Am Parteitag der Demokraten läuft alles wie am Schnürchen. Die Stimmung ist bestens, die Reden meist überdurchschnittlich gut. Stargäste wie Oprah Winfrey treten überraschend auf, gewalttätige Pro-Palästina-Demonstrationen sind bisher ausgeblieben. Was also kann da noch schiefgehen?
Vieles, warnt ausgerechnet das Ehepaar Obama, das am Parteitag einmal mehr bewiesen hat, dass es nach wie vor in der Redner-Championsleague spielt. Beide haben die Delegierten eindringlich davor gewarnt, sich bereits als Wahlsieger zu fühlen. «In einigen Bundesstaaten reicht bereits eine Handvoll Stimmen für den Sieg aus», erinnerte Michelle Obama ihre Parteifreunde. «Wir müssen daher in so grosser Zahl an die Urne gehen, dass jeder Zweifel ausgeräumt werden kann. Wir müssen alle Anstrengungen, uns zu unterdrücken, aus dem Weg schaffen.»
Barack Obama ging gar noch einen Schritt weiter: «Macht euch nichts vor, es wird ein Kampf werden», erklärte er. «Trotz der unglaublichen Energie, die wir in den letzten Wochen generieren konnten, und trotz der Rallys und trotz der vielen Memes wird es ein enges Rennen in einem gespaltenen Land werden.»
Die Warnungen der Obamas sind berechtigt. Donald Trump ist zwar angeschlagen, doch noch keineswegs besiegt. Und verwundete Raubtiere sind bekanntlich besonders gefährlich. Dazu kommt, dass der Ex-Präsident soeben einen Mini-Erfolg verbuchen konnte. Robert Kennedy Jr., der als unabhängiger Kandidat ins Rennen gestiegen ist, wird wahrscheinlich am kommenden Freitag seinen Rücktritt und gleichzeitig seine Unterstützung für Trump erklären.
Sollte dies tatsächlich so kommen, wäre dies eine erstaunliche Wende. Wohl kein anderer Geschlechtsname steht mehr für Demokraten als «Kennedy». Desertiert nun ausgerechnet der Sohn von Bobby Kennedy, dem Bruder von John F., ins gegnerische Lager, dann ist dies ein kleineres politisches Erdbeben. Eine Überraschung ist es jedoch nicht.
Die Kampagne von Robert Kennedy Jr. stand nie unter einem glücklichen Stern. Der ehemalige Umwelt-Anwalt entwickelte sich im Lauf der Zeit immer mehr zu einem obskuren Verschwörungstheoretiker. Seine Kandidatur war nur möglich, weil sie von Nicole Shanahan, der geschiedenen Gattin des Google-Co-Gründers Sergey Brin, grosszügig unterstützt wurde.
Das Geld der Milliardärin konnte jedoch nicht verhindern, dass Kennedy mit äusserst peinlichen Vorfällen in die Schlagzeilen geriet. Zunächst wurde bekannt, dass er einen Wurm in seinem Gehirn hat (kein Witz), wahrscheinlich weil er verdorbenes Fleisch verzehrt hatte. Danach gestand er in einer Talkshow, dass er einst einen jungen Bären im Wald überfahren und danach das tote Tier im New Yorker Central Park deponiert hat.
Aus der Sicht Kennedys macht ein Rückzug Sinn. Er hatte nicht einmal den Hauch einer Chance. Jetzt hofft er, wenigstens einen Kabinetts-Posten ergattern zu können. Bei Kamala Harris stiess er mit diesem Anliegen auf taube Ohren. Trump hingegen scheint zumindest gewillt zu sein, auf Verhandlungen einzutreten.
Wie weit der Ex-Präsident von einer Unterstützung Kennedys profitieren kann, ist ungewiss. Eine Meinungsumfrage der «Washington Post» am vergangenen Wochenende hat ergeben, dass Harris bei registrierten Wählern drei Prozentpunkte vor Trump liegt, wenn Kennedy noch im Rennen bleibt. Scheidet er aus, dann wächst Harris' Vorsprung auf vier Prozentpunkte an, denn Trump ist bei den Kennedy-Anhängern nicht beliebt. Tritt Robert Jr. nicht mehr an, dann wird dies daher kaum Wirkung haben: Seine wenigen Fans werden am Wahltag ganz einfach zu Hause bleiben.
Eine Zeitlang sah es so aus, als ob Trump in ernsthafte Geldnöte geraten würde. Seine Anwaltskosten stiegen in astronomische Höhe, ebenso die Geldstrafen, die ihm wegen übler Nachrede und gefälschten Geschäftsunterlagen aufgebrummt wurden. Gleichzeitig waren die potenten Geldgeber der Wall Street nach dem 6. Januar 2021 nicht mehr gewillt, ihre Schatullen zu öffnen.
Inzwischen hat sich das Blatt wieder zugunsten von Trump gewendet. Der Ex-Präsident kann mittlerweile wieder über mehr als 470 Millionen Dollar an Spendengeldern verfügen. Ein Viertel davon stammt aus der Finanzwirtschaft. «Was das Geld betrifft, ist Trump heute ein anderer Kandidat», stellt Thomas Edsall in der «New York Times» fest. «Die Bedenken, die nach dem 6. Januar zutage traten, sind angesichts der Aussicht auf Steuererleichterungen in Milliardenhöhe – sollte Trump wiedergewählt werden – gewichen.»
Edsall weist auch darauf hin, dass eine zweite Amtszeit von Donald Trump eine echte Gefahr für die amerikanische Demokratie und den Rechtsstaat sein würde und zitiert dazu namhafte Experten, unter ihnen den Historiker Timothy Snyder. Dieser stellt fest:
Nun also sein Rückzieher. Gut so. Ein Sieg von Harris über Trump ist nämlich nach wie vor allrs andere als sicher.
Die Republikaner und Trump haben noch eine ganze Menge Köcher im Pfeiler. Nicht bloss die Finanzindustrie oder Big Tech.
Sie werdem alle Mittel ausschöpfen. Legale wie illegale.
Sie werden auch nicht vor Walbetrug, Wahlfälschung und Wähler-Einschüchterung zurückschrecken.
Und sie kriegen Hilfe vom Russland, Iran, China und Nordkorea.