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Israel greift den Iran an: Das sagen zwei Experten

Israel's Ben Gurion Airport is empty of passengers following an Israeli military strike on Iran, in Lod, near Tel Aviv, Israel, Friday, June 13, 2025. (AP Photo/Ariel Schalit)
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Nach der neuerlichen Eskalation zwischen Israel und dem Iran wurde der Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv geschlossen. Bild: keystone
Analyse

Selbstverteidigung oder völkerrechtswidrig? Das sagen Experten zu Israels Angriff auf Iran

Israel bombardiert erstmals in grossem Massstab iranisches Staatsgebiet – und das mitten in laufenden Atomverhandlungen. Zwei Konfliktforschende erklären, welche Folgen die erneute Eskalation haben könnte und wie brüchig die internationale Ordnung inzwischen geworden ist.
13.06.2025, 17:2113.06.2025, 17:21
Anna Von Stefenelli / watson.de
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Erstmals seit Beginn der Spannungen mit dem Iran greift Israel in grossem Massstab direkt iranisches Territorium an. Getroffen wurden unter anderem Atomanlagen und Einrichtungen der Revolutionsgarden. Teheran reagiert mit Drohnen, Washington distanziert sich. Mitten in laufenden Verhandlungen über das iranische Atomprogramm wächst die Sorge vor einer weiteren Eskalation.

Besonders im Nordwesten des Iran kam es am Freitag zu massiven Luftschlägen durch Israel.

Watson hat zwei Friedens- und Konfliktforschende um ihre Einschätzung gebeten: Claudia Baumgart-Ochse von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung und Thorsten Bonacker von der Universität Marburg. Ihre Analysen zeigen, was völkerrechtlich auf dem Spiel steht – und wie brüchig der diplomatische Boden inzwischen ist.

Wie gefährlich ist der Iran für Israel wirklich?

Claudia Baumgart-Ochse stellt klar, dass der Iran «ohne Frage eine sehr ernstzunehmende Bedrohung für Israel» darstelle. Sie verweist auf die wiederholten Vernichtungsdrohungen der iranischen Führung sowie auf die langjährige Unterstützung und Finanzierung sogenannter «Proxies» – «beispielsweise die Hamas in den palästinensischen Gebieten oder die Hisbollah im Libanon».

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Auch im Gaza-Konflikt mischt das Mullah-Regime mit.Bild: keystone

Zudem nennt sie die jüngsten Ausweitungen der Anreicherungskapazitäten für Uran im Iran und die damit verbundene Sorge vor Atomwaffen.

Auch Thorsten Bonacker betont die Gefahrenlage. Er verweist auf die Priorität Israels und der USA, den Ausbau des iranischen Atomprogramms zu verhindern. Bonacker erinnert zudem daran, dass Teheran nach der jüngsten Kritik der Internationalen Atomenergiebehörde bekannt gegeben habe, das Programm weiter auszubauen.

Selbstverteidigung oder völkerrechtswidrig?

Für die Reaktion Israels gibt es laut Bonacker demnach «gute Gründe, weil das iranische Regime die Vernichtung Israels proklamiert und eine iranische Atombombe deshalb sehr gefährlich ist».

Trotz der Bedrohungen Israels durch den Iran macht Baumgart-Ochse deutlich, dass die militärische Eskalation aus ihrer Sicht nicht durch das Völkerrecht gedeckt sei. Es gelte, «dass einer völkerrechtlich zulässigen Selbstverteidigung Israels ein Angriff des Iran auf israelisches Territorium vorausgehen muss; und den gab es im Vorfeld der jetzigen militärischen Eskalation nicht.»

Was geschieht nun mit dem Atomabkommen?

Baumgart-Ochse verweist zudem darauf, dass die USA zu diesem Zeitpunkt aktiv an einem neuen Abkommen mit dem Iran gearbeitet hätten, um den Bau von Atomwaffen auszuschliessen. Donald Trump selbst habe noch am Vortag erklärt, dass er hoffe, «dass es nicht zu militärischen Angriffen kommt, sondern dass das Abkommen gelingt».

Israel ist diesem Verhandlungsprozess zuvorgekommen.

Was die Atomverhandlungen betrifft, kommt der Angriff Israels auf den Iran also zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Denn, wie Konfliktforscher Bonacker betont: «Grundsätzlich wäre es natürlich wünschenswert, auf dem Verhandlungsweg mit der Atomenergiebehörde zu einer Regelung zu kommen, die für alle Seiten tragbar ist.»

Die Folgen dieses Angriffs seien laut Baumgart-Ochse gravierend: «Nicht nur das mögliche Nuklearabkommen ist damit erst einmal vom Tisch, auch die Gewalt könnte in den nächsten Tagen massiv eskalieren.»

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In Pakistan kam es am Freitag zu Protesten gegen Israels Luftangriffe auf den Iran.Bild: keystone

Sie ordnet den israelischen Angriff in den Kontext anderer regionaler Konflikte ein: «Damit öffnet Israel eine weitere Front zusätzlich zum Krieg in Gaza, dem Konflikt mit den Huthis und den Konflikten an der Grenze zu Syrien und Libanon.»

Wie geht es in der Region weiter?

Thorsten Bonackers hält eine weitere Ausweitung des Konflikts aktuell für eher unwahrscheinlich. Denn: «Der Iran ist nicht zuletzt durch die israelischen Angriffe auf die Hamas und die Hisbollah sowie auf Funktionselite des Iran selbst geschwächt. Er hat im Moment weniger Möglichkeiten, eine Eskalation zu betreiben.»

Die iranische Antwort – Drohnenangriffe – sei zwar erfolgt, habe jedoch kaum Wirkung entfaltet: «Der Iran hat, wie üblich, mit Drohnenangriffen reagiert, die aber weitestgehend dank der israelischen Verteidigung ihre Ziele nicht erreichen.»

Trotz der Eskalation sieht Bonacker deshalb eine potenzielle Gesprächsbereitschaft auf iranischer Seite. Da der Iran politisch geschwächt sei und jetzt einen weiteren deutlichen Rückschlag erfahren hat, vermutet der Konfliktforscher «eine gewisse Verhandlungsbereitschaft».

Ob diese sich realisiert, hänge laut Bonacker davon ab, «ob Trump sein Verhandlungsangebot an den Iran aufrechterhält». Falls das der Fall sei, könne es «zu weiteren Gesprächen kommen, in denen der Iran sicherstellen wollen wird, dass er die zivile Nutzung aufrechterhalten kann».

Dennoch: Der Angriff ist ein weiteres, fatales Zeichen in Bezug auf die regelbasierte Weltordnung.

Was bedeutet die Eskalation für das Völkerrecht?

Baumgart-Ochse sieht in der aktuellen Eskalation ein weiteres Symptom für eine tiefere Erosion der internationalen Rechtsordnung. Sie schreibt: «Die Glaubwürdigkeit der regelbasierten Ordnung ist ja ohnehin schon schwer beschädigt.»

Dabei verweist sie auf «den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine, die massiven Verletzungen des humanitären Völkerrechts durch Israel im Gazastreifen» sowie den «Frontalangriff der Trump-Regierung auf die internationalen Institutionen». All diese Geschehnisse hätten die Bindekraft von Völkerrecht und internationaler Kooperation massiv geschwächt. Ihr Fazit: «Dieser Angriff Israels auf den Iran reiht sich also in einen Trend in der internationalen Politik ein, in dem völkerrechtliche Normen immer weniger befolgt werden.»

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240 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Spawn
13.06.2025 18:26registriert Januar 2024
Ich finde das was Israel macht absolut nicht in Ordnung!

Was mich aber extrem überrascht ist, das der Iran, die Hamas usw. eine so große Unterstützung in der Schweizer Bevölkerung hat! Gerade so als wären sie die "Guten"! Ich will mir nicht vorstellen wie menschenverachtend die sind! Das würde man jetzt von einem Land wie der Schweiz nicht gerade erwarten.
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Meierli
13.06.2025 19:05registriert November 2019
Das geht jetzt 1-2 Wochen so weiter. Iran wird auch noch ein paar Raketen abfeuern. Danach ist Iran 50 Jahre zurück und wird andere Probleme haben als Atombomben bauen.

Keinen Grund zur Aufregung und eventuell der beste Weg der Region Frieden zu bringen.

Hamas, Hezbollah, Houtis ohne Sponsor und man könnte über einen echten Frieden nachdenken. Oder verhandeln
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seven of nine
13.06.2025 19:53registriert Juli 2022
Die Sorge, dass Religiöse Spinner zur Atommacht werden ist berechtigt. Da gibts aber noch einige andere Schurkenstaaten. Die Russen, die Amis, die Chinesen, die Nordkoreaner, Israel, Pakistan & Indien. Alle diese Regierungen sind total daneben. Keine dieser Länder sollte Atomwaffen haben
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