nicht erwarten würde. In Neuseeland und Australien ist es ziemlich schwierig ein Café zu finden, das gutes und kostenloses WIFI anbietet. Ein Kellner verbot mir gar, meinen Handy-Akku aufzuladen, da ich nur etwas zu trinken bestellt hatte, und nichts zu essen. Seriously?!
Ganz anders läuft es da zum Beispiel in Vietnam: Jedes Bambushütten-Strassen-Café wirbt dort mit Gratis-WIFI. Hängematten sind meistens auch noch aufgespannt. Und der kalte Kaffee mit Kondensmilch, so süss wie ein Baby-Otte, schmeckt köstlich.
Apropos Erfrischung: Gibt's eigentlich etwas Besseres als eine Kokosnuss!?
In Südostasien kostet diese meistens nicht mehr als ein, zwei Franken. Du kannst sicher eine Stunde lang daran rumschlürfen und musst gegenüber der Bedienung kein schlechtes Gewissen haben, weil du ständig vor einer leeren Tasse sitzt und nichts mehr neues bestellen willst.
Zudem soll das Kokosnuss-Wasser helfen, die Hitze zu ertragen, hat mir ein chinesischer Taxifahrer erzählt. Und gegen Kater ist es sowieso fantastisch.
Ein Büro unter Palmen, kein Chef der nervt. Ein Königreich für Prokrastinierer. Würde man meinen.
Denn die Produktivität hat im Freiluftbüro nicht abgenommen. Im Gegenteil, im Grossraumbüro fällt es oftmals schwerer, sich zu konzentrieren.
Bali gilt als Mekka der digitalen Nomaden. Und das aus guten Gründen. Die Hotspots sind die Ortschaften Canggu und Ubud. Das Leben ist günstig, überall gibt's Internet und die Auswahl an ausgezeichneten Restaurants sucht seinesgleichen.
Hinzu kommen unzählige Yoga-Studios, frische Früchte und gute Surf-Bedingungen. Wer hier nach Klischees sucht, wird sie finden. Die Liste an Annehmlichkeiten könnte fast endlos erweitert werden. Bali ist Garten Eden.
Der Boom hat aber auch seine Schattenseiten. Ein Reisfeld nach dem anderen wird zugepflastert, neue Appartements, Hotels und Restaurants schiessen wie Pilze aus dem Boden. Nachhaltig und durchdacht ist wenig. Sehr zum Leid der lokalen Bevölkerung und der Natur.
Wenn Bali Garten Eden ist, dann ist China die Hölle. Zumindest für einen digitalen Nomaden, der irgendwie vom Reich der Mitte aus arbeiten möchte. Google Mail, Google Drive und Google Hangouts kannst du in China schon mal ganz vergessen.
Doch damit nicht genug. Gerade mal zwei Stunden war ich am arbeiten, da sperrte mir die Zensurbehörde unser Background-Tool: Editieren nicht mehr möglich. Ferien in China sind absolut zu empfehlen, arbeiten gestaltet sich hingegen als schwierig bis unmöglich.
Als spannende Alternative bietet sich Taiwan an. Dort hatte ich keine Mühe mit gesperrten Seiten.
Obschon man theoretisch von überall aus arbeiten kann, sind Coworking-Spaces bei den Nomaden sehr angesagt. Auf Bali und in Thailand kann man sich für mehr oder weniger zehn Franken pro Tag in einem solchen Büro einmieten.
Abends werden Vorträge gehalten oder Barbecues organisiert. Coworking-Spaces sind ideal für Leute, die alleine unterwegs sind, da man schnell mit Gleichgesinnten in Kontakt kommt. Die Atmosphäre ist allerdings nicht immer so locker, wie man sich das vielleicht vorstellt. Meistens ist es ziemlich ruhig, jeder starrt in seinen Laptop.
Wenn man auf das ganze Networking nicht so scharf ist, kann man die Coworking-Spaces auch gut auslassen. Mit den gesparten Gebühren kannst du im Café nebenan mindestens drei Cappuccinos trinken – und das WIFI ist sowieso gratis.
Über ein Jahr lang habe ich mich immer ein bisschen wie im Urlaub gefühlt. Nicht nur, wenn ich den Laptop zuklappen und Feierabend machen konnte. Sondern auch während der Arbeit.
Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass man auch als digitaler Nomade hin und wieder Ferien macht und den Kopf durchlüftet. Urlaub im Urlaub sozusagen. So ist es möglich, auch mal jene Winkel eines Landes zu erkunden, die nicht mit Highspeed-WIFI ausgestattet sind.
Die Gefahr in einen Alltagstrott zu gelangen, ist als digitaler Nomade relativ klein. Hast du Bock auf eine Luftveränderung, kannst du in den nächsten Zug/Bus/Flugzeug einsteigen und arbeitest am nächsten Tag an einem neuen Ort. Abnutzungserscheinungen spürte ich während den 15 Monaten keine.
In Zürich wird man schräg angeschaut, wenn man mit Flip Flops zur Arbeit erscheint. «Wir sind doch hier nicht im Urlaub!»
Im Coworking-Space auf Bali hingegen musste ich die Flip Flops sogar ausziehen. Dresscode Barfuss. Und ja, das Gehirn läuft besser ohne Hitze-Stau in den Schuhen.
«Vermisst du deine Familie nicht?»
«Kannst du einfach so abhauen und deine Freunde zurücklassen?»
Diese und ähnliche Fragen wurden mir immer wieder gestellt – und letzten Endes war mein Umfeld auch der Grund dafür, weshalb ich mich für ein Leben in der Schweiz entschieden habe.
Aber: Vielleicht sind Begegnungen mit Freunden und Familie als digitaler Nomade nicht so zahlreich wie zuhause, dafür sind sie von viel höherer Qualität. Wenn mich jemand besuchen kam, wenn auch nur für eine Woche, waren es ausnahmslos intensive und unvergessliche Erlebnisse. Womöglich mehr wert als Alltags-Begegnungen.
Der Arbeitsweg als digitaler Nomade ist meistens sehr kurz. Entweder man rollt mit dem Scooter kurz ins Lieblingscafé, oder man bleibt gleich ganz im Appartment oder Hotelzimmer. So fällt es natürlich schwerer Freizeit von Arbeit zu trennen, dafür entfällt der ganze Pendlerstress. Herrlich.
Arbeiten auf einer Insel in Südostasien: So richtig vorstellen konnten sich das viele meiner Bekannten nicht. Viel eher hatten sie das Gefühl, ich geniesse das Leben und schaue ab und zu mal in den Laptop. Doch die Vorurteile verschwanden dann jeweils schnell.
Was sich die Leute in der Schweiz vorgestellt haben:
Und wie sie mich dann angetroffen haben:
Gewiss, es ist ein grosses Privileg, als digitaler Nomade unterwegs zu sein. Für viele wird sich niemals im Leben eine solche Möglichkeit auftun.
Dennoch gibt es einige unschlagbare Vorteile des Nomadenlebens, von der auch unsere 9-to-5-Bürowelt profitieren könnte.
Fast jeder Arbeitnehmer hat Phasen, da läuft es ihm nicht so gut. Und fünf Wochen Ferien sind für viele sowieso zu wenig. Da sollte es doch eigentlich möglich sein, hin und wieder ein paar Tage mit dem Computer zu verreisen und wie ein Nomade in die Tasten zu hauen. Muss ja nicht gleich Bali sein, das Tessin würde bestimmt auch reichen. Palmen hat's dort auch.
Eine Frage ist mir noch in den Sinn gekommen:
Wie machst Du das mit den Visa? Nimmst Du da ein Touristenvisum und arbeitest dann "schwarz"? Oder gibts dafür ein Arbeitsvisum?
Die Schwierigkeit besteht wohl darin, zuerst mal so einen seltenen Job zu ergattern, der so ein nomadisches Homeoffice zulässt.