Der Musik-Streamingdienst Spotify hat mit seinem Freemium-Modell die Unterhaltungsindustrie revolutioniert und ist zu einem seltenen Online-Marktführer aus Europa geworden. Allerdings steckt das von seinem Erfinder Daniel Ek geleitete Unternehmen weiter in der Verlustzone.
Spotify ist heute mit mehr als 550 Millionen Nutzerinnen und Nutzern die Nummer eins im Musik-Streaming – doch als der Dienst vor 15 Jahren an den Start ging, war alles andere als ausgemacht, dass ein europäisches Start-up aus Schweden die Branche umkrempeln würde.
Apple war die bestimmende Kraft in dem Geschäft mit Musik-Downloads über seine iTunes-Plattform. Und die Industrie, bei der das Trauma ausufernder Internet-Piraterie noch tief sass, war ganz froh, damit wieder festen Boden unter den Füssen zu haben.
In diese Phase neu gefundener Stabilität platzte Spotify mit der Idee, nicht nur das gesamte Musik-Angebot für eine monatliche Gebühr in Höhe eines Download-Albums zugänglich zu machen – sondern mit Einschränkungen und Werbeeinspielungen sogar kostenlos.
Dem Musikindustrie-Weltverband IFPI war der Start des Dienstes im Oktober 2008 gerade einmal einen Satz ganz am Ende des entsprechenden Kapitels seines Jahresberichts wert.
Spannend ist aber auch die Vorgeschichte, wie Daniel Ek überhaupt dazu kam, Spotify zu lancieren. Ab dem Alter von 14 Jahren hatte er fortlaufend praktische Erfahrungen als Jungunternehmer sammeln können.
Für kurze Zeit war er Geschäftsführer von uTorrent, einer Filesharing- und Streaming-Technologie, die auch von Piraterie-Portalen genutzt wurde. Und dann war da noch die Gründung und der Verkauf der Online-Marketing-Firma Advertigo: Für rund 1,2 Millionen Dollar ging sie an ein Unternehmen, dessen CEO später Daniels Co-Gründer bei Spotify wurde.
Mit 22 Jahren setzte er sich vorübergehend zur Ruhe, da war er bereits mehrfacher Millionär – heute beträgt sein Vermögen (je nach Börsenstand) um die vier Milliarden US-Dollar.
In einem Interview erinnerte sich Ek:
Dann besann er sich um und beschloss, seinem Leben eine neue Richtung zu geben. Er zog in ein kleines Haus in der Nähe seiner Mutter, die ihn allein erzogen und seine Arbeitseinstellung massgeblich geprägt hatte. Und er beschloss, seiner Leidenschaft für Musik zum Job zu machen.
Ek beschreibt sich selbst als introvertiert. Er schaffe es aber, seine Gefühle zu kontrollieren, um sich in sozial herausfordernden Situationen erfolgreich zu behaupten. Dies koste ihn jedoch eine Menge Energie, so der Spotify-Gründer.
Spotify-Erfinder Daniel Ek war in den frühen Jahren extrem besorgt über Gegenwind von Apple. Laut einem damaligen Weggefährten war er 2010 überzeugt, dass ein Anrufer, der nichts sagte und nur in den Hörer atmete, niemand anders als Apple-Chef Steve Jobs persönlich war, wie es vor ein paar Jahren in einem Buch über Spotify hiess.
Es dauerte bis 2011, bis Spotify nach Deals mit Musikkonzernen den lukrativen US-Markt betreten konnte. In Europa kam der Dienst Ende 2010 gerade einmal auf sieben Millionen User. Es sah lange Zeit nach Scheitern aus.
Die Ausbreitung von Smartphones und mobile Internet-Flatrates schufen die perfekten Bedingungen für Spotify. Streaming bringt inzwischen den Grossteil der Erlöse der Musikbranche ein, während Downloads und CDs nur noch eine Nebenrolle spielen.
Apple, das lange auf sein Download-Geschäft setzte, kaufte 2014 in seiner bisher teuersten Übernahme für drei Milliarden Dollar den Spotify-Konkurrenten Beats, um das eigene Streaming-Angebot «Apple Music» aufzubauen.
Der iPhone-Konzern verzichtet auf eine Gratis-Version und machte schon seit Jahren keine Angaben zur Zahl der Nutzerinnen und Nutzer. Genauso wie Amazon, wo Prime-Kunden das Musikstreaming-Abo günstiger bekommen.
Dass er es trotz des massiven Widerstandes und der Bedenken seitens der US-Musikindustrie schaffte, habe Daniel seiner europäischen Herkunft zu verdanken, hielt ein Journalist fest: Der Start in Schweden, einem vergleichsweise kleinen Musikmarkt, sei ein Vorteil gewesen.
Die Gratis-Version war von Anfang an ein Stein des Anstosses. Künstlerinnen und Künstler beklagten sich, dass oft gestreamte Songs nur mickrige Beträge abwarfen.
Die Industrie befürchtete, dass ein kostenloses Angebot Musik in den Augen der Menschen entwerten würde. Ek und seine Manager beteuerten, dass sie die Gratis-Version vor allem als Vorstufe zu einem Premium-Abo betrachten. Von den 551 Millionen Spotify-Nutzerinnen und -Nutzern zur Jahresmitte waren 220 Millionen zahlende Mitglieder.
Apple und Amazon haben im Vergleich zu Spotify den Vorteil, dass sie nicht darauf angewiesen sind, mit ihren Streaming-Angeboten Geld zu verdienen. Für Spotify unterdessen ist es das Kerngeschäft. Und es ist so strukturiert, dass ein Grossteil der Musik-Erlöse – rund 70 Prozent – direkt an die Branche weitergereicht wird.
Wie viel Geld davon bei den Künstlerinnen und Künstlern landet, hängt von deren Verträgen mit den Musikkonzernen ab. Für Spotify jedenfalls bedeutet das, dass alle Kosten mit weniger als einem Drittel der Erlöse bezahlt werden müssen.
Daniel Ek hatte die Idee, das Geschäft mit neuen Einnahmequellen auszubauen, bei denen mehr Geld in den Kassen von Spotify bleiben würde. Er gab das Ziel aus, den Dienst zur führenden Plattform für alle Arten von Audioinhalten zu machen.
Den Anfang machten Podcasts. Ek investierte hunderte Millionen Dollar in den Ausbau der Plattform mit Firmenkäufen sowie exklusive Deals mit Prominenten wie Prinz Harry und Meghan Markle sowie populären Podcastern wie Joe Rogan. Letzterer brachte Spotify auch unerwünschte Aufmerksamkeit mit Kritik nach irreführenden Aussagen zu Covid-Impfungen in seiner Show. Altstar Neil Young zog aus Protest gegen Rogan seine Musik von Spotify ab.
Die Riesen-Investition muss sich erst noch bewähren. Die meisten exklusiven Podcasts seien unprofitabel, schrieb jüngst das «Wall Street Journal». Spotify will derweil das Geschäft mit Hörbüchern ausbauen.
In der Bilanz stehen allerdings weiterhin rote Zahlen. Allein im vergangenen Quartal lief ein Verlust von 290 Millionen Franken auf. Vor diesem Hintergrund folgte Spotify den Preiserhöhungen bei anderen Diensten.
Zuletzt liess Daniel Ek verlauten, Spotify werde Musik, die mit künstlicher Intelligenz (KI) erstellt wurde, nicht verbieten. Der Unternehmer sagte, dass Spotify eine Plattform für alle Schöpfer sei, egal ob sie Menschen seien oder nicht. Ausserdem gehörten Spotify nicht die Rechte an der Musik, man zahle lediglich Lizenzgebühren an die Rechteinhaber.
(dsc/sda/awp/dpa)
Das hat er definitiv geschafft👍🏻