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Konflikt um Taiwan: Was China als Nächstes tun könnte

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Eine Kundin in einem Schönheitssalon in Taipeh verfolgt Berichte über die chinesischen Manöver.Bild: keystone

Konflikt um Taiwan: Was China als Nächstes tun könnte

Mit Militärmanövern reagiert China auf den Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan. Befürchtet wird eine Invasion, doch die Volksrepublik hat andere Optionen, um die Insel in die Knie zu zwingen.
05.08.2022, 17:59
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China lässt vor seiner Küste die Muskeln spielen. Nach dem Besuch von Nancy Pelosi, der Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses, am Dienstag und Mittwoch in Taiwan, hat die Volksrepublik die grösste militärische Machtdemonstration seit Jahrzehnten anlaufen lassen. Für Peking ist die Inselrepublik Teil des Staatsgebiets und Pelosis Reise eine Provokation.

Die Antwort ist martialisch. Seit Donnerstag sind Manöver in sechs Sperrgebieten in Gang, die teilweise in die Hoheitsgewässer Taiwans hineinreichen. Ein Blick auf die Landkarte lässt unschwer erkennen, dass eine Abriegelung der demokratisch regierten Insel geübt wird. Dabei wird auch scharf geschossen, mit ballistischen Dongfeng-Raketen.

Das Muskelspiel der Volksbefreiungsarmee soll offiziell bis Sonntag dauern. Ob danach Ruhe einkehren wird, scheint zumindest fraglich. Für Chinas Präsident Xi Jinping ist die «Wiedervereinigung» mit der «abtrünnigen» Inselrepublik ein vorrangiges Ziel. Sie kann mit militärischen Mitteln erfolgen, doch die Volksrepublik verfügt über weitere Optionen:

Invasion

Die internationale Besorgnis über die Eskalation in der Taiwanstrasse ist gross. Befürchtet wird, dass die Übungen nur das «Vorspiel» zu einer eigentlichen Invasion der Insel darstellen. Allerdings halten die meisten Experten ein solches Szenario für wenig wahrscheinlich. China sei darauf trotz der massiven Aufrüstung der letzten Jahre (noch) zu wenig vorbereitet.

Oberflächlich betrachtet sind die Kräfteverhältnisse klar: Die taiwanesische Armee ist der chinesischen weit unterlegen. Sie verfügt aber über den Vorteil von Geografie und Topografie. Taiwan ist eine Insel, die von einer Gebirgskette durchzogen ist. Ein Einmarsch ist schwieriger als in der Ukraine, wo Russland zudem auf grossen Widerstand stösst.

Der Ukraine-Krieg dürfte der Führung in Peking zu denken geben und eine abschreckende Wirkung haben, glauben Experten. Was nicht heisst, dass eine Invasion vom Tisch ist. Ranghohe US-Militärs rechnen damit, dass es in der zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts geschehen wird, begleitet durch «flankierende Massnahmen».

Cyberangriffe

Am Mittwoch erschien auf Bildschirmen in den «7-11»-Läden, die rund um die Uhr geöffnet haben, eine Botschaft: «Kriegstreiberin Pelosi, raus aus Taiwan!» Gleichzeitig wurden die Websites mehrerer Regierungseinrichtungen, darunter das Präsidialamt, das Aussen- und das Verteidigungsministerium, durch DDoS-Attacken lahmgelegt.

Gemäss Digitalministerin Audrey Tang war das Volumen der Cyberangriffe auf Taiwan 23-mal grösser als der bisherige Tagesrekord. Die Urheber werden in Russland und vor allem auf dem chinesischen Festland vermutet. Von dort sind Cyberattacken beinahe an der Tagesordnung. Dazu gehören auch Trolle und Fake-News-Kampagnen gegen Politiker.

Damit versuchte China, die Wiederwahl von Präsidentin Tsai Ing-wen vor zwei Jahren zu stoppen, wenn auch vergeblich. Die Angriffe rund um den Pelosi-Besuch sind nach Ansicht eines Experten jedoch «mehr Theater als eine Bedrohung». Frühere Attacken etwa auf das Finanzsystem seien ausgefeilter und schädlicher gewesen. Sie zeigen, was möglich wäre.

Wirtschaftsblockade

Besonders verwundbar ist Taiwan aber bei der Wirtschaft. Wenn China den Luftraum und die Gewässer sperrt, ist die Insel faktisch von der Aussenwelt abgeschnitten und kann regelrecht stranguliert werden. Eine Wirtschaftsblockade ist aber auch riskant, denn in einem Bereich ist Taiwan für die Weltwirtschaft unentbehrlich: bei den Halbleitern.

Die Regierung hat den Sektor gezielt gefördert und ist besonders bei den komplexen Hochleistungs-Mikrochips überlegen. Auch Chinas Wirtschaft ist davon abhängig, was Peking schon lange wurmt. In der Strategie «Made in China 2025» ist als Ziel formuliert, den Bedarf bis zu besagtem Jahr zu 70 Prozent aus eigener Produktion zu decken.

Nach Ansicht von Branchenkennern ist diese Vorgabe illusorisch. Besonders bei den winzigen Super-Chips habe China einen mehrjährigen Entwicklungsrückstand. Die Regierung ist darüber offensichtlich erbost. Sie hat Korruptionsermittlungen gegen Schlüsselfiguren im Halbleiter-Sektor eingeleitet, darunter auch den zuständigen Minister.

Die nach Nancy Pelosis Besuch gegen Taiwan verhängten Wirtschaftssanktionen betreffen unter anderem Zitrusfrüchte. Sie sind somit ähnlich «zahnlos» wie die Cyberangriffe und ein Indiz dafür, dass die Kommunistische Partei Chinas derzeit keinen militärischen und angesichts gestörter Lieferketten auch keinen ökonomischen Krieg riskieren will.

Die Auflistung zeigt aber, dass Peking über die Mittel verfügt, um Taiwan in die Knie zu zwingen, womöglich ohne einen Schuss abzufeuern. Solange diese Gefahr besteht, kann sich China mit «symbolischen» Aktionen wie den derzeitigen Manövern begnügen. Aus seiner Perspektive ist die «Heimholung» von Taiwan nur eine Frage der Zeit.

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