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Elon Musk gibt Alice Weidel den Schlüssel zu seiner Machtmaschine

FILE - Elon Musk speaks before Republican presidential nominee former President Donald Trump at a campaign rally at Madison Square Garden, Oct. 27, 2024, in New York. (AP Photo/Evan Vucci, File)
Musk, hier am 27. Oktober 2024, sind die europäischen Digitalgesetze ein Dorn im Auge: X-Chef Elon Musk.Bild: keystone

Elon Musk gibt Alice Weidel den Schlüssel zu seiner persönlichen Machtmaschine «X»

In Europa wächst der Ärger über die politischen Einmischungsversuche des reichsten Mannes der Welt. Der Druck steigt, endlich Gegensteuer zu geben. Die EU hätte Optionen, aber sie bergen ein grosses Risiko.
09.01.2025, 14:13
Remo Hess, Brüssel / ch media
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Elon Musk ist ausser Rand und Band: Wie ein Berserker arbeitet sich der reichste Mann der Welt momentan am politischen Establishment in Europa ab. Nachdem er Bundeskanzler Olaf Scholz und den britischen Premier Keir Starmer wahlweise als «unnützen Idioten» und «antidemokratischen Tyrann» betitelt hat, wird er am Donnerstag auf seiner Internet-Plattform «X» (ehemals Twitter) nachlegen.

Angekündigt ist ein ausgiebiges Live-Gespräch mit der AfD-Chefin Alice Weidel. Spätestens dann werden seine über 200 Millionen-Follower wissen, weshalb Musk die europaskeptische und putinfreundliche AfD für die einzige Partei hält, welche Deutschland noch vor dem Untergang retten könne, wie er es selbst ausdrückt. Sechs Wochen vor der Bundestagswahl darf sich Weidel über die Gratis-Publicity freuen, was sie natürlich auch tut.

Während sich Scholz im Berliner Kanzleramt demonstrativ gelassen zeigt, ist man andernorts weniger zurückhaltend. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zum Beispiel wirft Musk vor, eine neue Bewegung der «internationalen Reaktionären» zu befördern und sich direkt in die Wahlen in Europa einzumischen. Sein Aussenminister forderte die EU-Kommission am Mittwoch dazu auf, endlich aktiv zu werden. Gefragt, ob Musks Onlinedienst verboten werden sollte, wie es in Brasilien der Fall ist, antwortete Jean-Noël Barrot: «Das ist nach unseren Gesetzen möglich.»

Auch Elon Musks Meinungsfreiheit ist geschützt

Wird Brüssel also dem Duo Musk-Weidel den Stecker ziehen? Wohl kaum. Die Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut in Europa, und wie jeder andere habe auch der Elon Musk das Recht, uneingeschränkt seine Gedanken zu äussern, so ein Sprecher der EU-Kommission. Dass er seine kontroversen Statements abfeuert und die AfD-Chefin interviewt, ist insofern völlig in Ordnung. Klar ist zudem auch: Elon Musk ist nicht die «ARD» und hat keinen öffentlichen Auftrag, auf seinem Profil allen Parteien einen Sendeplatz zu gewähren.

Leader of right wing AfD Alice Weidel speaks during a plenary session at the German parliament Bundestag where he faces a vote of confidence, Berlin, Germany, Monday, Dec. 16, 2024. (AP Photo/Markus S ...
Elon Musk möchte ein Live-Gespräch mit der AfD-Chefin Alice Weidel.Bild: keystone

Allerdings heisst das nicht, dass alles entspannt wäre zwischen Brüssel und Musk. Im Gegenteil: Seit einem Jahr schon läuft eine EU-Untersuchung gegen «X» im Rahmen des neuen Gesetzes über die Digitalen Dienste (DSA). Es geht unter anderem um versteckte Werbung, Nutzertäuschung durch nicht verifizierte Konten mit «blauen Häkchen» oder illegale Inhalte wie Videos des Hamas-Massakers. Der wichtigste Teil dreht sich aber um die Algorithmen: Das sind jene geheimen Formeln, mit denen X entscheidet, welche Beiträge auf der Seite erscheinen.

Mittlerweile ist klar, dass Musk seit seiner Übernahme von X im Jahr 2022 kräftig an den Algorithmen geschraubt hat. Das fällt jedem auf, der die Plattform auch nur sporadisch nutzt. Am offenkundigsten zeigt es sich bei den Beiträgen von Musk selbst. Ungefragt werden einem diese in die Timeline transportiert, selbst wenn man dem 53-jährigen Multimilliardär nicht folgt. Das wird auch beim Weidel-Interview nicht anders sein. Dass Musk gerne mal Fake News oder zumindest an Desinformation grenzende Beiträge verbreitet, macht es nicht besser.

Es geht auch um Geo-Politik – und vor allem um viel Geld

Musk selbst argumentiert mit der Meinungsfreiheit. Lässt sich aber beweisen, dass er X zu seiner persönlichen Propaganda-Maschine umfunktioniert hat und es systemische Mängel gibt, dürfte er ein Problem bekommen. Im schlimmsten Fall drohen Bussen von bis zu sechs Prozent des weltweiten Umsatzes, was bei Musks Tech-Imperium auch für den reichsten Mann der Welt schmerzhaft wird.

Warum also handelt die EU nicht, wenn die Untersuchung schon so weit fortgeschritten ist? Die Erklärung ist einfach, auch wenn sich in Brüssel niemand öffentlich dazu äussern will: In nicht einmal zwei Wochen wird Musk Teil der neuen US-Regierung sein und bei der EU-Kommission will man es um jeden Preis vermeiden, mit Präsident Donald Trump schon vor seinem Amtsantritt in Streit zu verfallen. Dafür gibt es dann noch genügend Gelegenheiten, wie zum Beispiel den angekündigten Zollkrieg wegen Trumps flächendeckenden 20-Prozent-Strafen gegen alle europäischen Produkte. Da ist es der EU doch lieber, wenn sie noch ein Ass im Ärmel hat.

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157 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Fondor
09.01.2025 14:43registriert März 2020
Demokratie kann nicht funktionieren, wenn auf der einen Seite nicht mit wahren Fakten argumentiert wird. Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass man einfach lügen kann, fake an fake verbereiten kann und dabei zugeschaut wird. diese masche von rechts hat schon lange nichts mehr mit demokratie zu tun. man bezieht sich zwar auf demokratie feuert aber knall hart dagegen. Ich frage mich wann man dann reagieren sollte wenn nicht jetzt? hätte nie gedacht, dass es soweit kommen muss aber dabei zuschauen wie wir ins unglück voranschreiten finde ich fast schlimmer!!
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Elmas Lento
09.01.2025 15:10registriert Mai 2017
Meiner Meinung nach ist das Problem nicht, dass Musk exTwitter zu seinem persönlichen Propagandakanal umgebaut hat und primär rechte und rechtsextreme Parteien bevorzugt, das Problem ist, dass Medien diesen Kanal immer noch ernst nehmen, für repräsentativ halten und die "Infos" darauf weiterverbreiten.
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Ciri
09.01.2025 14:27registriert Januar 2015
Mir macht das Angst.
Wo soll das alles enden?
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