International
Afghanistan

Frauen demonstrieren in Kabul für ihre Rechte: Taliban reagieren mit Gewalt

Women gather to demand their rights under the Taliban rule during a protest in Kabul, Afghanistan, Friday, Sept. 3, 2021. As the world watches intently for clues on how the Taliban will govern, their  ...
Mutiger Protest von Frauen in Kabul gegen die Taliban.Bild: keystone

Frauen demonstrieren in Kabul für ihre Rechte – Taliban antworten mit Gewalt und Tränengas

04.09.2021, 18:4105.09.2021, 01:51
Mehr «International»

In Afghanistan regt sich Widerstand gegen die Herrschaft der militant-islamistischen Taliban. Bei einer Demonstration für Frauenrechte in der afghanischen Hauptstadt Kabul kam es zu Zusammenstössen. Mindestens eine Frau sei dabei verletzt worden, berichteten lokale Journalisten am Samstag. In der einzigen von den Taliban noch nicht eroberten Provinz Pandschir dauern die Kämpfe an.

Videos von lokalen TV-Sendern und Aktivistinnen zufolge kam es bei der Demonstration zu chaotischen Szenen. Rund zwei Dutzend Frauen hatten zunächst friedlich in der Nähe des Präsidentenpalastes demonstriert, wie auf Bildern, die in sozialen Medien geteilt wurden, zu sehen war. Sie hielten Schilder in der Hand, auf denen etwa stand: «Wir sind nicht die Frauen von vor 20 Jahren» oder «Gleichheit – Gerechtigkeit – Demokratie!».

Women gather to demand their rights under the Taliban rule during a protest in Kabul, Afghanistan, Friday, Sept. 3, 2021. As the world watches intently for clues on how the Taliban will govern, their  ...
Bild: keystone

Schreiduelle mit Taliban

Auf Videos ist zu sehen, wie die Frauen von 50 oder mehr Sicherheitskräften der Taliban umzingelt sind und sich Schreiduelle mit Taliban liefern. Mehrere von ihnen husten. Ein Taliban-Kommandeur fragt über einen Lautsprecher «... wartet, was ist das Problem, was wollt ihr, es gibt kein Problem, Mädchen, okay?», während im Hintergrund eine junge Frauenstimme zu hören ist, die fragt: «Warum schlagt ihr uns?» Lokale Journalisten teilten das Video einer Frau, der Blut vom Kopf läuft.

In einem Video von Aktivistinnen, etwas abseits der Demo aufgenommen, sagt eine Frau, Frauen hätten sich gebildet, um in hochrangigen Regierungspositionen zu arbeiten. «Was ist unsere Schuld, dass sie uns heute ins Abseits drängen?», fragt sie.

Die Frau, die das Video aufnimmt, sagt weiter, der friedliche Protest von Frauen sei wieder von den Taliban unterdrückt worden. Diese hätten Warnschüsse abgegeben und Tränengas eingesetzt.

Die Videos und Angaben konnten zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Auch der Sender CNN berichete über den Frauenprotest. Zuvor hatten bereits am Freitag mehrere Frauen in Kabul für Frauenrechte demonstriert. Eine Teilnehmerin, Taranum Sajidi, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Samstag, sie seien angesichts der Situation gezwungen, auf die Strasse zu gehen und ihre Rechte einzufordern. Sie habe drei Universitätsabschlüsse und nun wolle man von ihr, dass sie zuhause bleibe. Die Taliban wollten Frauen nur in niedrigen Positionen.

Vom Minirock zur Burka – Frauen in Afghanistan

1 / 13
Vom Minirock zur Burka – Frauen in Afghanistan
Kabul 1972: Studentinnen in Miniröcken sind im Neubauviertel Shar-e-Naü unterwegs. Eine dünne städtische Oberschicht in Afghanistan übernahm westlichen Lebensstil und westliche Kleidung.
quelle: laurence brun /gamma-rapho via getty images
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Während des Taliban-Regimes zwischen 1996 und 2001 durften Frauen in Afghanistan nicht mehr arbeiten und nur noch verschleiert in Begleitung eines männlichen Familienmitglieds das Haus verlassen. In der Öffentlichkeit war für sie lautes Sprechen oder Lachen verboten. Mädchen wurden auch vom Schulunterricht ausgeschlossen. Viele Frauen befürchten seit der erneuten Machtübernahme der Islamisten, dass diese wieder ähnliche Regeln für sie einführen werden.

Gefechte zwischen Taliban und der Nationalen Widerstandsfront

Der Anführer einer Widerstandsfraktion gegen die Taliban erklärte am Samstag, er wolle weiter kämpfen. «Wir werden den Kampf für Gott, Freiheit und Gerechtigkeit niemals aufgeben», teilte Achmad Massud auf seiner Facebook-Seite mit. Seit mittlerweile fünf Tagen gibt es Gefechte zwischen Taliban und Kämpfern der Nationalen Widerstandsfront um Pandschir, die einzige Provinz im Land, die die Taliban bisher nicht kontrollieren.

Ursprünglich hatte es von beiden Seiten geheissen, man wolle die offene Machtfrage durch Verhandlungen lösen. Ein Sprecher der Nationalen Widerstandsfront schrieb diese Woche auf Twitter, die Taliban hätten Massud einen Posten in der künftigen Regierung angeboten und den Schutz seines Eigentums. Dieser habe aber abgelehnt und dies damit begründet, dass er keine persönlichen Interessen verfolge. Von Taliban gab es dazu bisher keine Aussagen.

In den vergangenen Tagen dürften sich die Gefechte um Pandschir verstärkt haben. Beide Seiten gaben an, dass sie der jeweils anderen Seite heftige Verluste zugefügt hätten. Pandschir konnte von den Taliban auch während ihrer ersten Herrschaft zwischen 1996 und 2001 nicht erobert werden. Das lag neben dem erbitterten Widerstand der Nordallianz auch an der geografischen Lage – der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen.

Wohl nach falschen Gerüchten in der Nacht zu Freitag, Pandschir sei gefallen, hatten Taliban-Kämpfer in der Hauptstadt Kabul minutenlang Freudenschüsse abgefeuert. Dadurch wurden offenbar mehrere Menschen getötet oder verletzt. Das Krankenhaus der Nichtregierungsorganisation Emergency teilte am Samstag mit, es habe seit Freitagabend mindestens zehn Verletzte mit Schusswunden behandelt. Zwei Personen mit Schusswunden seien bereits tot in das Krankenhaus eingeliefert worden.

(oli/sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
1 / 18
Die Taliban übernehmen die Macht in Afghanistan
Am 15. August 2021 haben die Taliban ihr Ziel erreicht: Sie sind in der Hauptstadt Kabul einmarschiert und haben den Präsidentenpalast in ihrer Kontrolle.
quelle: keystone / zabi karimi
Auf Facebook teilenAuf X teilen
«Ich habe meine Mutter begraben» – Noori musste wegen den Taliban in die Schweiz flüchten
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
43 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Liebu
04.09.2021 19:56registriert Oktober 2020
Vor Bildung fürchten sich vor allem ungebildete.

Ich glaube, die Taliban haben anstatt sich zu bilden, bisher nur gekämpft. Das ist das einzige, was sie können. Ich hoffe, sie werden nicht noch zu schlimmeren Mitteln greifen um den Widerstand der Zivilbevölkerung zu brechen.
Aber ich glaube nicht daran.
756
Melden
Zum Kommentar
avatar
montuno
05.09.2021 06:15registriert Februar 2020
DAS nenne ich mal mutig 😳
371
Melden
Zum Kommentar
avatar
Rivka
04.09.2021 19:13registriert April 2021
Während ihre Männer alles Mögliche tun um das Land zu verlassen, wehren sich mutige Afghaninnen gegen die Steinzeit-Islamisten.
439
Melden
Zum Kommentar
43
Spanischer Premierminister Sánchez erwägt Rücktritt nach Anzeige gegen Ehefrau

Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez erwägt nach einer Korruptionsanzeige gegen seine Ehefrau Begoña Gómez einen Rücktritt vom Amt, das er seit 2018 ausübt. Er habe alle seine öffentlichen Termine «für einige Tage» abgesagt, um darüber nachzudenken, teilte der sozialistische Politiker am Mittwoch auf X, vormals Twitter, mit. Er werde von der Rechten und der extremen Rechten mit allen Mitteln schikaniert.

Zur Story