Wichtige Akteure des öffentlichen Lebens haben X bereits verlassen. Andere behalten ihren Account auf der Plattform, sind dort aber nicht mehr aktiv.
Wie sich zuletzt beobachten liess, ist insbesondere bei wissenschaftlichen Institutionen etwas in Bewegung geraten. Sie wollen nicht mehr auf X ausharren und verlagern ihre Kommunikation auf andere Dienste.
Im Folgenden geben wir dir einen Überblick, welche gesellschaftlichen Akteure die Plattform bereits verlassen haben oder den eXit auf den 20. Januar hin planen, also auf den Amtsantritt von Donald Trump.
Die Aufzählung beginnt mit redaktionellen Medien und Vertretern der Branche, weil sie in öffentlichen Debatten eine Verstärker-Funktion haben. Wenn immer mehr Medienleute bei X abwandern, wird die Plattform für andere gesellschaftliche Akteure unattraktiver.
Maja Sever, die Präsidentin der Europäischen Journalisten-Föderation (EFJ), brachte es im vergangenen November auf den Punkt. Die Berufsorganisation, die an die 300'000 Mitglieder zählt, könne nicht weiter auf der Social-Media-Plattform eines Mannes bleiben, der den Tod der Medien und damit der Journalisten verkünde. Per 20. Januar werde man deshalb X verlassen.
Die Ankündigung erfolgte einen Monat nachdem die britische Tageszeitung «The Guardian» angekündigt hatte, keine Beiträge mehr auf X zu publizieren. Seither haben sich andere bekannte Medienhäuser und Persönlichkeiten aus der Medienbranche angeschlossen. Ein Massen-Exodus ist aber bislang ausgeblieben.
Schwedens führende Zeitung, die linksliberale Zeitung «Dagens Nyheter», gab im November 2024 bekannt, dass sie bei X keine neuen Inhalte veröffentliche. Chefredaktor Peter Wolodarski erklärte, seit Musk die Leitung übernommen habe, verschmelze die Plattform immer mehr mit seinen und Trumps politischen Ambitionen.
Das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) hatte bereits im Mai 2024 angekündigt, 11 seiner insgesamt 13 Kanäle auf der Plattform X auf Mitte Mai stillzulegen. Die beiden Hauptkanäle sind aber weiter aktiv.
Bemerkenswert sind die Vorgänge in unserem östlichen Nachbarland Österreich. Dort findet seit November tatsächlich eine journalistische Massenabwanderung von X statt. Viele folgten einem Aufruf des ORF-Moderators Armin Wolf und wechselten zu Bluesky.
Weitere bekannte X-Abgänge:
Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (SP) gehört zu den Vorreiterinnen, was das Verlassen von Musks zunehmend toxischer Social-Media-Plattform betrifft.
Die Magistratin aus dem Jura setzt mit Threads auf eine Alternative aus dem Haus von Mark Zuckerberg. Und der hat bekanntlich diese Woche angekündigt, Meinungsbeiträge, Falschinformationen und Verschwörungstheorien nicht mehr so zu moderieren wie bisher.
Für europäische User gelte das zwar vorerst nicht, doch dabei werde es sicher nicht bleiben, kommentiert der deutsche Social-Media-Experte Jens Schröder. Sobald Zuckerberg eine juristische Lücke finde, um die EU-Gesetze zu umgehen – oder mit Hilfe von Trump Druck auf die EU ausübe, damit diese Gesetze fallen.
Auch bei den Bundesrats-Parteien ist die SP Vorreiterin, per Ende 2024 hat sie den eXit vollzogen.
Ab 2025 wird die SP Schweiz nur noch auf @bsky.app kommunizieren und Twitter/X verlassen. Unter dem Multi-Milliardär Musk ist X zu einer Plattform der Rechten und Ultra-Rechten geworden, auf der unmoderiert Hassbotschaften verbreitet werden (1/2).
— SP Schweiz (@spschweiz.ch) 31. Dezember 2024 um 11:48
Grundsätzlich tun sich noch viele nationale Politikerinnen und Politiker schwer mit der Entscheidung, ob sie auf X präsent bleiben sollen. Andere, wie Bundesrätin Karin Keller-Sutter, die in diesem Jahr als Bundespräsidentin fungiert, sind gar neu aktiv auf der Plattform.
Die Wahl der Plattform sei aus rein pragmatischen Gründen erfolgt, erklärte der Sprecher von Katrin Keller-Sutter gegenüber CH Media. Wenn Ende 2025 ihre Zeit als Bundespräsidentin zu Ende gehe, werde auch ihr X-Account wieder eingestampft.
Einige National- und Ständeräte haben zumindest ein Profil auf der Twitter-Alternative Bluesky eingerichtet und ziehen sich bei X immer mehr zurück. Zu den aktiveren Parlamentsvertretern bei Bluesky zählen Grüne, Grünliberale (GLP) und Sozialdemokraten.
Der Kanton Zürich hatte bereits Ende 2023 empfohlen, dass alle kantonalen Ämter ihre Accounts auf X deaktivieren sollen. Davon ausgeschlossen seien der Account der Kantonspolizei und des Kantons selbst.
Auch der Kanton Appenzell Innerrhoden deaktivierte gemäss SRF-Bericht seinen X-Account und verlegte die Kommunikation auf Instagram.
Wie in der Schweiz will auch in Deutschland die Landesregierung vorläufig an X festhalten. Und wurde deshalb von der Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung, Ferda Ataman, scharf kritisiert. Ihr Vorwurf: Der Kanzler, Minister und Ministerien würden durch ihre Präsenz bei X eine Social-Media-Plattform aufwerten, «die eigentlich ein politisches Machtbeeinflussungsinstrument des reichsten Mannes der Welt geworden ist».
Im vergangenen Dezember haben über 60 Prominente aus Deutschland ihren Ausstieg von der Plattform in einem offenen Brief begründet, darunter Bestsellerautorin Anne Rabe. Aus Twitter sei «eine Brutstätte von Rechtsextremismus, Wissenschaftsleugnung, Hass und Verschwörungserzählungen» geworden.
Die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner wollten ihre X-Profile entweder löschen oder ruhen zu lassen und sich auf andere Dienste wie Bluesky, Threads, Mastodon oder Instagram beschränken, hiess es.
Gedenkstätten wie das NS-Dokumentationszentrum in München, das Jüdische Museum München und die Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz haben auch den eXit vollzogen.
Zu den prominentesten X-Abgängern gehören neben dem US-Schriftsteller Stephen King der Filmemacher Guillermo del Toro und der Schauspieler Mark Hamill (Luke Skywalker in «Star Wars»).
Weitere namhafte X-Abgänge:
Mitglieder der wissenschaftlichen Community haben X bereits in Scharen verlassen. Und immer mehr renommierte Institutionen schliessen sich an.
Über 60 Hochschulen und Institutionen in Deutschland haben angekündigt, die Plattform X zu verlassen oder bereits verlassen zu haben.
Starkes Signal!! Über 60 dt. Hochschulen & Forschungsinstitutionen haben heute ihren Ausstieg bei X bekanntgegeben, s.u. #eXit X sei nicht mehr vereinbar mit ihren Grundwerten: „Weltoffenheit, wissenschaftliche Integrität, Transparenz und demokratischer Diskurs.“ Liste der Beteiligten hier:
— Amrei Bahr (@amreibahr.bsky.social) 10. Januar 2025 um 10:21
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Zuvor hatten schon diverse deutsche Hochschulen angekündigt, Musk Social-Media-Plattform zu verlassen. Die grossen Schweizer Bildungseinrichtungen, wie die Universität Zürich, scheinen an X festzuhalten.
Update: Auch die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) sowie das Institut für Schnee und Lawinenforschung (SLF) haben bekannt gegeben, sich von X zurückzuziehen und zu Bluesky zu wechseln, wie die Nachrichtenagentur Keystone-SDA berichtet. Die Vogelwarte Sempach sei ebenfalls nicht mehr auf X aktiv.
Neben Prominenten und Journalisten gab es 2023 die überraschendsten Abgänge bei deutschen Fussballvereinen, konstatierte der «Guardian» im November.
Als Erstes ging der FC St. Pauli aus Hamburg und bezeichnete X als «Hassmaschine», dann folgte der SV Werder Bremen und liess verlauten, dass «mit der jüngsten Radikalisierung der Plattform für den Verein eine Grenze überschritten wurde». Kommunikationsdirektor Christoph Pieper begründete den Social-Media-Wechsel:
Der SC Freiburg und Hansa Rostock folgten. Weitere Klubs denken ebenfalls über ihren eXit nach, wie eine Umfrage im November zeigte. So äusserten etwa der deutsche Meister Bayer Leverkusen, der Vizemeister VfB Stuttgart, der 1. FC Heidenheim, der VfL Wolfsburg, der Hamburger SV und der 1. FC Kaiserslautern ihre Besorgnis über die Entwicklung der Plattform.
Der Exodus privater Wirtschaftsunternehmen läuft seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk. Ein bekannter Schweizer Abgang ist Lindt & Sprüngli.
Einige Unternehmen behalten zwar ihre Präsenz auf X, sind dort aber nicht mehr aktiv und noch mehr haben – was Musk besonders schmerzen dürfte – beschlossen, auf der Plattform nicht mehr zu werben. Sprich: Dem US-Unternehmen geht viel Umsatz verloren.
Im November 2023 gab IBM bekannt, dass es sämtliche Werbung auf X einstelle, nachdem ein Bericht gezeigt hatte, dass IBM-Anzeigen neben Postings platziert wurden, die für Adolf Hitler und die NSDAP warben.
Mindestens 50 der 100 grössten US-Werbetreibenden haben seit der Übernahme durch Musk im Jahr 2022 ihre Werbeausgaben auf der Plattform eingestellt.
Bemerkenswert: In Deutschland haben diese Woche drei der grössten Gewerkschaften ebenfalls den eXit angekündigt. Konkreter Anlass sei das Live-Gespräch zwischen Elon Musk und der AfD-Spitzenkandidatin Alice Weidel, da dort «sicher auch arbeitnehmer- und gewerkschaftsfeindliche Narrative bedient würden».
Dazu schreibt ORF-Mann Armin Wolf, der bei X laut eigenen Angaben 640'000 Follower hatte:
Was er gar nicht vermisse, seien die Diskussionen auf X, weil sie zuletzt — «jedenfalls für sehr grosse Accounts — unerträglich waren». Unter jedem seiner politischen Postings habe es Dutzende bis hunderte Hass-Kommentare «anonymer Aggro-Trolle» gegeben.
Die Alternative heisst "Bluesky".