Es ist weder eine Froschplage noch fliesst Blut in Europas Flüssen. Dennoch mutet die anhaltende Dürre an wie eine biblische Plage: Seit Monaten herrscht allerhöchste Waldbrandgefahr, die Landwirte müssen um ihre Ernten fürchten und in einigen der wichtigsten Gewässer der EU fliesst teils gar nichts mehr.
Fotos des Rheins, der französischen Loire und des italienischen Flusses Po verdeutlichen besonders eindrucksvoll, wie präsent die menschengemachte Klimakrise längst auch hier ist. Die Wissenschaft ist sicher: Je stärker sich das Klima erhitzt, desto wahrscheinlicher werden Extremwetter. Dürren sind dabei besonders prominent vertreten; vor allem im Sommer nimmt die Zahl aufeinanderfolgender Trockentage zu.
Für Europas Flüsse, die unverzichtbare Ökosysteme und Transportwege, Fischgründe, Bewässerungsquellen und Kühlsysteme für die Umgebung sind, ist das eine ernste Gefahr. Ein Blick auf ihren Überlebenskampf in Deutschland, Italien und Frankreich.
Die Pegelstände an Mittel- und Niederrhein seien «aussergewöhnlich niedrig» heisst es von der Wasserstrassen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes. Am Knotenpunkt Kaub, zwischen Koblenz und Mainz, droht der Pegel am Wochenende so stark zu sinken, dass die Binnenschifffahrt auf dem Rhein zum Erliegen kommt. Schon jetzt dürfen Frachter nur halbvoll beladen sein, damit sie nicht auf Grund laufen.
In Kombination mit hohen Temperaturen ist das auch eine Gefahr für Fische und andere Flussbewohner. Denn: Das Wasser wird zu heiss. Im Rhein haben Klimaforscher bis zu 28 Grad gemessen, in den Nebenflüssen sei die Wassertemperatur teils noch höher. An solche Temperaturen können sich viele Tiere kaum mehr anpassen.
Klimaforscher haben mit einer solchen Entwicklung derzeit eigentlich noch nicht gerechnet. Man habe das Problem unterschätzt, sagen beispielsweise die Wissenschaftler am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung. Erst in 20 Jahren hätten sie derlei dramatische Folgen der Klimakrise erwartet.
Auf mehr als 650 Kilometern schlängelt sich der Po aus den Alpen bis an die Adria-Küste, wo er südlich von Venedig ins Mittelmeer mündet. Doch in den Wintermonaten gab es in den Bergen kaum Schnee. Darauf folgte ein viel zu trockener Frühling und Sommer. In der lombardischen Lomellina hat es seit rund acht Monaten nicht mehr richtig geregnet.
Die anhaltende Hitze verschärft die Situation. Auf einigen Abschnitten des Flusses ist inzwischen fast alles Wasser verdunstet. Seit Anfang Juli gilt in fünf Regionen des Landes der Wassernotstand. Alle grenzen an den Po.
An der nahe gelegenen Messstation in Pontelagoscuro, kurz bevor der Fluss ins Mittelmeer mündet, plätschern nur noch 114 Kubikmeter pro Sekunde vorbei. Das entspricht weniger als einem Zehntel der Wassermenge, die hier im Hochsommer normal wären.
Viele hoffen hier darauf, dass die Gemeinden rund um den Gardasee zustimmen, die Abflussmengen in die Bewässerungskanäle zu erhöhen. Der See ist Norditaliens grösstes Wasserreservoir. Doch auch hier zeigt sich langsam die Trockenheit. Der Pegel sinkt stetig in Richtung der historischen Tiefmarke.
Neben der Fischerei ist auch die Landwirtschaft schwer getroffen: Der Po und seine Nebenflüsse führen zu wenig Wasser, um für ausreichend Bewässerung zu sorgen.
Aufgrund des niedrigen Pegels drängt an der Meermündung zur Adria bereits bis auf 40 Kilometer ins Landesinnere Salzwasser in das Flussbett und dringt ins Grundwasser vor. Auch das beeinflusst die Ernte. Der Gesamtschaden für die Bäuerinnen und Bauern beläuft sich laut der italienischen Agrarlobby Coldiretti auf rund 3 Milliarden Euro.
«Diese Trockenheit ist die schlimmste, die in unserem Land jemals verzeichnet wurde», so scharf formuliert Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne, wenn es um diesen Sommer geht. Wie schlimm es steht, sieht man auch der Loire an.
Eigentlich ist die Loire der grösste Strom, der in den Atlantik mündet. Doch von diesem Glanz ist aktuell nichts mehr übrig.
La Loire, this well-known French river with all the famous castles on its shores.You can now walk across it.#drought22 #ClimateEmergency pic.twitter.com/XD0EIbPk9l— Mélanie Vogel (@Melanie_Vogel_) August 7, 2022
Mancherorts lasse sich der Fluss inzwischen sogar zu Fuss durchqueren. Entsprechende Bilder kommen auch von der Tageszeitung «Ouest-France», aus dem Westen des Landes. In den Grossstädten Brest und Rennes hat es seit mehr als einem Monat überhaupt nicht mehr geregnet.
🌡Les fortes chaleurs et l’absence de pluie continuent d’avoir des conséquences en Loire-Atlantique. Le débit de la Loire baisse cruellement à cause de la sécheresse.📸 Notre photographe @DubrayFranck a capturé ces clichés impressionnants qui montrent la gravité de la situation. pic.twitter.com/ToeCvjl1Ch— Ouest-France (@OuestFrance) August 9, 2022
Bereits im Juli hatte Frankreich einen Negativrekord gebrochen: Seit Beginn der Wetteraufzeichnung gab es keinen vergleichbar so trockenen Monat. Für die Loire lässt sich angesichts des ausbleibenden Niederschlags aktuell wenig tun. Es wird an anderer Stelle geschraubt.
Um einen akuten Wassermangel zu verhindern, haben zwei Drittel der Regierungsbezirke auf dem Festland den Notstand ausgerufen. Wer hier sein Auto wäscht, die Blumen im Garten giesst oder die Einfahrt sauber spritzt, muss mit einem Bussgeld rechnen. Mehr als nur unangenehm ist hingegen die zunehmend problematische Kühlung von Frankreichs Atommeilern.
Neben romantischen Schlössern säumen auch mehrere AKW die Ufer der Loire, die deren Wasser für ihre Kühltürme nutzen. Während einige Experten warnen, dass das Wasser hierfür ohnehin bald zu warm werden könnte, sorgen die Kernkraftwerke selbst für höhere Wassertemperaturen. Denn das gebrauchte Kühlwasser fliesst erwärmt zurück in den Fluss.
Um Flusstiere und -pflanzen zu schützen, müssen Kernkraftwerksbetreiber ab einer bestimmten Höchsttemperatur ihres Kühlabwassers die Leistung der Anlagen zurückdrehen. Dass es nun erstmals eine wochenlange Ausnahmegenehmigung gibt, sorgt Umweltschützer extrem.
(mit Material der Nachrichtenagentur dpa)