Es war alles aufgegleist, die PR-Maschine lief wie geschmiert. Seit sich Tidjane Thiam zum Chef der wichtigsten Oppositionspartei der Elfenbeinküste – der Partie Démocratique – hat wählen lassen, war er omnipräsent: in der Elfenbeinküste im immergleichen grünen Hemd, geschmückt mit seinem Konterfei und dem Versprechen, dass eine andere Elfenbeinküste möglich sei («Une autre Côte D'Ivoire est possible»); sonst meist in Anzug und Krawatte, immer unweit von wichtigen Persönlichkeiten.
Doch nun ist der Traum des früheren Chefs der untergegangenen Credit Suisse geplatzt: Er darf im Oktober nicht als Präsidentschaftskandidat kandidieren – und wird nun aus dem Wählerverzeichnis gestrichen. Das hat soeben ein Gericht entschieden. Das Gericht begründet Thiams Ausschluss mit dessen französischer Staatsbürgerschaft, die er 1987 erlangt habe. Damit, so die Argumentation, habe er seine ivorische Staatsbürgerschaft verloren – und könne folglich auch nicht fürs Staatspräsidium kandidieren.
Für Thiam ist der Fall klar: Mit diesem juristischen Kniff habe «die Macht» den gemäss Umfragen vielversprechendsten Rivalen eliminiert, hält er in einem Filmstatement auf Instagram fest. «Das ist nicht normal.» Und das sei nicht das Bild, das die Elfenbeinküste von sich abgeben sollte.
Gemäss Angaben der Nachrichtenagentur AFP könnten keine Rechtsmittel gegen die Entscheidung eingelegt werden. Doch Thiam will nicht klein beigeben: «Ich werde diese Streichung nicht akzeptieren, denn sie ist ungerecht, nicht zu rechtfertigen und nicht nachvollziehbar», sagt er weiter im Video, das er kurz nach dem Gerichtsentscheid gepostet hat. «Seien Sie versichert, dass ich absolut entschlossen bin, für das Amt des Präsidenten der Republik zu kandidieren.» Er werde diesen Kampf weiterführen. Und er habe keine Zweifel daran, dass er am Ende dieses Kampfes auf demokratische und freie Weise zum Präsidenten der Republik gewählt werde.
Thiam, Spross einer Politikerfamilie aus der Elfenbeinküste und sozialisiert in französischen Eliteschulen, hatte offensichtlich gespürt, dass der französische Pass ihm noch hinderlich werden könnte. Jedenfalls hatte er im März die französische Staatsbürgerschaft vorsorglich abgelegt. In den 1990er-Jahren schien die Doppelbürgerschaft noch kein Problem für ein politisches Amt gewesen zu sein, damals war er Minister für Planung und Entwicklung. Nun will er aber ganz nach oben: auf den Präsidentenstuhl.
In der Schweiz mag man sich ob Tidjane Thiams Ambitionen nur wundern. Hier ist er, der Nichtbanker und Versicherungsexperte, in die Geschichte eingegangen als einer jener Herren, die durch Unvermögen die Credit Suisse ins Verderben geritten haben. Auch wenn er kurz nach der staatlich orchestrierten CS-Rettung sich schon mal seine Hände in Unschuld wusch und in einem Gastbeitrag in der «Financial Times» festhielt, dass die Credit Suisse – als er als Chef zurücktrat – «nach einer tiefgreifenden Restrukturierung gerade den höchsten Gewinn seit zehn Jahren erzielt» hatte. Und dass in den «folgenden Jahren einiges schiefgelaufen» sei.
In Erinnerung bleiben wird Thiam hierzulande aber vor allem wegen der unrühmlichen Beschattungsaffäre, die letztlich dazu führte, dass er als CS-Chef gehen musste. Und wegen der juristischen Auseinandersetzungen, die er gegen seine ehemalige Haushälterin anzettelte, die aber dann vom Bezirksgericht Meilen freigesprochen wurde.
Auch damals hatte Thiam angekündigt, in Berufung gehen zu wollen. Niederlagen akzeptiert er nicht so schnell. (aargauerzeitung.ch)