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Russland erhält Schützenhilfe von Google, Meta und Telegram

Schweiz wird in Untersuchungsbericht zur illegalen Verbreitung von russischer Propaganda und Desinformation in der EU erwähnt.
Die Schweiz trägt die EU-Sanktionen gegen prorussische Medien nicht mit.Bild: watson

Wie Google, Meta, Telegram und Co. den russischen Terror-Staat unterstützen

Die grossen Techkonzerne müssen auf ihren Plattformen in Europa gegen russische Propaganda und Desinformation vorgehen. Eine unabhängige Untersuchung zeigt jedoch ein weitreichendes Versagen.
14.12.2024, 20:0815.12.2024, 13:24
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Die schärfsten Sanktionen bringen nichts, wenn sie nicht durchgesetzt werden. Dies illustriert ein aktueller Fall, der sich um einige der einflussreichsten und mächtigsten Techkonzerne der Welt dreht.

Ein am Donnerstag veröffentlichter Untersuchungs-Bericht lässt den Meta-Konzern, Google (Alphabet) und weitere bekannte Namen schlecht aussehen. Sie haben bislang zu wenig getan, um die Verbreitung von russischer Kriegspropaganda einzudämmen.

Was ist passiert?

Ob bei Instagram, Telegram oder YouTube: Auf den grössten Online-Plattformen in der EU tummeln sich russische Akteure und prorussische Inhalte, die seit bald drei Jahren verboten sind. Und das, obwohl die Plattformbetreiber diesen Sommer auf die klaren Verstösse hingewiesen worden waren.

Im Juli 2024 dokumentierten Forscher mit fünf Berichten, wie trotz des geltenden EU-Verbots viele sanktionierte Medienunternehmen und Einzelpersonen aus Russland weiterhin von der EU aus zugänglich waren.

Schlimmer noch: Die illegalen Inhalte wurden durch ein riesiges Netzwerk von scheinbar unabhängigen Accounts weiterverbreitet und in ihrer Wirkung verstärkt. Dahinter stecken Helfer des Kreml, die es aus ideologischen Gründen oder gegen Bezahlung tun. Und die von Forschern dokumentierten «Verstärker» haben einen beträchtlichen Einfluss: Sie verfügten zusammen über mehr als 20 Millionen Follower, viele innerhalb der EU.

Besonders störend: Laut den Forschern profitieren Akteure hinter den vielen Verstärkerkonten sowie eine Reihe offiziell genehmigter Accounts von den Monetarisierungs-Programmen gewisser Plattformen. Konkret geht es um Werbeeinnahmen, die Telegram, YouTube und Facebook mit den Inhalte-Erstellern teilen.

Die Plattformen, respektive ihre Betreiber, seien in der Folge sowohl auf den systematischen Charakter des Phänomens als auch auf konkrete mutmassliche Verstösse gegen EU-Recht aufmerksam gemacht worden. Offensichtlich ohne Erfolg, wie ein aktueller Bericht mit Fallbeispielen dokumentiert. Demnach blieben viele verbotene Inhalte für europäische User zugänglich.

Die Forscher warnen:

«Zudem wurden neue Verhaltensweisen und Arten von Akteuren aufgedeckt, die Sanktionen umgehen. Dies deutet darauf hin, dass das Problem weit verbreitet ist und die potenziellen Bemühungen der Plattformen, es zu bekämpfen, nicht ausreichen.»

PS: In dem Bericht (siehe Quellen) ist auch eine Webseite mit Schweiz-Bezug als «offizieller Verstärker für sanktionierte Inhalte» aufgeführt. Das Pravda-Netzwerk veröffentliche in der EU sanktioniertes Material.

Warum sind russische Inhalte illegal?

Lebanon at War in Nabatieh, Lebanon - 27 Oct 2024 A Russia Today journalist prepares to film a TV report on the site of an airstrike in Basta, central Beirut.
Russisches TV-Team im Libanon. Der Kreml versucht, die öffentliche Meinung mit vermeintlich unabhängiger Berichterstattung zu beeinflussen. Bild: imago-images.de

Bekanntlich verhängte die Europäische Union nach der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 Wirtschaftssanktionen gegen russische und weissrussische Akteure, die Putins Krieg unterstützen. So wurden etwa der russische Staats-Propaganda-Sender RT (früher Russia Today) und seine Ableger verboten. Anmerkung: Die Schweiz trägt diese Sanktionen nicht mit.

Auf der Liste stehen eine Reihe staatlich kontrollierter Propaganda- und Desinformations-Medien wie RT und Sputnik, aber auch Personen, die die EU-Kommission als bekannte Einzelpropagandisten bezeichnet.

Seither ist es illegal, die Inhalte der sanktionierten Akteure für ein EU-Publikum zu hosten (auf einem Server zu speichern) und verfügbar zu machen. Das Verbot gilt auch auf den Social-Media-Plattformen.

Welche Plattformen sind betroffen?

Es geht um die Social-Media-Plattformen Instagram und Facebook des Meta-Konzerns, die Videoplattform YouTube (Google), X, TikTok sowie Telegram.

  • Auf fast allen Plattformen seien 83 Prozent der gemeldeten Accounts sanktionierter Unternehmen oder Personen in der EU weiterhin zugänglich.
  • Darüber hinaus seien 48 Prozent der inoffiziellen Verstärker-Accounts, die sanktionierte Inhalte in der EU verbreiteten, weiterhin verfügbar.
  • Die löbliche Ausnahme ist TikTok. Gemäss Bericht hat die chinesische Social-Media-Plattform tatsächlich auf alle Hinweise reagiert und Konten gesperrt.

Bei diesen Erkenntnissen und Zahlen handle es sich um «konservative Schätzungen», da die Forscher nur die Konten und Verhaltensweisen berücksichtigten, die sie «mit begrenzten Mitteln» beobachten konnten.

Wie geht es weiter?

Die Forscher schreiben:

«Angesichts der Leichtigkeit, mit der solche illegalen Inhalte entdeckt wurden, sollten die Compliance-Teams von Meta, Google, X/Twitter, TikTok und Telegram untersuchen, warum sie offenbar keine ausreichenden Massnahmen zur Beschränkung des Zugangs ergriffen haben.»

Die Plattformbetreiber tun gut daran, auf die angeprangerten Missstände zu reagieren. Gemäss dem Digital Services Act (DSA) der EU, dem Gesetz über digitale Dienste, sind sie dazu verpflichtet. Fehlbaren Unternehmen drohen Strafen in Milliardenhöhe.

Die Forscher argumentieren, dass der Meta-Konzern, Google und die anderen fehlbaren Techkonzerne an sich die technischen Mittel zur Bekämpfung hätten.

«Wir haben keinen ersichtlichen Grund dafür, warum dieses Problem nicht proaktiv angegangen wird, ganz im Gegensatz zur erfolgreichen Bekämpfung von Urheberrechtsverletzungen. Dies deutet darauf hin, dass die technischen Herausforderungen überwunden werden können, wenn die richtige Anreizstruktur geschaffen wird.»

Wenn die Plattformbetreiber den prorussischen Usern einen Teil der Werbeerlöse abgeben, könnten sie zudem gegen die Sanktionsverordnungen verstossen.

Von wem stammt die Untersuchung?

Der Titel des 73-seitigen Berichts lautet: «Sanktioniert, aber florierend: Wie Online-Plattformen die weit verbreitete Präsenz von Einrichtungen, die unter EU-Sanktionen stehen, nicht in den Griff bekommen».

Der Bericht wurde auf der Website von Science Feedback veröffentlicht, einer überparteilichen, gemeinnützigen Organisation, die sich der wissenschaftlichen Bildung verschrieben hat. Die Beiträge werden «von einer Community von Wissenschaftlern mit einschlägiger Expertise per Crowdsourcing erstellt».

Die in dem Bericht aufgeführten Fallbeispiele stammen von den folgenden Organisationen:

  • Alliance4Europe,
  • Science Feedback,
  • Logically Facts,
  • Alliance for Securing Democracy – German Marshall Fund,
  • Prose Intelligence,
  • Democracy Reporting International,
  • Universität Södertörn, Schweden,
  • Italienische Föderation für Menschenrechte (FIDU).

Die Untersuchung sei durch das Counter Disinformation Network (CDN) ermöglicht worden, einer kollaborativen EU-Plattform mit über 150 Fachleuten aus über 30 Organisationen. Sie wurden einberufen, um die europäische Demokratie zu schützen und die Bemühungen gegen Informationsmanipulation zu koordinieren.

Die Non-Profit-Organisation Alliance4Europe hat auch zur versuchten Wahlbeeinflussung in Rumänien durch bezahlte Influencer einen Bericht veröffentlicht.

Was unternimmt die Schweiz?

Der bürgerlich dominierte Bundesrat verweigert sich bislang einem schärferen Vorgehen zur Bekämpfung von russischer Desinformation und Propaganda. RT, Sputnik und Co. sollen nicht verboten werden.

Die Landesregierung will die Entwicklung beobachten und die Lage in den Sicherheitsgremien thematisieren. Zudem soll die Forschung, die die Wirkung der Desinformation untersucht, gefördert werden.

Zur Erinnerung: Im März 2022, zwei Wochen nach dem Einmarsch der Russen in der Ukraine, verlangte das Parlament vom Bundesrat einen Bericht zur Fake-News-Problematik in der Schweiz. Die SVP und mit ihr der heutige Medienminister, Bundesrat Albert Rösti, stimmte damals geschlossen gegen das Postulat. Die restlichen Gegenstimmen kamen aus der Mitte-Fraktion.

Auf die zunehmenden Beeinflussungs-Kampagnen auf den Social-Media-Plattformen, ob durch Russland oder andere Demokratiefeinde, will der Bundesrat auch mit einer eigenen Informations-App reagieren.

Quellen

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105 Kommentare
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MartinZH
14.12.2024 21:13registriert Mai 2019
Wie immer, wenn es um die Problematik von RU-Propaganda in der CH geht:

„Die Landesregierung will die Entwicklung beobachten und die Lage in den Sicherheitsgremien thematisieren.“

Dass sämtliche Bestrebungen am Widerstand der SVP scheitern, verwundert nicht.

In Bezug zu RU verhält sich die SVP keinen Deut besser als die AfD in DE.

Und dass der "Medienminister" der SVP angehört und in der Regierung die Positionen der SVP vertritt, ist nicht nur stossend, sondern äusserst degoutant.

Der CH-Politik ist die internat. Reputation egal, so lange der Rubel rollt. Als Bürger finde ich das zum 🤮!
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bitzliz'alt
14.12.2024 21:29registriert Dezember 2020
Es sieht tatsächlich düster aus! Auch deshalb, weil ja Staatsradio/Staatsfersehen quasi unter Dauerbeschuss von Rechts (SVP) und von "Rechtsaussen" steht.
Als ehemaliger Selbständiger (der oft auch in Krisengebieten tätig war) habe mir oft die Augen gerieben, wenn ich wieder zurück in der Schweiz war.
Bei der heutigen, extremen "Infoflut" braucht es viel Zeit und Geduld um zu"filtern" - wer hat die noch?
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Firefly
14.12.2024 20:52registriert April 2016
Wer denkt, die einflussreichsten Techkonzerne sein so reich geworden, weil sie sich um die Sicherheit der Anwender kümmern, ist schon etwas naiv.

Diese Dinge wurden gebaut im Geld und Daten abzuschöpfen. Sicherheit oder Moderation würde den Businesscase völlg zuwiederlaufen und wäre viel zu teuer.

Man sollte sie halt nicht brauchen. Einfach ausschalten und deinstallieren.
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