In Putins hybridem Krieg gegen Europa spielt Telegram eine zentrale Rolle. Der Messenger-Dienst wird von den russischen Geheimdiensten genutzt, um in NATO-Ländern Helfer für Sabotageakte zu rekrutieren.
Telegram gilt zudem wegen laxer bis gar nicht existierender Inhalte-Moderation bei öffentlichen Kanälen als Tummelplatz für Extremisten jeglicher Couleur.
Ausserdem können die russischen Staatsmedien dort ungefiltert ihre Propaganda-Lügen verbreiten und sich direkt oder indirekt an ein Millionenpublikum richten.
Doch damit soll nun Schluss sein. Allerdings werfen die Telegram-Kanal-Sperren, die seit Kurzem in europäischen Ländern aktiv sind, neue Fragen auf.
Vor wenigen Tagen hat Telegram selbst den Zugang zu den Kanälen der grössten russischen Nachrichten-Organisationen in weiten Teilen Europas blockiert.
Wenn man aus den betroffenen europäischen Ländern versucht, auf die Telegram-Kanäle der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA Novosti und weiterer russischer Propaganda-Medien zuzugreifen, wird ein Hinweis angezeigt, dass die Inhalte nicht verfügbar seien, da sie «gegen lokale Gesetze verstossen».
Am Sonntag waren auch die Telegram-Kanäle der TV-Sender Rossija 1, Perwyj Kanal und NTV in mehreren EU-Ländern nicht zugänglich, darunter Frankreich, Belgien, Polen, Griechenland, Niederlande und Italien.
Von Telegram aus finden problematische Inhalte oft ihren Weg auf andere Social-Media-Plattformen, wo sie ein noch deutlich grösseres Publikum erreichen. Zu erwähnen sind die Fake-News-Schleuder X (Twitter) des Tech-Milliardärs Elon Musk, aber auch Instagram und Facebook, die dem Meta-Konzern gehören, sowie YouTube, das zum Google-Konzern Alphabet gehört.
Telegram ist jahrelang unter dem Radar der europäischen Regulierungsbehörden geblieben. Und dies, obwohl das Unternehmen gemäss Einschätzung von Fachleuten allein in Europa mehr als 45 Millionen User hat und damit zu den sehr grossen Plattformen zählt.
Für diese Plattformen gelten wegen der gesellschaftlichen Risiken, die von ihnen ausgehen, besonders strenge Regeln. Allerdings halten sie sich nicht daran, wie zuletzt eine Untersuchung zur ungehinderten Verbreitung von russischer Kriegspropaganda zeigte.
Vermutlich hat die EU nun hinter den Kulissen darauf hingewirkt, dass die mit Sanktionen belegten russischen Staatsmedien bei Telegram blockiert werden.
Weder Telegram noch europäische Behörden haben die Sperrungen bislang öffentlich bestätigt, wie das auf Cybersicherheits-Themen spezialisierte Nachrichtenportal The Record am Montag berichtete.
Seit der Festnahme des in Russland geborenen Telegram-Gründers Pawel Durov im August 2024 zeigt sich das Unternehmen deutlich kooperativer, wenn es um die Eindämmung von illegalen Inhalten geht.
In Frankreich wird gegen Durov wegen einer Reihe von Straftaten ermittelt, unter anderem wegen Mittäterschaft bei der Verbreitung von Kinderpornografie und beim Drogenhandel auf der Plattform.
In der Tat.
Bekanntlich hat die EU die bekanntesten Propaganda-Medien RT DE (ehemals Russia Today) und Sputnik schon kurz nach Beginn des militärischen Überfalls auf die Ukraine im Frühjahr 2022 sanktioniert.
Zwar können die technischen Massnahmen zur Sperrung der russischen Propaganda in Europa umgangen werden. Die Sanktionen haben RT aber empfindlich getroffen, wie die deutsche «Tagesschau» 2023 berichtete.
RT versuchte denn auch durch unterschiedliche Strategien, die Sperren zu umgehen, um weiterhin auch ausserhalb Russlands ein Publikum zu erreichen.
Im Mai 2024 erweiterte die EU ihre Massnahmen gegen die russische Staatspropaganda und beschloss, auf ihrem Territorium weitere einflussreiche russische Medienunternehmen zu sanktionieren. Seither sind die Websites der russischen Tageszeitungen «Rossiyskaya Gazeta» und «Izvestia», der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti sowie der in Prag ansässigen mehrsprachigen Propaganda-Plattform Voice of Europe gesperrt.
Als Vergeltungsmassnahme beschränkte Moskau den Zugang innerhalb Russlands zu über 80 europäischen Medien, darunter «Politico», «Der Spiegel» und «Le Monde» – viele davon wurden anschliessend gesperrt.
Merkwürdigerweise wird in Reaktionen der russischen Staatsmedien behauptet, die Sperrung der Kanäle betreffe auch die Schweiz.
Die staatliche Nachrichtenagentur RIA Novosti schrieb am 28. Dezember:
Dies trifft gemäss den Abklärungen von watson nicht zu und entsprechende Behauptungen ergeben keinen Sinn: Bekanntlich trägt die Schweiz diesen Teil der EU-Sanktionen nicht mit. RT und Co. sind hierzulande nicht verboten, trotz übler Hetze gegen Politikerinnen.
Der Kreml hat die Sperrung der russischen Telegram-Kanäle als «einen Akt politischer Zensur» und «ein Verbrechen» gegen russische Journalisten kritisiert.
Das russische Aussenministerium liess am Sonntag verlauten, der Kreml werde «symmetrische Vergeltungsmassnahmen» ergreifen, falls internationale Menschenrechts-Organisationen nicht einschreiten.
Anzumerken bleibt, dass Telegram im Jahr 2024 gemäss eigenen Angaben 15 Millionen Gruppen und Kanäle gesperrt hat – unter anderem wegen Kindesmissbrauch, Gewaltaufrufen und terroristischer Inhalte.
Zu einem deutlich sichtbaren Anstieg an gesperrten Gruppen und Kanälen kam es im September – also just in dem Monat, in dem Telegram-Chef Durov nach seiner Festnahme in Paris angekündigt hatte, man werde verstärkt mit den Justizbehörden kooperieren.
Erstaunlich kritisiert der Kreml, was er sogar gegen die eigenen Landsleute macht. Aber wehe andere tun dasselbe.
X und sein Chef ist aber mittlerweile nicht mehr viel besser.
Ich hoffe auch da wird es Konsequenzen haben.
Bitte weiter so im 2025. Nur bei Twitter (X) habe ich alle Zuversicht verloren. Die Hoffnung bleibt, dass sich das Problem selbst wegen Desinteresse selber löst. Wenn alle gleicher Meinung sind, ist es auch für die Führer nicht mehr interessant wenn man niemanden beeinflussen kann.
Genau so muss es sein. Wer Sanktionen erlässt, muss sie auch durchsetzen.
Es ist auch unerklärlich, weshalb die westeuropäische Politik einem Propagandakanal eines Aggressorstaates die Möglichkeit geben soll, gegen Westeuropa selbst zu hetzen. Man gibt Kriminellen sicher nicht die Schlüssel für das Haus. Sie bleiben gefälligst draussen.