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Frankreich: So handelt die Politik nach den Krawallen

Frankreich ringt mit den Konsequenzen der Krawalle – das Neuste in 5 Punkten

Mit Abklingen der schweren Unruhen in Frankreich nach dem Tod eines Jugendlichen durch einen Polizeischuss rücken die politischen Konsequenzen in den Fokus. So sieht die Lage derzeit aus.
04.07.2023, 06:53
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Relativ ruhige Nacht auf Dienstag

Im Moment sieht es danach aus, als seien die Krawalle in Frankreich weiterhin am abklingen. Grössere Ausschreitungen blieben in der Nacht zum Dienstag aus. In Nanterre bei Paris, wo der 17 Jahre alte Jugendliche am Dienstag vergangener Woche von einem Polizisten erschossen worden war, blieb es trotz einzelner Sachbeschädigungen ruhig, wie BFMTV berichtete. Im Grossraum Paris kam es zu 17 Festnahmen. Erneut waren landesweit rund 45'000 Polizisten im Einsatz, um für Ruhe zu sorgen.

epa10722929 Police are deployed in front of the police station of Noailles, in Marseille, France, 02 July 2023. Police were deployed following the violence that broke out all over France after police  ...
Auch wenn sich die Situation langsam zu beruhigen scheint, sind in Frankreich noch immer rund 45'000 Polizisten im Einsatz.Bild: keystone

Macron und Borne um Ruhe bemüht

Präsident Emmanuel Macron empfängt am Dienstag in Paris 200 bis 300 Bürgermeister aus Städten und Gemeinden, in denen die Ausschreitungen besonders heftig waren. Neben moralischer Unterstützung wolle der Präsident Hilfe bei der Reparatur beschädigter Rathäuser und anderer öffentlicher Einrichtungen anbieten, teilte die Regierung mit. Am Montagabend besuchte Macron mit Innenminister Gérald Darmanin eine Polizeiwache in Paris, um den Sicherheitskräften den Rücken zu stärken.

French President Emmanuel Macron attends a government emergency meeting after riots erupted for the third night in a row across the country, at the Interior Ministry in Paris, Friday, June 30, 2023. E ...
Präsident Emmanuel Macron spricht am Dienstag mit Bürgermeistern aus besonders betroffenen Gebieten.Bild: keystone

Premierministerin Élisabeth Borne hatte zuvor mit den Fraktionsvorsitzenden beider Parlamentskammern über die Krise beraten. Am wichtigsten sei nun, die Ruhe im Land wiederherzustellen mit massiver Polizeipräsenz und einem entschiedenen Vorgehen der Justiz, sagte Borne.

FILE - Youths clash with Police forces in Nanterre, outside Paris, Thursday, June 29, 2023. After six years in power, French President Emmanuel Macron appears further weakened by days of rioting over  ...
Der Tod eines 17-Jährigen löste in Frankreich heftige Krawalle aus, vor allem rund um Paris.Bild: keystone

Schäden von «über einer Milliarde Euro»

Der wirtschaftliche Schaden durch die anhaltenden Unruhen in Frankreich ist nach Einschätzung der Arbeitgebervereinigung Medef gewaltig. «Es ist noch zu früh, um eine genaue Zahl zu nennen, aber wir liegen bei über einer Milliarde Euro, ohne die Schäden für den Tourismus zu berücksichtigen», sagte Medef-Chef Geoffroy Roux de Bézieux der Zeitung «Le Parisien». Über 200 Geschäfte seien vollständig geplündert, 300 Bankfilialen zerstört und 250 Kioske in Mitleidenschaft gezogen worden.

Youths raise the fists by a burning newsstand during a demonstration against a security law that would restrict sharing images of police, Saturday, Nov. 28, 2020 in Paris. Thousands of critics of a pr ...
Feuer in Paris: Neben Autos wurden auch zahlreiche Gebäude zerstört.Bild: keystone

«Die Videos der Unruhen, die in der ganzen Welt kursierten, beschädigen das Image Frankreichs», sagte der Arbeitgeber-Chef. «Es ist immer schwer zu sagen, ob die Auswirkungen dauerhaft sind, aber es wird sicherlich einen Rückgang der Buchungen in diesem Sommer geben, obwohl die Saison vielversprechend war.» Einige Touristen hätten ihre Aufenthalte bereits storniert.

Ermittlungen gegen Beamten

Gegen den Beamten, der den Schuss auf den Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt. Frankreich sei ein Rechtsstaat und auch die Polizei an Gesetze gebunden, betonte die Regierung am Montag. Die Polizei habe aber keine systemischen Probleme mit Rassismus oder leichtfertigem Einsatz von Schusswaffen.

In this image taken from video, two police officers question a driver during a traffic stop as one of the officers points a gun toward the car's window in Nanterre, France, Tuesday, June 27, 2023 ...
Die beiden Beamten kurz vor dem tödlichen Schuss.Bild: keystone

Gerade in den vergangenen Tagen habe sie vielmehr Professionalität und Augenmass bewiesen – trotz heftiger Ausschreitungen seien weder Randalierer noch Beamte zu Tode gekommen. Der Tod des Jugendlichen sei gleichwohl tragisch und bewege verständlicherweise die Gemüter. Auf Forderungen nach einer Polizeireform ging die Regierung bisher nicht ein.

Die Hintergründe

Seit dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle wurde Frankreich von schweren Krawallen erschüttert. Vor allem nachts herrschten teils chaotische Zustände auf den Strassen. Wiederholt kam es zu Plünderungen, Brandanschlägen und gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizisten und Randalierern.

Nach Regierungsangaben wurden in den vergangenen Tagen über 3400 Menschen bei Ausschreitungen festgenommen. 684 Polizisten und Feuerwehrleute seien verletzt worden. Laut dem Sender BFMTV wurden erste Beteiligte bereits im Schnellverfahren verurteilt, unter anderem zu Haftstrafen mit elektronischer Fussfessel. (sda/dpa)

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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Unsinkbar 2
04.07.2023 07:30registriert August 2019
Das ganze wird noch Konsequenzen haben, leider in Form von Rechtsrutsch in Europa, zuerst Spanien, danach Frankreich. Vielleicht liegt die Lösung im dänischen Modell, wo Sozialdemokraten die Ghettos abreisen und modernisieren, dann haben wir trotzdem noch unsere liberalen Freiheiten, statt das SVP Gesellschaftsmodell.
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